Ein Sommergespräch macht Lust auf mehr

Während Lou Lorenz-Dittlbacher anlässlich von "40 Jahre 'Sommergespräche' im ORF" noch Interviews gibt statt führt, hat Manuela Raidl den ersten Hitze-Talk für Puls 4 schon vor zu wenig Publikum absolviert

von Medien & Menschen - Ein Sommergespräch macht Lust auf mehr © Bild: Gleissfoto

Mission: Impossible! Es geht gegen die erfolgreichste Hundstage-Erfindung der ORF-Information. Als Benchmark dient die vielleicht bekannteste TV-Journalistin des Landes. Die Vorgängerin im eigenen Sender liegt auf einem ähnlichen Popularitätsniveau. Wer für Puls 4 die "Sommergespräche" führt, muss entweder ganz jung die Chance bekommen, dadurch aufzuzeigen, oder sehr mutig sein. Manuela Raidl ist nicht mehr ganz jung.

Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger mag ein ideales erstes Gegenüber für solch ein Format sein, doch letztlich hat die Gesprächsführung der Interviewerin die Premiere gelingen lassen: 45 Minuten Polittalk mit privaten Einblicken, ohne zu langweilen. Durchaus fordernd und durchwegs unterhaltend. Schon der Einstieg, die Plauderei beim Spaziergang durch den Wiener Burggarten zum Palmenhaus, bescherte einen auflockernden Aha-Effekt.

Das hätte sich mehr verdient als 38.000 Zuschauer. ORF-Dimensionen dafür sind anders. Die stärksten drei in 40 Jahren "Sommergespräche" - Sebastian Kurz 2017 und 2019, Heinz-Christian Strache 2015 -kamen auf über eine Million Seher. Auch Meinl-Reisinger verzeichnete dort zuletzt jeweils rund 650.000. Doch diese Hürde lag für den Privatsender ohnehin zu hoch. Es ging eher um den Vergleich der Interviewerinnen. Der ORF hatte 2020 Simone Stribl aufgeboten, heuer wird es Lou Lorenz-Dittlbacher sein. Für Puls 4 stellte im Vorjahr noch Info-Direktorin Corinna Milborn die Fragen.

Manuela Raidl hielt dem Vergleich locker stand. Die Kunst bei diesem Format ist einerseits akribische Vorbereitung auf Sachfragen und Personen, zum anderen die Vermittlung einer schier unerträglichen Leichtigkeit des Seins: "summertime - and the livin' is easy". Das gilt im Schatten der Pandemie mehr denn je. Dieser Balanceakt ist der Privatfernsehpionierin gelungen. Seit der Gründung 2004 arbeitet sie schon für Puls 4. Die Moderation der täglichen Livediskussion "Talk of Town" noch aus dem ersten Studio im Museumsquartier war eine harte Schule der Gesprächsführung zu allem mit jedem. Mittlerweile ist sie Chefreporterin, moderiert, kommentiert und analysiert. Das heißt dann Manulyse.

Lou Lorenz-Dittlbacher hat nur ähnlich begonnen. Nach Praxiserfahrungen bei "Kurier", "Presse" und "Standard"(dort war auch Raidl) hat sie erste TV-Erfahrungen bei W1 gesammelt - dem Vorgänger von ATV, das heute zur gleichen Mediengruppe wie Puls 4 gehört. Mittlerweile ist sie bereits 22 Jahre im ORF und seit 2010 das weibliche Gesicht der "ZiB 2". Die größte Medienorgel des Landes prägt andere journalistische Typen als die mit weniger Personalaufwand operierenden Privatsender, wo zwar nicht jeder alles können muss, aber alle vielseitiger agieren müssen als beim öffentlich-rechtlichen Riesen. Wahrscheinlich ist deshalb der Personalwechsel zwischen dem Marktführer und seinen Verfolgern so gering. Martin Thür, der von ATV zur "ZiB 2" kam, ist eine Ausnahme. Das könnte sich aber ändern, wenn in einem Jahr der multimediale Newsroom des ORF in Betrieb geht. Die dort neuen Anforderungen entstehen parallel zur größten Pensionierungswelle im ORF.

Dessen erstes "Sommergespräch" am 9. August ist ausgerechnet am Vorabend der Entscheidung über einen, der noch nicht in Pension will: Alexander Wrabetz stellt sich der Wiederwahl zum General. Ein spannender Talkteil wäre, wenn Lou Lorenz-Dittlbacher oder Beate Meinl-Reisinger auch diese hochpolitische Hausentscheidung thematisierten. Vorerst allerdings dürfen wir rätseln, wie es Manuela Raidl am 12. Juli gelingen kann, Pamela Rendi-Wagner etwas zu entlocken, was sie in den jüngsten Tagen nicht schon geantwortet hat - auf Fragen von Martin Thür bis Rudi Fußi. Bei Puls 4 darf der Gast den Ort des Gesprächs aussuchen. Die Alm in Eisenstadt wäre eine ziemlich gute Wahl.

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