Coronavirus:
Mit aller Härte

Was ist übertrieben, was angemessen? In Zeiten, in denen das Coronavirus die Schlagzeilen bestimmt, verschwimmen die Grenzen.

von Leitartikel - Coronavirus:
Mit aller Härte © Bild: News/ Matt Observe

Der Bundeskanzler hat es schon vorher gewusst: "Corona wird keinen Bogen um Österreich machen." Spätestens seit Mitte der Woche ist die Lage ernst. Sehr ernst. Die Übertragung des Villacher Faschings im TV wurde um 15 Minuten verschoben. Dazu Verdachtsfälle, Schulschließungen, Hotels unter Quarantäne, Hamsterkäufe. Die Spitäler sind gerüstet, wissen wir jetzt; Schutzmasken ausverkauft -das wissen wir schon länger. Es gibt Verhaltenstipps vom Social-Media-Team des Kanzlers ("Reisewarnungen ernst nehmen! Symptome ernst nehmen!") und jede Menge Bilder. Staatstragende Bilder von den diversen Lagebesprechungen und von den "Wir haben die Lage im Griff"-Verkündungen. Mal ein bisschen in ein düsteres Licht gesetzt; mal auf der ausgeleuchteten Bühne: Kanzler, Innenminister, Gesundheitsminister. Gelegentlich ist auch die Verteidigungsministerin mit dabei.

Plötzlich gibt es auch den "Ich bin ein Krisenmanager-Virus". Ach ja, gewichtige Worte fallen in diesen Tagen auch. Sie haben vor allem ein Ziel: "die österreichische Bevölkerung zu schützen" und die "Sicherheit der Österreicherinnen und Österreicher zu gewährleisten". Und ich? Ich habe Pech gehabt. Meine 187.000 deutschen Landsleute, die hier leben und arbeiten auch. Und die Touristen im Fall des Falles? Tja vielleicht lässt sich am Wording noch ein bisschen feilen. Aber wie gesagt, die Lage ist ernst, und es "braucht einen realistischen Blick auf die Dinge", befindet der Bundeskanzler. Vor allem aber braucht es weniger Hysterie und weniger bedeutungsschwere Worte des Innenministers, der "noch entschlossener, noch schneller und mit aller Härte reagieren" will.

Sein Vorgänger im Amt plädiert gleich für unverzügliche Grenzkontrollen, und obendrein (und überhaupt) sollten illegale Einwanderer bzw. Asylwerber ab sofort in Quarantäne genommen werden. Sie wissen schon: alles reine Vorsichtsmaßnahmen, um Panik zu vermeiden. Keine Frage, Klappern gehört zum politischen Handwerk, und der Grat, auf dem sich die verantwortlichen Politiker derzeit bewegen, ist schmal. Nicht alles, was kalmierend gemeint ist, trägt am Ende zur Beruhigung bei. Einfach abwiegeln? Schwierig. Sonst heißt es prompt: Hätten sie mal ein bisschen Klartext geredet.

Hinzu kommt: Der Mensch hat Angst vor dem Unbekannten. Damit umgehen kann er schon gar nicht, erst recht nicht, wenn der Horror in Echtzeit am Mobiltelefon aufpoppt. Dazu wird ein bisschen die Lust an der Katastrophe kultiviert -auch wir Medien haben unseren Anteil daran. Beinahe wohltuend, auch weil kurz, knapp und einleuchtend, klingen die Worte des Direktors der Weltgesundheitsorganisation: "Das ist die Zeit für Fakten, nicht Angst." Die WHO war es auch, die am 30. Jänner den "Internationalen Gesundheitsnotstand" ausgerufen hat. Zuletzt war das 2016 beim Zika-Virus und 2019 wegen Ebola der Fall. Sie ist quasi dafür mitverantwortlich, das derzeit hektische Betriebsamkeit herrscht.

Diese Betriebsamkeit wird es auch brauchen, wenn die Krise nach der Krise kommt - die Wirtschaftskrise. In Italien bricht der Tourismus ein; erste Rufe, die EU möge beim Haushaltsdefizit entgegenkommen, werden laut. Millionenstädte in China sind noch immer Geisterstädte. Laut EU-Handelskammer kommen aus China täglich Waren im Wert von einer Milliarde Euro in Europa an. Theoretisch. Praktisch demnächst nicht mehr.

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