Pragmatisch, praktisch, gut

von Christian Kern © Bild: Trend Lukas Ilgner Auftrag

Die Grenzen sind offen; die "Trains of Hope" rollen durch Österreich; auf den Bahnhöfen weinen hilfsbereite Wiener vor lauter Rührung über die Flüchtlinge. Vergangenen September ist der damalige Kanzler Werner Faymann nach langer Zeit endlich wieder einmal in das "ZiB 2"-Studio gekommen. Vorher schaltet der ORF aber noch live zum Westbahnhof. Am Bahnsteig steht ÖBB-Boss Christian Kern und sagt: "Es sind Bilder, die hier von unserem Land in die Welt gesendet werden -von Menschlichkeit, Mitgefühl und Hilfsbereitschaft." Ein Betrunkener torkelt durchs Bild. Kern lächelt, spricht ohne Pause druckreif weiter. Der Moderator Armin Wolf lässt sich zu einem seltenen Lob für einen Interviewpartner hinreißen: "Ich bewundere Ihre Nerven."

Faymann sitzt die ganze Zeit daneben und muss zuschauen. Kern war schon jahrelang als rote Kanzlerreserve gehandelt worden, aber in dieser Sondersendung hatte ein großes Publikum erstmals den direkten Vergleich.

Kern hatte die Devise ausgegeben: "Dies ist nicht die Zeit für Dienst nach Vorschrift." Und die Eisenbahner schleusten Zigtausende Flüchtlinge unbürokratisch, reibungslos, effizient und ohne zu murren durch Österreich.

Ein Willkommens-Kanzler?

Das bedeutet nicht, dass Kern als Bundeskanzler zur "Willkommenskultur" zurückkehren würde. Nein, wer diesen Job übernimmt, wird froh sein, dass der Nationalrat das Asylrecht bereits drastisch verschärft hat, und erst einmal abwarten. Kern gehört auch nicht zum linken Flügel der SPÖ. Der ehemalige SPÖ-Politiker Peter Kostelka sagt über seinen damaligen Mitarbeiter: "Christian Kern ist ein prinzipienbewusster Sozialdemokrat. Für die verschiedenen Gruppierungen in der Partei ist er integrativ, weil er sich keiner von ihnen zuordnen lässt." In seinem Freundeskreis soll sich Kern selbst als "eher progressiv als links oder rechts" beschreiben. Was immer das auch heißen mag.

Kern wächst in Wien-Simmering auf, damals tiefrot, seit der letzten Wahl regiert hier ein blauer Bezirksvorsteher. Sein Vater arbeitet als Elektroinstallateur, seine Mutter als Sekretärin. Mit 18 gründet der heute 50-Jährige die Simmeringer Bezirkspartei der Alternativen Liste, der linken Vorläuferin der Grünen, und träumt von der Revolution. "Aber nachdem ich die Tagebücher von Che Guevara gelesen habe, fand ich das doch zu entbehrungsreich", erzählte Kern einmal in einem Interview mit dem Magazin "Datum". Er studiert das Buch "Realisten oder Verräter? Die Zukunft der Sozialdemokratie" von Günther Nenning -und entscheidet sich für die Realisten.

Bei den SPÖ-Studenten fällt er Anfang der 80er-Jahre nicht als linker Theoretiker auf. Der ÖH-Fakultätsvorsitzende und Chefredakteur der roten Studentenzeitung wird von den Kommilitonen schon ähnlich seinem heutigen Image wahrgenommen: pragmatisch, praktisch, fleißig, auf das Wesentliche konzentriert, immer perfekt vorbereitet, hochintelligent und sehr ehrgeizig.

Eine Bilderbuchkarriere

Neben dem Studium arbeitet Kern kurz als Wirtschaftsjournalist, dann in der Politik. 1991 heuert er im Kabinett von Staatssekretär Peter Kostelka an und folgt diesem später, als er SPÖ-Klubobmann wird, ins Parlament. Es ist die Zeit der pragmatischen Roten, die wissen, dass der Sozialstaat eine florierende Wirtschaft braucht. Und wenn Vermögenssteuern nicht ins volkswirtschaftliche Gesamtkonzept passen, dann werden sie auch von einem SPÖ-Finanzminister abgeschafft -das war Ferdinand Lacina, den Kern bis heute respektiert. Der damalige Kanzler und SPÖ-Chef Franz Vranitzky bleibt bei seiner Entscheidung von 1986, dass eine Koalition mit der FPÖ, noch immer angeführt von Jörg Haider, nicht infrage komme. Doch selbst er sagte vor zwei Wochen in einem Interview mit der "Wiener Zeitung":"Das ist eine völlig andere Situation heute." Brigitte Ederer, in den Neunzigern Europastaatssekretärin, dann SPÖ-Geschäftsführerin, heute Aufsichtsratschefin der ÖBB, schätzt Kern als "aufrechten Sozialdemokraten" und belesenen Gesprächspartner: "Wann immer ich ihn auf ein Buch oder einen Artikel hinweise, kennt er das schon."

1997, nach sechs Jahren in der Politik, wechselt Kern als Vorstandsassistent zu dem mehrheitlich der Republik gehörenden Energieversorger Verbund, wo er weniger verdient als zuvor. Schnell macht er Karriere, zehn Jahre später sitzt er selbst im Vorstand. Als Kern 2010 zum Vorstandsvorsitzenden der ÖBB-Holding aufsteigt, nimmt er wieder eine Gehaltseinbuße in Kauf. Er poliert das Image der Bundesbahnen auf, gibt den Eisenbahnern wieder Selbstbewusstsein, reduziert den Mitarbeiterstand um fast 2500 Leute auf rund 40.000 und streicht jeden zweiten Führungsjob. Die ÖVP kreidet ihm an, dass die ÖBB nach wie vor 2,75 Milliarden Euro Steuergeld pro Jahr verschlingen -doch das ist systemimmanent, das kann nur die Politik ändern.

Einblick in seine wirtschaftspolitischen Ansichten gab Kern kürzlich bei einer News-Diskussionsrunde: "Die öffentliche Hand braucht einen konsequenten Plan, wo man wirklich gut werden will", sagte er, sie solle sich nicht verzetteln. Den Staat sieht er freilich nicht in der Rolle des Unternehmers, sondern in jener des Investors, der Anstöße gibt. Ein gutes Beispiel aus seinem Bereich sei die Bahnzulieferindustrie, die Hand in Hand mit den ÖBB Exportschlager entwickle.

"Mache, was du sagst"

Bald nach seinem Antritt bei den ÖBB gibt Kern der Mitarbeiterzeitung ein Interview, in dem er seinen Arbeitsstil beschreibt: "Sage, was du machst, und mache, was du sagst." Kristin Hanusch-Linser, die Kern bei den ÖBB als Kommunikationschefin begleitete, beschreibt das als seine große Stärke: "Er redet nicht über ungelegte Eier und steht zu dem, was er gesagt hat." Das verlange er auch von seinen Mitarbeitern: Wer ihn von etwas überzeugen will, muss sehr gut vorbereitet sein und seinen Standpunkt bis ins letzte Detail durchargumentieren können. "Er liebt den Disput, nicht den Widerspruch, aber die Diskussion", sagt Hanusch-Linser. "Am Ende zieht er seine eigenen Schlüsse. Allein wegen seines starken Verantwortungsgefühls. Weil er weiß, dass er für jede Entscheidung geradestehen muss."

Andere, die mit Kern gearbeitet haben, erzählen, dass er "schon sehr eitel" sei und Kritik nicht besonders gut vertrage. Einer fügt dann aber gleich wieder hinzu, das käme wohl daher, dass Kern, der Perfektionist, sich keinen Fehler verzeihe.

Kommenden Mittwoch wird Christian Kern als Bundeskanzler der Republik angelobt werden. Dann wird sich sein Gehalt wieder reduzieren -diesmal gleich um die Hälfte, um mehr als 300.000 Euro brutto im Jahr.

Kommentare

christian95 melden

Ohne Parteibuch, ohne Parteisekretär wäre Herr Kern niemals hochqualifizierter Manager bei der ÖBB geworden.
Nordkorea, Erdogan, Kuba & Co lassen grüßen.

Henry Knuddi
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also du hast deine floskeln im fpö-kurs brav gelernt - zu dt. hass ist ein unguter helfer

Oberon
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@Henry Knuddi, richtig heißt die Redewendung: Hass ist kein guter Ratgeber. :-)

Gabe Hcuod
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Es ist immer wieder köstlich, wenn Frau "Oberon" die moralische Verbalkeule schwingt, wenn es für sie nicht um Dinge geht die "nicht normal, weil nicht einheimisch" sind. Sie ist ein hasserfüllter Heuchler.

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Es ist wichtig, dass Kern weiterhin darauf hinarbeitet, dass alle neu ankommenden Flüchtlinge weiterhin uneingeschränkten Zugang zu den Sozialsystemen haben.

Rumor13 melden

Genau Zombie ! Sie sollten auch weiterhin den Inländern gegenüber bevorzugt werden und Gratis- Wohnungen-Jahreskarten- ÖBB- Bäder-Tickets-Sprachkurse-und Prostituierte bekommen.....wir zahlen das schon.....

Oberon
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@Rumor13, ich denke, der user zombie69 meint seine Äußerung ironisch. Er wurde hier schon öfter missverstanden, aber ich hab' Antennen dafür ;-)

Gabe Hcuod
Gabe Hcuod melden

Das ist aber auch schon das einzige wofür du Antennen hast, lächerliche Rechte. Genau wie der Rest von euch dummen Hetzern.

Henry Knuddi
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zombi69 hat auch brav im fpö-kurs gebüffelt
biste denen neidig, weil du selber auch mindestbezug hast - neid und hass sind schlechte wegbegleiter
und können die gesundheit(leber) schädigen

Oberon
Oberon melden

WER soll sich da angesprochen fühlen?

Gabe Hcuod
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Immer die, die fragt.

Oliver-Berg
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Herr Kern kann zweifelsohne sehr gut reden und kommt in den Sachen schnell auf den Punkt. Als ÖBB-Manager hat der den Staatszuschuss von 3,7 Mrd. EUR auf 5,5 Mrd. EUR gesteigert. Die Managerqualitäten was Ergebnis betrifft sind bescheiden. Ob er als Kanzler reüssieren wird, wird man sehen.

RobOtter
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Hr. Kern hat die ÖBB von der Minuszone auf aktuell 171,7 Mio Gewinn pro Jahr herausgeführt. Das ist ebenso Fakt wie das der Staatszuschuss auf Grund von Infrastrukturmaßnahmen erhöht wurde. Aber eben nicht auf Grund von Misswirtschaft.
Immer schön die ganze Wahrheit erzählen gell...

christian95 melden

Typische Linke Volksverdummung!
Zuerst benötigen die schwer defizitären ÖBB einige Mrd. Steuergeld um danach zu behaupten sie machen "Gewinn".
Jedes private Unternehmen das so "einen fälschlichen Gewinn" bekannt geben würde, stünde sofort vor dem Richter.

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