Tobias Poschik: Ein
Schüler in der Mörderklasse

13 Jahre alt, Kart-Staatsmeister - und ein Talent für die Formel 1?

Tobias Poschik holte im Vorjahr den Staatsmeistertitel im Kartfahren in der Kategorie Mini Max. Ob das Talent auch für die Formel 1 reicht, wird sich zeigen.

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Motorsport-Nachwuchs - Tobias Poschik: Ein
Schüler in der Mörderklasse

Tobias Poschik ist vor Kurzem 13 Jahre alt geworden und studiert schon. Nicht etwa an einer Universität. Nein. Der Niederösterreicher studiert seine Konkurrenten. Im Rennen. "Wenn ich an einem Fahrer nicht vorbeikomme, dann bleibe ich eine halbe Runden hinter ihm, beobachte ihn und schaue, wo er wiederholt Fehler macht. Genau an diesen Stellen setze ich dann in der nächsten Runde zum Überholmanöver an", sagt der 1,52 Meter große Gymnasiast aus Unterwaltersdorf.

Klingt ziemlich selbstbewusst. Nicht zu Unrecht. Im Vorjahr wurde er Dritter in der CEE (Central and East European Challenge), Sieger der RMC Austria und Staatsmeister in der Mini-Max-Klasse. Ab März ist er bei den Junioren vertreten. Doch ein paar Runden zurück. Wie alles begann? Mit einem Zufall mehr oder weniger. Verantwortlich für die Kart-Vernarrtheit war der Großvater. Der nahm sein sechsjähriges Enkerl auf die Kartbahn in Bruck an der Leitha mit. Just an diesem Tag fand ein Rennen statt.

Tobias war daraufhin nicht mehr von der Rampe und seine Augen nicht mehr von den Karts zu kriegen. Etliche Stunden später als vereinbart kamen die beiden nach Hause. Die Eltern von Tobias, Mutter Sissy ist Inhaberin von Mrs. Sporty Ebreichsdorf, Vater Andreas Gymnasialprofessor für Mathematik und Sport, sahen einen Jungen vor sich, der plötzlich Feuer und Flamme für das Kartfahren war. Eine Woche später stand ein nagelneues Kart in der Garage - vom Opa. Damit gab es kein Entrinnen mehr. Die Initialzündung, Motorkarriere gestartet.

Anfangs drehte Tobias natürlich hobbymäßig seine Runden. Doch den Eltern war recht rasch klar, dass in ihrem Buben ein Talent für das Im-Kreis-Fahren schlummert. Daher erlaubten sie ihm, dass er an Rennen teilnahm. Auch wenn der erste Trainer attestierte: "Aus dem wird nie ein Rennfahrer." Solche Prognosen konnten den ehrgeizigen Sportler nicht aus der Ideallinie werfen. Ganz im Gegenteil: Sie machten ihn nur noch stärker. Sein Credo: "Ich gebe niemals auf und kämpfe bis zum Umfallen." Der Trainer hat seine Meinung im Übrigen rasch danach revidiert.

Prominente Vorbilder

Die ersten Rennen bestritt Tobias noch komplett privat organisiert. Als er trotzdem beachtliche Ergebnisse erzielt hatte, fiel er einem Profi-Rennstall auf: dem burgenländischen KSCA-Sodi-Austria-Racing-Team, das ihn 2016 als Teamfahrer engagierte. Das hat einen riesigen Vorteil: Support vor Ort. Vor allem die Techniker, die Vater und Mechaniker Andreas helfen, das Kart perfekt einzustellen, und Tobias mit Rat und Tat zur Verfügung stehen. Kartfahren ist das Miniaturformat der Formel 1. Eines der Glanzlichter im österreichischen Motorsport konnte sich auch von den Qualitäten des Jungspunds überzeugen: Ex-Formel-1-Fahrer Alexander Wurz. Dessen Sohn Charlie fuhr im Vorjahr gegen Tobias Poschik. Der verwies Wurz junior allerdings am Ende der Saison auf Rang drei. Alexander Wurz hat noch zwei weitere Söhne, die ebenfalls im Rennsport vertreten sind: Oscar, den jüngsten, und Felix, den ältesten.

Klarerweise ist Tobias vom Wurz-Clan fasziniert. Doch er hat noch andere Vorbilder: Ferdinand Habsburg. Der 20-jährige Spross der ehemaligen Kaiserdynastie hat seine Rennsportkarriere ebenfalls im Kart begonnen und fährt nun Formel 3. Das ist auch das erklärte Ziel von Tobias. Ob ihn sein Talent bis in die Königsdisziplin des Rennsports -in die Formel 1 -trägt, wird sich noch zeigen. Er möchte aber auf jeden Fall dem Rennsport verbunden bleiben; sei es im Cockpit eines Rennautos oder als Ingenieur eines Rennteams. Für sein großes Ziel arbeitet er hart. Mit Laufen und Radfahren arbeitet er an seiner Ausdauer, und die Muskeln werden über Liegestütze, Sit-ups und Co. gestählt. Beides braucht er, um sein Kart sicher zu manövrieren. Durch den niedrigen Schwerpunkt der Karts werden in den Kurven sehr hohe Geschwindigkeiten erzielt. Die Belastung, bis zu 3 g, ist daher enorm. Fitness steht deshalb an erster Stelle, damit mangelnde Konzentration nicht an der Reaktionszeit nagt. "Bei den ersten Rennen hat meine Frau gar nicht hinsehen können. Das hat sich nach und nach gelegt. Wir wissen, dass er gut ist und gut vorbereitet ist", sagt Andreas Poschik. Passieren kann aber immer was. So zog sich Tobias sich 2016 in Tschechien bei einem Rennen eine Rissquetschwunde an der Hand zu, die genäht werden musste.

Dass ihn viele Mitschüler belächeln und meinen, dass es nichts Großes sei, in einem Fahrzeug zu sitzen und im Kreis herumzufahren, stört ihn schon. Tobias kann an den Rennwochenenden, die immer von Freitag bis Sonntag stattfinden, freitags der Schule fernbleiben. Dennoch wird ihm schulisch nichts geschenkt: Versäumte Stunden müssen nachgeholt werden, versäumter Schulstoff ebenso. Bei den Fahrten nach Italien, Ungarn oder Österreich unterhält er sich also nicht mit Musik oder Computerspielen, sondern brütet über Schulbüchern. Ein großes Glück sind dabei Beatrix North, seine Klassenvorständin, und Beatrix Dillmann, Direktorin des Don-Bosco-Gymnasiums in Unterwaltersdorf: Sie zeigen Verständnis für das zeitintensive PS-Treiben ihres Schützlings.

Hohe Kosten

Die benzingeladenen Wochenendausflüge sind aber nicht nur zeit-,sondern auch kostenintensiv. Die Ausgaben werden von der Familie für heuer mit 15.000 Euro budgetiert. Symbolische Unterstützung erhält Tobias auch von der Gemeinde Ebreichsdorf, in der auch Unterwaltersdorf administriert wird: Sie hat im Dezember 2017 "in Würdigung seiner Leistungen" einer "Subvention in der Höhe von 500 Euro" zugestimmt. Tobias sehnt schon das Knattern seines Zweitakters herbei. Die österreichische Meisterschaft startet im rennfanatischen Italien, in Jesolo, Ende März. Eine Woche später findet in Adria das nächste Rennen statt - in der CEE-Tour. Tobias fährt dann schon in der Junioren-Klasse, in der auch 15-Jährige dabei sind, die körperlich größer und an Erfahrung reicher sind als er. Er nennt sie die "Mörderklasse". Der Ton in der Knautschzone wird ruppiger. Die Distanzen weiter, die Motoren stärker, die Karts schwerer. Auch die Zahl der Fahrer steigt auf bis zu 70 Teilnehmer.

Mit bis zu 135 Kilometer pro Stunde wird Tobias dann seine Kreise ziehen. Seinen Fahrstil bezeichnet er als aggressiv, aber mit Köpfchen. Und er blickt schon weiter als auf die aktuelle Saison: zwei Jahre Junioren-Klasse, dann in die Schaltkart-Klasse und von dort aus in die Formel 4, das Sprungbrett in die nächsthöheren Profiklassen wie etwa Formel 3 oder DTM (Deutsche Tourenwagen-Masters). Und vielleicht auch irgendwann die Formel 1.