Froh- und Drohbotschaften

Man gibt uns die Freiheit wieder. Lobet den Kanzler und feiert, bis das Auto aus Kroatien kommt.

von Anna Gasteiger © Bild: News/Ricardo Herrgott

Den "schwedischen Weg" in der landläufig bekannten Form gab es nur im Frühling 2020, er wurde bald revidiert, und die darauf folgenden Wintermonate verbrachten die Schwedinnen in ähnlicher Tristesse wie wir. Noch trister wahrscheinlich, weil die Sonne dort spät auf-und früh untergeht und die Fahrt ins nächste Skigebiet eine kleine Weltreise ist. Trotzdem gab es dort zumindest so etwas wie Autonomie. Man konnte gewisse Maßnahmen einhalten, die das Risiko einer Coronainfektion verringern -und viele taten das -, aber man musste nicht. Die schwedische Politik scheint der Auffassung zu sein, dass sich in den Köpfen der von ihnen verwalteten Bürgerinnen grosso modo umfänglich funktionsfähige Gehirne befinden. Das muss ein schönes Gefühl sein. Österreichische Bürgerinnengehirne brauchen dagegen nur die Spezialfunktion "ständig wechselnde Regierungsvorgaben aufnehmen und idealerweise auch abspeichern".

Es ist ein katholisches Land. Man gibt uns, und man nimmt uns. Man gab uns: Todesangst, Lockdowns und diese wunderschön choreografierten, der Fantasie noch unbeirrter türkiser PR-Fachleute entsprungenen Regierungspressekonferenzen. Jetzt gibt man uns die Freiheit wieder. ER gibt uns die Freiheit, frisch gewaschen und gebügelt, wieder. Aber nicht gleich schmutzig machen, Kinder! Vielen Dank, lieber Kanzler, das nächste Mal, wenn der Meinungsforscher anruft, sag ich: "türkis". Früher war nichts erlaubt, jetzt ist wieder alles erlaubt. Bis uns gewisse Dinge wieder verboten werden. Erlauben/verbieten. So tickt dieses Land. Party, bis die Fallzahlen im August wieder ansteigen und die Ministerriege ernst-männlichen Blickes zur Drohbotschaft ansetzt. "Ihr habt gesündigt. Das Auto ist aus Kroatien gekommen. Die Schulen können sicherheitshalber nur eingeschränkt öffnen."

Warum genau schränkt es meine Freiheit ein, wenn ich in der U-Bahn eine FFP2-Maske trage? Wieso ist es österreichischen Politikern unmöglich, eindringlich zu kommunizieren, dass es sinnvoll wäre, weiterhin eine Maske zu tragen? Die Delta-Uhr tickt. Spaßbremse! "Es kann getanzt, gefeiert, geheiratet werden", verspricht der Kanzler. Wenn schon nicht Fußball-Europameister, dann zumindest Testweltmeister, ha!

In Schweden (wo auch nicht alles gut gelaufen ist, wirklich nicht) hörte man hauptsächlich auf den Epidemiologen Anders Tegnell, auch nicht immer gscheit, rückblickend betrachtet, aber der Mann hat wenigstens Medizin studiert. In Österreich verläuft die Risikoeinschätzung entlang der Parteilinien. Die ÖVP hält sehr weitreichende Lockerungen für angemessen, was natürlich überhaupt keinen Zusammenhang mit schlechten Umfragewerten und einem Skandal rund um den innersten Kreis der Partei hat. In zwei SPÖ-geführten Bundesländern, Wien und Kärnten, gibt man sich im Einklang mit der roten Parteispitze vorsichtiger, was Lockerungen betrifft. Der Chef des dritten SPÖ-Bundeslands ist mit der Vorsitzenden über Kreuz, dort gilt also dieselbe Risikoeinschätzung wie im Bund. Tu felix Austria, wurstle dich durch die spätpandemische Phase. Alles Gute.

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