Mit der Macht des Humors

Humor, tiefschwarz und selbstironisch, war so ziemlich das Letzte, das man mit James Blunt assoziierte. Der britische Sänger war bislang Aushängeschild einer Generation sensibler Balladeninterpreten. Ein großes Missverständnis

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Pop - Mit der Macht des Humors

Die gutgelaunte Drohung erreichte punktgenau ihr Ziel: Kurz vor Jahresende machte der britische Sänger James Blunt seine Zukunftspläne via Twitter öffentlich. "Wenn ihr geglaubt habt, 2016 war ein schlimmes Jahr - 2017 kommt mein neues Album", schrieb er. Volle Ladung Selbstironie. Die allgemeine Überraschung war groß. Immerhin galt Blunt bis dato als empfindsamer Schnulzensänger, zuständig für Romantik und die Überdosis Gefühl. Humor eher weniger, schon gar nicht tiefschwarz.

"Du bist schön, du bist schön, du bist schön, es ist wahr", sang er 2005 in der Ballade "You're Beautiful", schaffte den weltweiten Durchbruch - und begab sich umweglos in die Schublade für Weicheier. Damals brach er auch Elton Johns US-Rekord als erste britische Nummer eins seit "Candle In The Wind". Das Image war also selbstgefertigt. "Ja, ich hatte einen großen Hit. Und er bescherte mir nebenbei zwölf Jahre voll Hass", sagt James Blunt heute über seine Rekordkarriere mit mehr als 40 Millionen verkauften Tonträgern auf der einen Seite und einer Schar von Spöttern auf der anderen. Vier Alben voll lieblicher Melodien und gefühlsbetonter Innenschau brachten dem 43-Jährigen Häuser in Ibiza und dem Nobelskiort Verbier; aus dem Schnulzen-Dilemma halfen sie nicht.

Großes Missverständnis

Blunt konterte seinen Kritikern in der Vergangenheit mit Verweisen auf seine Vergangenheit als Offizier der KFOR-Friedenstruppen im Kosovo. Er wurde trotzdem belächelt. Wie kann man jemanden als weich veralbern, der jahrelang in zerbombten Dörfern den Feind gesucht hat, fragte er sich und fand lang keine Antwort. Für ihn war das alles schon immer ein großes Missverständnis. "Im Lied 'You're Beautiful' spricht ein mit Drogen zugeknallter Typ in der U-Bahn die Freundin eines anderen Mannes an. Ein Typ der sofort aus Sicherheitsgründen weggesperrt werden sollte. Ist das romantisch?", fragt Blunt verständnislos. "In fast allen meinen Songs geht es um zerbrochene Beziehungen. Inwiefern macht mich das zum Romantik-Spezialisten?"

© Martin Gamper Sänger James Blunt gibt Lisa Ulrich-Gödel gut gelaunt Auskunft über Spötter und Twitter

Vielleicht wurde James Blunt auch das Aufwachsen mit Stammbaum übel genommen. In seiner Militärkarriere vor der Berufung zum Sänger konnte er einer langen Familientradition folgen. Der Vater hatte im Rang eines Obersten der britischen Armee gedient, James Blunt war auf der Militärakademie Sandhurst ausgebildet worden, wo auch Prinz William studiert hat. Als ihn ein Abgeordneter der Labour-Party vor zwei Jahren als Beispiel für die Branchendominanz verwöhnter Popkünstler vorführte, reagierte Blunt wütend. In einem offenen Brief hieß er den Politiker einen "dem Klassendenken verschriebenen Krüppel". Die britischen Medien reagierten prompt: Blunt wurde zum "paranoiden Dummkopf" erklärt.

Was ihn zum Gegenstand nie endenden Spotts macht? Die Antwort verrät Verbitterung: "Es liegt daran, dass Menschen wie eine Schafherde funktionieren. Ihnen wird vorgesagt, was sie cool und hip finden sollen. Und speziell für Männer gibt es spezielle Genres von Musik, die sie hören sollten, um cool zu sein. Da gehört mein Stil nicht dazu. Dieses Spiel habe ich verstanden, auch wenn ich es nicht immer gewinne", sagt James Blunt.

Schlagabtausch auf Twitter

Nun aber ist er auf die Siegerstraße eingeschwenkt, und der Wendepunkt ist in der Wüste von Nevada zu lokalisieren. Mit seinem Produzenten, Tom Rothrock, feierte er dort beim "Burning Man Festival", als dem langjährigen Vertrauten eine freundschaftliche Feststellung entkam: Nach allem, was er erreicht habe, könne sich Blunt eigentlich zur Ruhe setzen. "Was Tom damit eigentlich meinte, war, dass ich aufhören muss, Dinge zu tun wie bisher. Ich muss an keiner Karriere mehr feilen, ich kann etwas Neues, Aufregendes probieren, ganz wie es mir gefällt", erinnert sich Blunt an den Moment, den er als Befreiung von der Vergangenheit bezeichnet. "Meine bisherigen Alben fühlen sich an wie Teil eines alten Lebens."

Die Erkenntnis machte es möglich, dass Blunt nach vier Alben "voll traurigen, elenden Liedern mit meiner Stimme und einer Gitarre" nun einen neuen Stil fand: Clubsounds von tiefgründigem Humor kennzeichnen das neue Album "The Afterlove". So frohlockt er in der ersten Single "Love Me Better", nie wieder den Satz "Du bist schön" zu verwenden: "Den habe ich schon ein paar Mal benutzt". In einem Kurzvideo persifliert er sich als Coach verzweifelter Teilnehmer der Selbsthilfegruppe "James Blunt Anonymous".

Sein Twitter-Account wurde zum Kampfplatz des Schlagabtauschs mit seinen Spöttern, den er stets gewinnt: Einer twitterte, er erwerbe Blunts Konzertkarten nur aus Liebe zu seiner Frau. Da antwortete der Sänger: "Du meinst, du tust es für den Blowjob!" Ein anderer fragte sich, ob Blunt im Leben irgendwas außer dem ominösen einen Song geschafft habe. Er bekam zur Antwort: "Diesen Song - und ein paar Supermodels."

Die Plattenfirma warnte Blunt, er würde mit diesen Meldungen sein Image ruinieren. "Aber das ist sowieso kaputt, also kann ich genauso gut Spaß damit haben", kommentiert der Sänger seine teilweise bitterbösen Tweets. "Im Grunde mache ich mich nicht nur über diese Trolle lustig, sondern vor allem über mich selbst, weil ich das alles einmal ernst genommen habe, was Leute im Internet sagen."

Diese Art Leichtigkeit fand er nicht nur im musikalischen Neubeginn. Auch die Hochzeit mit der Adeligen Sofia Wellesley anno 2014 und die Geburt seines Sohnes vor fast einem Jahr haben geholfen, den neuen Weg zu ebnen. "Wenn so große Dinge in deinem Leben passieren wie eine Ehe und ein Kind, dreht sich nicht mehr alles nur um dich. Jetzt gibt es Wichtigeres in meinem Leben."

Dann redet er doppelt so schnell. Weil ihm das wichtig ist: "Immer werde ich bloß über die Kritiker befragt. Niemand fragt nach den Tausenden, die meine Konzertkarten um hart verdientes Geld kaufen. Dabei sollte man den Fans Respekt zollen, nicht diesen armseligen Twitter-Trollen."

Einer der Fans fragte Blunt einst via Twitter: "Warum twitterst du nicht mit Leuten, die dich mögen?" Blunts Antwort: "Diese Generation ist nicht auf Twitter." Sie teilt hoffentlich seinen Humor.

Lustiges Songtext-Raten mit James Blunt

News ließ ihn raten: Wer hat's gesungen? Er oder Ed Sheran? Gar nicht so einfach.

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