Das ZDF ist die
wahre Nr. 3 in Österreich

Satiriker Jan Böhmermann macht Pause, Anchorman Claus Kleber geht in Pension, Intendant Thomas Bellut wird abgelöst. Aber das Zweite Deutsche Fernsehen hat in Österreich mehr Quote als der stärkste Privatsender

von Medien & Menschen - Das ZDF ist die
wahre Nr. 3 in Österreich © Bild: Gleissfoto

Der Fernsehrat des ZDF hat schon gewählt. Programmdirektor Norbert Himmler löst Thomas Bellut ab, den seit 2012 amtierenden Intendanten. Gegenkandidatin Tina Hassel, die Leiterin des ARD-Hauptstadtstudios, hatte nach zwei geheimen Wahlgängen ohne die erforderlichen drei Fünftel der 60 Stimmen ihre Bewerbung zurückgezogen. Begründung: Aus einer kleinen Mehrheit solle eine große werden - für einen starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

Nicht nur wegen dieser großen Geste und der ORF-Wahl am 10. August verdient das ZDF nähere Betrachtung: Es ist der Prototyp eines öffentlich-rechtlichen Comebacks. Nach dem Start der Privatsender 1984 hatte RTL schon 1993 den größten Marktanteil. Erst 2004 wurde diese Dominanz dauerhaft beendet - vorerst durch die ARD. Dann folgte ein kurzes RTL-Revival. Aber wenn Bellut 2022 abtritt, hinterlässt er zehn Jahre Marktführerschaft des ZDF. Trotz wachsender Senderzahl steigt der Anteil des Zweiten Deutschen Fernsehens. 2020 waren es 13,6 Prozent, heuer sind es schon mehr - ein Niveau wie vor 25 Jahren. Erst 1963 gestartet, entspricht das Programm auch dem, was Friedrich Hebbel 101 Jahre davor geschrieben hat: Dies Österreich ist eine kleine Welt, in der die große ihre Probe hält. Das ZDF erzielt hier nach ORF 2 und ORF 1 den größten Marktanteil - mehr als jeder Privatsender. Das liegt an der Altersstruktur des Publikums und am Vergnügungswert des Programms. Seine "Rosenheim Cops" haben am Nachmittag fast so viel Publikum wie parallel dazu die "Barbara Karlich Show". Seit Thomas Gottschalk und "Der Alte" steht das ZDF für Unterhaltung. Letzterer Serientitel birgt aber auch die größte Gefahr für den Sender: Bei jüngeren Zuschauern rangiert er unter "ferner liefen".

Unter diesem Blickwinkel ist ein weiterer Personalwechsel spannend: Claus Kleber, der seit 2003 das "heute journal" moderiert, geht in Pension. Dem ZDF bringt das einen Verlust, wie es hierzulande der Abgang von Armin Wolf aus der "ZIB 2" wäre. Denn während bei Hauptabend-Nachrichten die "Tagesschau" der ARD stärker ist als "heute" eine Stunde früher, liegt später das "heute journal" vor den "Tagesthemen". Und das Match der stärksten deutschen Fernsehprogramme konzentriert sich offenbar wieder mehr auf das Informationsangebot.

Klebers Kollegin Marietta Slomka, seit 20 Jahren Anchorwoman, erhält neben einem neuen Partner weitere Konkurrenz: Ab 16. August mischt sich um 22.15 Uhr "RTL direkt" ein. Das zielt direkt auf die zugleich beginnenden "Tagesthemen". Dafür wurden die ARD-Gesichter Jan Hofer und Pinar Atalay verpflichtet. Aber der private Mitbewerber wird auch das meistens 30 Minuten früher startende "heute journal" Zuschauer kosten. Das ZDF hat unterdessen seinen Nachrichtensendungen schon seit dieser Woche ein neues Design spendiert. Diese spezielle Entwicklung kann der ORF gelassen beobachten: Seine "ZIB2" gilt mit durchschnittlich 800.000 Zuschauern und 30 Prozent Marktanteil als Nonplusultra der europäischen Spätabend-Magazine. Und Armin Wolf ist elf Jahre jünger als Claus Kleber. Das Info-Flaggschiff hat schon vor den Nachrichten-Turbos Ibiza und Corona kontinuierlich zugelegt. Es ist ein Hauptgrund, warum ORF 2 wieder auf dem Quotenniveau von 2012 liegt: 22 Prozent Marktanteil.

Auch hier trübt das hohe Publikumsalter ein wenig die Freude. Um ohne das News-Interesse fördernde Krisen dauerhaft weiter zu wachsen, benötigt es Programmautonomie. Die Mischung aus Eigenbau-Unterhaltung, herkömmlicher Info-Stärke und frechen neuen Angeboten von "heute show" bis Böhmermann ist das Erfolgsgeheimnis des ZDF - auch gegen die ARD. Dass der ORF diesen Mix auf zwei Programme verteilt, ist einerseits ein Vorteil, hemmt aber den stärkeren Kanal. Insgesamt sichert das Wettbewerbsprinzip den öffentlich-rechtlichen Angeboten in Deutschland mit 42 Prozent aber deutlich mehr Marktanteile als in Österreich (exakt ein Drittel). Das spricht nicht für eine Teilung des ORF, aber für weniger zentrale Steuerung und mehr interne Konkurrenz.