Wir und
die anderen

Eine wichtige Diskussion zu einem denkbar falschen Zeitpunkt. Und schon reden wir wieder über das, worüber wir gerne reden – die Ausländer.

von Leitartikel - Wir und
die anderen © Bild: News/ Matt Observe

Ich kann Entwarnung geben. Ich dürfte sie zwar haben, aber ich will sie nicht. Gemeint ist die österreichische Staatsbürgerschaft. Jetzt werden also „auf einen Schlag“ nur noch 499.999 Menschen eingebürgert. Vorausgesetzt, man folgt dem Rechenbeispiel, das Verfassungs- und Integrationsministerin Karoline Edtstadler aufgestellt hat. Vielleicht sind es ja überhaupt nur 49.000 Neoösterreicher, die auf der Türschwelle stehen. So genau weiß man das nicht. So genau will man es auch nicht wissen. Ich will jedenfalls nicht. Das hat vielerlei Gründe. Keine Frage, ich verpasse mit dieser Einstellung etwas. Nach 25 Jahren im Ausland verliere ich nämlich in meiner Heimat das Wahlrecht. In meiner Wahlheimat enden meine demokratischen Rechte bei der Wahl des Bezirksvorstehers. Auch bei Volksbegehren habe ich kein Mitspracherecht.

Ich weiß, ich, die Deutsche, führe eine komfortable, eine abgehobene Diskussion. Andere würden gerne so locker reden. Vor allem jene, die ebenfalls schon lange in diesem Land leben und gerne ein bisschen mehr und auch ein bisschen früher dazugehören würden. Für sie hatte dieser Tage die SPÖ einen Vorschlag auf dem Silbertablett. Einen wichtigen Vorschlag zum denkbar falschen Zeitpunkt: Die ÖVP in der Krise, die FPÖ ohne Thema. Aber die SPÖ-Strategen beruhigen beide: Wir holen euch da raus! Mit einer Staatsbürgerschaftsdiskussion! Jetzt also die Idee vom Rechtsanspruch nach sechs Jahren rechtmäßigem Aufenthalt, sofern alle weiteren Kriterien erfüllt sind.

»Es braucht vor allem eines: weniger Hetze«

Eine perfekte Steilvorlage für ein Lieblingsthema von Sebastian Kurz: die Ausländer. Die „bösen“ Ausländer natürlich. Jene, die nur darauf warten, auf die schöne Seite des Lebens zu wechseln. Die Bildungsfernen, die Sozialschmarotzer. Ein anderes Bild hat man meistens von ihnen nicht. Sie sind nur willkommen, wenn sie etwas für das Land leisten, was Österreicher oft nicht leisten wollen – etwa Spargel aus dem Marchfeld kletzeln, alte Menschen pflegen oder unsere Büros putzen. „Die Staatsbürgerschaft ist ein hohes Gut. Hier sein alleine reicht nicht“, sagt der Bundeskanzler und warnt vor einer Entwertung der Staatsbürgerschaft. Integration müsse durch Leistung erfolgen, und die Staatsbürgerschaft muss man sich verdienen. Das klingt gut. Das ist auch gut. Aber es ist auch nur teilweise richtig. Wer nämlich besonders gut Arien singen kann, muss noch nicht mal Deutsch sprechen, um einen österreichischen Pass zu bekommen, bei Sportlern ist man ebenso großzügig.

Aber auch darum geht es in dieser hitzigen Debatte nicht. Es geht mal wieder um dieses ständige „die“ und „wir“. Das permanente Abgrenzen und Ausgrenzen. Das Hinzeigen auf jene, die vermeintlich weniger wert sind. Geduldet. Aber eben nicht wirklich willkommen. Doch Integration durch Ausgrenzung, zynische Wortmeldung, abgehobenes Denken und das Gerede von der „Entwertung“ bringen zwar hier und dort Applaus und Wählerstimmen, können auf Dauer aber nicht funktionieren. Die Sackgasse ist programmiert. Die anderen, sie sind nämlich schon da. Und sie gehen mehrheitlich auch nicht mehr weg. Für ein „Nebeneinander“ wird die aktuelle Politik reichen. Für ein Miteinander, das auf Zusammenhalt, Teilhabe und eine echte Eingliederung setzt, nicht. Dafür braucht es Strategien. Und natürlich Debatten wie jene um die nicht mehr zeitgemäße Staatsbürgerschaft. Es braucht nicht zwingend einen rot-weiß-roten Pass. Es braucht in einem ersten Schritt vor allem eines: weniger Hetze und Zynismus.