Hinter den Hexen von Heiligenstadt

Es gärt in Österreichs größtem Printmedienhaus. Dass "Krone"-Chefredakteur Klaus Herrmann nach einer Facebook-Schmähung durch "Kurier"-Kollegin Martina Salomon die Kooperation für den "Club 3" beendet, ist nur die Spitze eines Eisbergs

von Medien & Menschen - Hinter den Hexen von Heiligenstadt © Bild: Gleissfoto

Am Anfang war das "profil". Richard Grasl, der stellvertretende Chefredakteur des "Kurier", löste dessen CEO (laut LinkedIn) Thomas Kralinger zum Jahreswechsel als Geschäftsführer des Nachrichtenmagazins ab. Das ist kein ungewöhnlicher Vorgang. Denn die Zeitschrift gehört der Zeitung und deren Topmanager hat viel am Hals. Dass aber schon 13 Tage vor der Amtsübergabe Grasl statt Kralinger die neue "profil"-Chefredakteurin Anna Thalhammer verkündete, war verblüffend. Oder auch nicht. Der Mann hatte schon als einstiger ORF-Finanzdirektor und Gegenkandidat von Langzeitgeneral Alexander Wrabetz einen auffallenden Zug zum Tor.

Deutlich weniger Beachtung als dieses Personalkarussell und sein kleiner Formfehler erntete 50 Tage später eine Oberflächenbereinigung. SchauTV heißt nun Kurier TV. Der Fernsehsender wurde 2017 gekauft, im Jahr vor Grasls Einstieg als Leiter der Digitalredaktion samt Videoteam. Hauptjob: Entwicklung neuer Formate sowie Integration von Zeitungsredaktion und Bewegtbildproduktion. Auch die Namensangleichung ist kein ungewöhnlicher Vorgang. Im Gegenteil: Es überrascht, dass damit so lange gewartet wurde. Oder auch nicht. Manch Experte hatte auf eine Umbenennung und Fusion mit Krone TV getippt. Solch ein 50-zu-50-Joint-Venture mit der stärkeren Marke im gemeinsamen Unternehmen Mediaprint hat sich für den Radiosektor bewährt: Kronehit ist hochprofitabel.

Befeuert wurde der Verdacht eines Zusammenrückens von "Krone" und "Kurier" durch ihr TV-Projekt "Club 3" - gemeinsam mit dem "profil", das in den Papiertiteln viel Niederschlag fand. Zuvor waren sich die beiden Blätter in Österreichs größtem Printmedienhaus geradezu spinnefeind, obwohl sie einen gemeinsamen Gesellschafter haben: Die deutsche Funke-Gruppe hält 50 Prozent am Kleinformat und fast so viel an der größer erscheinenden, aber viel schwächeren Zweitzeitung der Mediaprint. Die Mehrheit des "Kurier" hat Raiffeisen, die bessere Hälfte der "Krone" die Familie Dichand.

Jede Gesellschaftergruppe stellt einen Mediaprint-Geschäftsführer: Funke-Mann Christoph Niemöller, Dichand-Statthalter Gerhard Valeskini und Raiffeisen-Gesandter Kralinger. Der Deutsche geht bald und der Giebelkreuzbewahrer wird 63. Das nährt Spekulationen um einen weiteren Aufstieg Grasls. Unter diesem Aspekt lässt sich die erste öffentliche Äußerung des Niederösterreichers zu einem "fatalen Unfall in Kärnten" im Branchenheft "Extradienst" von Christian W. Mucha sehen. Der fragt ihn: "Bereuen Sie das?" Antwort: "Selbstverständlich. Sehr." Es könnte ein Signal an Funke-Verlegerin Julia Becker sein, die laut Harald Fidler vom "Standard" Vorbehalte gegen Grasl haben soll.

Just in dieser Gemengelage verursachte "Kurier"-Chefredakteurin Martina Salomon einen Eklat, der als harmloses Posting auf Facebook begonnen hatte: als "Die Hexen von Heiligenstadt" mit "profil"-Kollegin Thalhammer in der U-Bahn. Doch auf einen Kommentar dazu antwortete sie u. a.: "() wer freiwillig ,Krone' liest, dem ist eh nicht zu helfen." Deren Chefredakteur Klaus Herrmann beendete prompt die Kooperation für den "Club 3". Das Ganze geschah parallel zum Gesellschafterausschuss der Mediaprint und rund um einen Punktegewinn der Dichands vor dem Handelsgericht im gefühlt ewigen Gefecht gegen Funke um die "Krone"-Gewinnausschüttung. Und Peter Pilz legte in seinem Blog noch ein Puzzlestück zum "Kurier" nach: "Grasl ist offensichtlich dabei, die Medientruppen für die ÖVP neu aufzustellen", interpretiert das einstige Grünen-Mastermind ein auffälliges Treffen des "profil"-Geschäftsführers mit Sebastian Kurz im Nobelitaliener Fabios, an dem Immobilienmagnat René Benko beteiligt ist. Sein Imperium hält 49 Prozent der Funke-Anteile bei "Krone" und "Kurier".

Wer diese Anekdoten nur parteipolitisch sortiert, greift aber zu kurz. So wie Salomon in ihrer "Krone"-Einschätzung: Innerhalb der eigenen Unternehmensgruppe die auffällig positive Weiterentwicklung von Österreichs größter Zeitung zu ignorieren, ist ein einzigartiger Affront. Die Neuordnungen rund um den "Kurier" - auch Salomon wird 63 - könnten vielmehr dem Owned-Media-Bedarf von Raiffeisen entspringen, das wegen seiner Russland-Geschäfte im Kreuzfeuer der Medien steht. Eigene Kanäle, wie sie neben großen Unternehmen auch Parteien längst erfolgreich betreiben, vom Kontrast-Blog der SPÖ bis zum FPÖ TV. Gegen eine solche Vereinnahmung ist ausgerechnet das letzte große deutsche Verlagshaus in Österreich das beste verlegerische Bollwerk: die Funke Mediengruppe. Aber nur, solange sie Benko nicht auch den Rest des Austro-Engagements überlässt.