Das Rennen meines Lebens

"Wir lebten am Limit , weil wir nicht wussten, wann unser Leben vorbei sein würde"

Dieses Wochenende steigt der Grand Prix von Österreich. Für Formel-1-Legende Niki Lauda war der Österreichring Stätte herber Niederlagen, großer Triumphe und skurriler Erinnerungen. Via News blickt er voll Emotionen zurück

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Sport - Das Rennen meines Lebens

Es war der 19. August 1984. Rund 100.000 Zuschauer waren gekommen, um das größte Motorspektakel des Jahres zu erleben und ihrem Idol Niki Lauda die Daumen zu drücken. Er war als WM-Zweiter hinter seinem großen Rivalen und McLaren-Teamkollegen Alain Prost an den Österreichring gereist - und noch kein Österreicher hatte bis dahin das traditionsreiche Heimrennen gewonnen. Doch Lauda rechnete sich Chancen aus, zumal ihn ein gutes Ergebnis hier an die Spitze der WM-Wertung katapultieren würde. Drei Rennen hatte er in dieser Saison schon gewonnen, zuletzt einen Monat zuvor in Brands Hatch. "Im Prinzip ist ein Heimrennen ja nix anderes als ein normaler Grand Prix, die Rennfahrer sind ja auch dieselben. Mühsam ist es nur deshalb, weil zu Hause alle von dir etwas wollen - die Sponsoren, die Journalisten und die Fans", erinnert sich Lauda an damals.

Zäher Start in die Formel 1

Dann blickt er noch weiter in die Vergangenheit zurück: zu seinem ersten Rennen, das zufällig auch am Österreichring über die Bühne ging. Damals wollte Lauda Geld von der Bank, um sich bei einem Rennteam einzukaufen. Die Hausbank, die Erste, verweigerte, weil der einflussreiche Großvater Lauda beim Vorstand ein nicht zu ignorierendes Veto einlegte. Doch Enkel Lauda ließ sich nicht beirren, klopfte bei Raiffeisen an und bekam tatsächlich einen Kredit in Höhe von 2,5 Millionen Schilling: "Das Geld trug ich zu March."

Die Formel-1-Karriere begann 1971 zäh. Wohl war mit der Kohle der Sprung in die Königsklasse geschafft, und das Premierenrennen konnte in der Heimat -auf dem Österreichring -starten. Doch war der von March gemietete Rennwagen eine rechte Kraxn und schaffte gerade den Start. Lauda: "Der Finanzeinsatz war für die Würst. Ich bin nach einer Runde ausgefallen und wurde Letzter." Der zweite, dort ebenfalls debütierende Österreicher war übrigens ein gewisser Helmut Marko. Er wurde guter Elfter. Immerhin konnte Lauda 1972 die gesamte Saison bei March bestreiten, und ein Jahr später wechselte er zu BRM. Das hatte mit dem anderen österreichischen Rennfahrer zu tun.

Besagter Helmut Marko, ein knorriger Grazer, fuhr damals für den Rennstall aus Bourne und war meist einen Zacken schneller als der Wiener Lauda. Doch beim Großen Preis von Frankreich 1972 schlug das Schicksal zu. Ein von Ronnie Petersons Lotus aufgewirbelter Stein durchschlug Markos Helmvisier und verletzte sein linkes Auge irreparabel. Markos Karriere -er hatte einen Vorvertrag bei Ferrari - war schlagartig zu Ende. Und Lauda erbte sein Cockpit.

Auch der BRM war keine Rakete, aber Lauda holte aus dem Boliden das Letzte heraus. Beim prestigeträchtigsten Rennen der Welt, in Monte Carlo, kämpfte er sich 1973 zwischenzeitlich auf Rang drei vor, lag vor den beiden Ferraris, ehe er ausfiel. Er schien zwar nicht in den Ergebnislisten auf, aber die Teamchefs wurden aufmerksam. Am aufmerksamsten war der alte Commendatore Enzo Ferrari, der ihn unter Vertrag nahm. Dass Lauda knapp davor einen längerfristigen Kontrakt mit BRM unterzeichnet hatte, störte nicht. Der damalige Ferrari-Rennleiter Luca di Montezemolo brachte die Sache in Ordnung.

"Also bin ich eigentlich nur wegen Helmut bei Ferrari gelandet", unkt Lauda. Mit Helmut, dem heutigen Motorsportchef Doktor Marko von Red Bull, verbindet ihn noch immer eine durchwachsene Freundschaft: "Eigentlich haben wir uns immer respektiert und gut verstanden. Er hat nur zu verschiedenen Themen, beispielsweise zum Zusammenstoß von Sebastian Vettel mit Lewis Hamilton in Baku letzte Woche, interessante Thesen", sagt Lauda zu News und fügt schmunzelnd an: "Er ist und bleibt halt ein Brummbär."

Bei Ferrari lebte sich Lauda 1974 schnell ein, hatte zwar noch Lehrmeister Clay Regazzoni vor sich ("ohne ihn wäre ich sicherlich nur gut geworden"), belegte aber bereits im zweiten Rennen Platz zwei und gewann zwei Monate später den GP von Spanien in Jarama. Allerdings blieb ihm ein Rennsieg in der Heimat weiterhin verwehrt.

In Zeltweg steppte der Bär

Das allerdings tat 1975 in der Steiermark der guten Stimmung ums Rennwochenende keinen Abbruch. Die Rennkollegen saßen querbeet durch alle Teams beisammen, blödelten, spielten Backgammon oder flogen per Heli für einen kurzen Abstecher an den Wörthersee. Denn Formel-1-Piloten, damals lauter gestandene Junggesellen, zogen in den Siebziger- und frühen Achtzigerjahren die Damenwelt magnetisch an - und umgekehrt. Lauda erinnert sich gerne an die wilden Zeiten: "Es war sicher nicht jugendfrei. Wir haben am Limit gelebt, wir konnten gar nicht anders, weil wir nicht wussten, wann unser Leben vorbei sein würde. Und ein gefährlicher Beruf macht dich für Frauen interessant."

»Wir haben am Limit gelebt, wir konnten gar nicht anders, weil wir nicht wussten, wann unser Leben vorbei sein würde. Und ein gefährlicher Beruf macht dich für Frauen interessant.«

Der 1969 im Blitztempo erbaute Österreichring (der solcherart den kurz danach eröffneten Salzburgring marginalisierte) war die damals schnellste Strecke der Welt, fast sechs Kilometer lang und mit rasanten, teils tückischen Berg-und-Tal-Passagen versehen. "Eine echte Herausforderung", gesteht auch Lauda und bringt es so auf den Punkt: "Der Grad zwischen Sieg und Tod war ein verdammt enger." Wie wahr. Im morgendlichen Warm-up zum Ö-GP 1975 verunglückte der Amerikaner Mark Donohue nach einem Reifenplatzer bei 300 km/h tödlich. Sein Penske-Ford überschlug sich mehrmals und zerschellte an einer Reklametafel.

»Der Grad zwischen Sieg und Tod war ein verdammt enger.«

"Dennoch, die ganze Atmosphäre des Österreichrings war so herrlich anders als das Umfeld am Nürburgring, in Silverstone oder in Anderstorp. Ein herrliches Panorama mit Kühen auf den Weiden und manchmal eigenartigen Menschen, mit denen man zu tun hatte. Ich erinnere mich beispielsweise an einen Rennleiter, dessen steirisches Englisch kein Mensch verstanden hat", blickt Lauda amüsiert zurück. Gewohnt haben die Fahrer damals in Gasthöfen oder waren privat untergebracht. Die meisten - ein blonder Haudegen namens James Hunt nämlich nicht. Der spätere Weltmeister zog es nämlich vor, in einem Zelt direkt an der Strecke des Ö-Rings zu campieren. Als er eines Tages spätnachts zu seinem Zelt wollte, war die Stecke bereits versperrt, was Hunt nicht weiter störte: Er brach das Schloss auf. Freilich bekam die örtliche Gendarmerie davon Kenntnis und setzte den Blondschopf kurzerhand in den Knast. Lauda musste ihn "äußerst mühsam aus dem Polizeigewahrsam befreien".

Auch Niki Lauda durchlebte bewegte Zeiten: zwei WM-Titel, beide auf Ferrari, dazwischen ein beinahe tödlicher Unfall auf dem Nürburgring, die Gründung einer eigenen Fluglinie und der Rücktritt 1979 mit dem bald geflügelten Wort: "Ich will nicht mehr im Kreis fahren." Sein damaliger Teamchef bei Brabham, Bernie Ecclestone, kann's nicht fassen.

Endlich der Heimsieg

Auch Lauda glaubte, nicht recht zu hören, als sich am 19. August 1984 auf dem Österreichring das Getriebe seines McLaren- Porsche mit lautem Knall verabschiedete und er in der Bosch-Kurve ausrollte. Zwei Jahre nach seinem Comeback war der erste Sieg beim Heim-Grand-Prix zum Greifen nahe gewesen: Alain Prost, sein größter Konkurrent, war bereits rausgeflogen, Nelson Piquet hatte er im Griff gehabt -und dann das. "Von da runter zu Start und Ziel zu hatschen, war mir aber zu weit", erklärt Lauda, warum er nicht aus dem Boliden gekraxelt sei, sondern im Getriebe "herumgestochert" und tatsächlich "den vierten und fünften Gang" gefunden habe. Sein Vorsprung war indes derart, dass er immer noch führte. Der knapp hinter ihm liegende Piquet wagte nicht, zu überholen, weil er dachte, der vor ihm herzockelnde Lauda wolle ihn mit einem Manöver in eine Falle locken. Das Unvorstellbare geschah: Lauda gewann nach 51 Runden. Bei der Siegerehrung auf dem Stockerl rückte er mit der Wahrheit heraus, "da ist dem Piquet fast die Lad' runtergefallen". Die beiden seien aber noch heute Freunde, versichert Lauda. "Wir telefonieren oft miteinander."

"Zeltweg 1984 war ein ganz besonderer Sieg in meiner Karriere." Wie wahr: Vier Rennen später war Niki Lauda zum dritten und letzten Mal Weltmeister.