Der letzte Winter
als Präsident

Die Hahnenkammrennen in Kitzbühel und der Nachtslalom von Schladming: Außer Olympia und WM sind das die Höhepunkte des TV-Skisports. Medienstratege Peter Schröcksnadel unterwirft sogar seine Nachfolgefrage diesem Timing.

von Medien & Menschen - Der letzte Winter
als Präsident © Bild: Gleissfoto

Wer wissen will, wie die Nation funktioniert, erinnere sich an "Im Zentrum" vom November: Damals sprach Moderatorin Claudia Reiterer den Chef des Skiverbands (ÖSV) konsequent als "Herr Präsident" an. Den Universitätsprofessor daneben nannte sie nur "Herr"(plus Nachname). Wie im Alpenverein wird die ehrenamtliche Spitzenposition im ÖSV als "Präsident" betitelt. Abgesehen vom Selbstverständnis der Organisationen mit 600.000 bzw. 150.000 Mitgliedern dient das zur Abgrenzung von den angestellten Geschäftsführern. Die Überhöhung von Peter Schröcksnadel ist aber geradezu Staatsräson. Skisport rangiert noch vor der landestypischen Zurschaustellung akademischer Titel.

Oder auch nicht. Denn dass wir das glauben, hat vor allem Peter Schröcksnadel bewirkt. Der Tourismusunternehmer, Seniorenweltmeister 2001 im Riesentorlauf und passionierte Fliegenfischer ist ein Marketingstratege. Seine Spezialität sind Medienzwangslagen. Ski-Weltcup, WM-und Olympiarennen sorgen in manchen Jahren für mehr als die Hälfte der 30 meistgesehenen TV-Sendungen. Und das ausgerechnet im Einser-Kanal, dem Sorgenkind vom Küniglberg. Alexander Wrabetz ist bereits der fünfte ORF-General, dem das Metier des ÖSV-Präsidenten Quoten bringt. 1997 hatte er den Spartensender TW 1 (Tourismus-und Wetterfernsehen) sogar als 50-zu-50-Joint Venture mit dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen gegründet. Erst 2011 wurde daraus ORF III.

Schröcksnadels Medien-Fingerübungen als Gesellschafter reichten vom "Haller Lokalanzeiger" über ein Tiroler Lokalradio bis zu "Südtirol heute". Mittlerweile beschränkt er sich auf Kooperationen des Verbands. Neben dem ORF ist das die "Krone". Die beiden größten Medien Österreichs sind beim Skifahren immer zugleich Beobachter und Beteiligte. Das ergibt zumindest einen Interessenkonflikt. Bösere Beobachter sprechen von Verhaberung bis zu Beißhemmung. Was Sportsponsoring durch Medien für die Journalisten in deren Redaktionen bedeutet, ist zwar ein grundsätzliches Problem in Österreich, doch kein anderer hält sich den Rücken dadurch geschickter frei als Peter Schröcksnadel.

Die wahre Konfliktträchtigkeit dahinter zeigte erst die Corona-Krise. In der Frage um das Aufsperren der Skilifte positionierte sich Schröcksnadel - auch in seiner persönlichen Gefahrensicht -ähnlich stark wie Seilbahnsprecher Franz Hörl, wurde aber medial deutlich weniger geprügelt. Mehr noch als die veröffentlichte verkörpert er die bodenständige Meinung in den westlichen Bundesländern, wenngleich er auch dort polarisiert. Doch so wie der Alpenverein ist der Skiverband eine der wenigen österreichischen Institutionen, die ihren Sitz nicht in Wien haben (sondern in Innsbruck). Das sichert ihm jenseits des Mondsees eine gewisse Basis-Solidarität. Als wahre Macht gegen die Metropole.

Seit 1990 spielt Schröcksnadel virtuos auf dem Klavier der medialen Abhängigkeiten und regionalen Emotionen. Weder Doping-noch Missbrauchsskandale konnten ihm etwas anhaben. Sogar das Tief der österreichischen Rennfahrer perlt an ihm ab. Bloß seinen letzten Winter als Präsident hat er sich anders vorgestellt. Ohne Corona, mit mehr ÖSV-Siegen. Aber die Quoten passen: Kitzbühel und Schladming hatten wieder Millionenpublikum. Das schafft eine Stimmung, die Schröcksnadel braucht, wenn nun seine Amtsübergabe besprochen wird. Im Sommer tritt der dann 80-Jährige zurück. Als sein Nachfolger galt lange der ehemalige Abfahrtsweltmeister Michael Walchhofer. Doch der stammt aus Salzburg, und sein Tiroler Vorgänger bevorzugt einen Landsmann. Deshalb positioniert Schröcksnadel kurzfristig Michael Huber vom Kitzbüheler Ski Club für den Wahlausschuss vier Tage nach den Hahnenkammrennen. Der Präsident kämpft sein letztes Gefecht. Der Nachfolger übernimmt ein schweres Erbe.