Wieso ist jetzt alles dystopisch?

"Erklärungsversuch" von Wolfgang Kralicek: Wenn ein Wort in Mode kommt

von Leben - Wieso ist jetzt alles dystopisch? © Bild: NEWS

Romane oder Filme, die in der Zukunft spielen, werden heutzutage gern als „dystopisch“ bezeichnet; auch das neue Radiohead-Album wurde von der Musikkritik umgehend mit diesem Attribut belegt. Wer Dystopien hat, braucht keine Brille. Das Wort bezeichnet ein düsteres Zukunftsszenario, ist quasi das Gegenstück zur meist positiv belegten Utopie. Der Begriff Dystopie ist nicht neu, er wurde bis vor Kurzem aber kaum gebraucht. Wollte man ein pessimistisches Bild von der Zukunft beschreiben, sprach man von einer „negativen Utopie“, als Adjektiv bot sich „apokalyptisch“ an. Francis Ford Coppolas berühmter Vietnamkriegsfilm würde heute wohl „Dystopia Now“ heißen. Lange Zeit stieß man nur in wissenschaftlicher Fachliteratur auf Dystopien; inzwischen ist der Begriff in der „Kronen Zeitung“ angekommen, und es ist wahrscheinlich nur noch eine Frage der Zeit, bis er auch im Wetterbericht zum Einsatz kommt. Es ist immer wieder faszinierend anzusehen, wie ein Wort langsam in Mode kommt, bis es irgendwann in den allgemeinen Sprachgebrauch übergeht. Im konkreten Fall aber kommt ein beängstigender Aspekt hinzu: Wenn es stimmt, dass sich der Zustand einer Gesellschaft auch in der Sprache abbildet, dann ist der Siegeszug eines solchen Wortes wahrscheinlich ein dystopisches Zeichen.

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