Rund um die Uhr mit Luft nach oben

Puls 24 hat ein neues Studio, kooperiert mit CNN und startet die Abend-News nun um 19.55 Uhr. Seine Macher freuen sich, schon zehn- bis 15-mal pro Woche von anderen Medien zitiert zu werden. Der Bedarf nach täglich 24 Stunden TV-Info steigt

von Medien & Menschen - Rund um die Uhr mit Luft nach oben © Bild: Gleissfoto

Nein, die Ersten waren sie auch diesmal nicht. Als Puls 24 am 1. September 2019 gestartet ist, war Wolfgang Fellner mit oe24 bereits drei Jahre auf Sendung. Doch das will nichts besagen. Auch Puls 4 ging 2004 nur als Zweiter ins Rennen und wurde schon 2007 von der deutschen Gruppe ProSiebenSat. 1 gekauft. Zehn Jahre später verleibte diese sich zudem ATV ein, Österreichs erstes bundesweites Privat-TV-Programm. Es ist jetzt bloß noch die Nummer zwei im Haus - aufgrund kartellrechtlicher Auflagen klar getrennt vom Rest. Ansonsten wäre es ein weiterer Abnehmer für die Rund-um-die-Uhr-Infos von Puls 24, der Nachrichtenredaktion für Puls 4 sowie die Austro-Ableger von ProSieben und Sat.1.

Das Konzept des eigenen Senders mit Mehrwert für andere funktioniert wie schon bei Puls 4. Dessen Talks und Infos - vom Frühstücksfernsehen bis zu Abend-News - werden auch in Österreich-Varianten der deutschen Konzernkanäle gezeigt. Eine Königsidee zur Vervielfachung von Werbeeinnahmen. Die Wiener Multimediatochter liefert Jahr für Jahr ansehnliche Gewinne an die Münchner Konzernzentrale.

Das alles hat viel mit personeller Kontinuität zu tun. Markus Breitenecker (53) ist seit Gründung der Ösi-Dependance 1998 ihr Geschäftsführer. Corinna Milborn (49) hat sich schon vor einer Dekade vom ORF verabschiedet, um 2013 Info-Direktorin bei P7S1P4 zu werden. Soeben erhielt sie eine Romy der Jury dieses TV-Preises "für ihren Einsatz gegen Fake News und für seriösen Journalismus. Sie ist das journalistische Aushängeschild einer konsequenten Informationsoffensive der Sendergruppe ProSiebenSat1Puls4 in Österreich und steht für vertrauenswürdige, glaubwürdige und faktenbasierte Information im Dienste der Aufklärung." So strahlen sah man Stefan Kaltenbrunner (54) noch selten, der zur Verleihung in der Hofburg einträchtig neben ihr saß. Er ist Chefredakteur von Puls 24.

Sein Erfahrungshintergrund dafür ist gleichermaßen vielfältig und unspezifisch: Der Oberösterreicher studierte Arabistik und Afrikanistik, war Chefredakteur der Printmagazine "e-media" und "Datum" sowie der Onlineangebote kurier.at und "Addendum". Aber Fernsehen? Die Aufgabe von Journalismus sieht er weniger kanalspezifisch als grundsätzlich. Wider alle Klischees vom Privatfernsehen spricht er viel von Public Value und Relevanz. Ein Anti-Fellner, der mit ihm trotzdem das Denken in Geschichten gemein hat. Doch genau dieses Storytelling mag er nicht: "Wir schauen lieber auf uns, statt ständig zu vergleichen." In keine Richtung. Doch Kaltenbrunner gesteht auch ein, dass Quoten eine Rolle spielen: 0,6 Prozent beim Gesamtpublikum, 0,9 bei den Zwölf-bis 49-Jährigen waren es 2021. Tendenz steigend.

Zum Vergleich: oe24.tv hatte in seiner zweiten Jahreswertung 2018 erst 0,2 und zuletzt 1,2 Prozent, ORF III lag eine Dekade nach Gründung auf 2,8. Dahinter steckt jeweils mehr, als die kleinen Zahlen andeuten. Bei Puls 24 ist es eine 100-köpfige Redaktion. Das entspricht einer mittleren Tageszeitung. Für die Talk-Formate gibt es aber zudem eigene Teams. Allein "Café Puls" hat 50 Mitarbeiter.

Wozu der Aufwand? Die Mediennutzung verändert sich und Österreich hinkt nach. Herkömmliches Vollprogramm-Fernsehen und Zeitungen sind hier aus internationaler Sicht weit überdurchschnittlich die wichtigsten Nachrichtenquellen. Bei der Nutzung von 24-Stunden-Info-TV liegen wir noch stärker als bei Social Media zurück. Ein Vergleich von 46 Staaten auf allen Kontinenten (Digital News Report) zeigt: Erst für vier Prozent der Österreicher sind solche Sender die erste Info-Anlaufstelle. Global und in Europa liegt dieser Wert schon bei 14 Prozent. "Dass er einen Sender aufgesperrt hat in einer Zeit, in der andere überlegen, Medien einzustellen", findet der Journalist Stefan Kaltenbrunner "ziemlich super" vom Manager Markus Breitenecker. Leidenschaftslos betrachtet investiert er in die Zukunft.