Hotel-Flaute in Österreich

Einer aktuellen Umfrage zufolge ärgert sich die Mehrzahl der Geschäftsreisenden in Fünf-Sterne-Hotels über patziges Personal und unflexiblen Service. Kein Wunder: Viele Betriebe sparen an gut ausgebildeten Mitarbeitern. Mit ernsten Folgen für alle Beteiligten.

Hotel-Flaute in Österreich

Gabriele Werzer reist als Leiterin der Abteilung Investor Relations bei der Erste Bank mit dem Vorstand um die halbe Welt. In ihrer Karriere hat sie schon unzählige Fünf-Sterne-Herbergen von innen gesehen. Über schlechten Service, besonders der Kettenhotels, ärgert sie sich in letzter Zeit aber immer öfter: „Vielleicht bin ich sensibilisiert, weil meine Eltern selbst ein Hotel hatten. Aber der Service, der in den Ketten zu teils exorbitanten Preisen geboten wird, ist oft haarsträubend: winzigkleine Zimmer, lange Check-out-Zeiten, unflexibles und überfordertes Personal. Besonders empörend sind die unverschämten Aufschläge für Extraleistungen, die bei solchen Häusern eigentlich zum Standard gehören müßten.“

Mit ihrem Ärger steht die Vielreisende nicht allein da. Eine jüngst von der Wirtschaftsuniversität Wien veröffentlichte Umfrage unter Geschäftsreisenden offenbarte, daß vor allem das freche, schnippische Verhalten von Hotelmitarbeitern Hauptursache für die Unzufriedenheit von Hotelgästen ist. An zweiter Stelle der Negativliste stehen fehlende oder unflexibel angebotene Dienstleistungen wie Allergiebettwäsche, Nichtraucherzimmer, Konferenzräume. Durchgeführt wurde die Studie in Fünf-Sterne-Kettenhotels in Wien: Inter-Continental, SAS Radisson, Hilton, Hilton Plaza und Marriott.
Schneeballeffekt. Besonders alarmierend für die Hotelketten könnte dabei sein, daß sich nur ein geringer Teil der Empörten, 35 Prozent, direkt beim Haus beschwerte.

Die meisten rächen sich auf ihre Weise:
68 Prozent, so die Studie, erzählen das unerfreuliche Ereignis im Durchschnitt acht Personen weiter. „Wie bei einem Schneeballeffekt können von einem unbefriedigenden Aufenthalt bis zu fünfzig Leute erfahren“, erklärt die Initiatorin der Studie, die Unternehmensberaterin Marion Weber. „In diesem Markt vertraut man viel lieber persönlichen Empfehlungen als Werbemaßnahmen der Hotels.“
Besonders dramatisch ist die Situation, wenn die schlechte Nachricht an das Firmenreisebüro größerer Unternehmen weitergeleitet wird. Knapp über die Hälfte der verärgerten Gäste wollen so ein Hotel nämlich nicht noch einmal buchen, manche weichen der ganzen Kette aus. „Bei durchschnittlichen Zimmerpreisen von 1.700 bis 2.000 Schilling kann man sich vorstellen, welche beträchtlichen Summen den Hotels dabei über die Jahre hinweg entgehen“, warnt Marion Weber.

Kein Geld für Service. Reagiert haben die Hotels auf Webers Studie bisher nicht. Sie würden, so die Reaktion der großen Häuser, längst alles in ihren Kräften Stehende tun, um die Zufriedenheit der Gäste zu gewährleisten. Doch der große Konkurrenzdruck – 45.000 Betten wollen allein in Wien täglich belegt werden – zwingt inzwischen viele Ketten zu sparen.
„Wir würden die Dienstleistungen ja gern ausbauen“, rechtfertigt sich Hilton-Direktor Alfred Schönemann, den die Studienergebnisse, wie er zugibt, nur wenig erstaunen. „Aber unsere Personalkosten sind derart hoch und die gesetzlichen Arbeitszeitvorgaben so rigide, daß das immer schwerer fällt, denn guter Service ist eben teuer.“ Trotz eines Übernachtungsplus in Wien von 3,25 Prozent in Vier- oder Fünf-Sterne-Hotels im vergangenen Jahr sind die Gewinne des Hilton nicht gestiegen. Werner Knechtli, Managing Director des SAS Radisson in Wien, argumentiert ähnlich: „Die Hotellerie ist generell kein gutes Geschäft.“
Allein sechzig Millionen Schilling hat er etwa kürzlich für Renovierungen investieren müssen. Und die müssen erst wieder verdient werden.

Kein leichtes Unterfangen, denn der Kunde ist König bei Radisson, koste es, was es wolle. Wenn ein Gast nicht hundertprozentig zufrieden war oder Leistungen nicht innerhalb von zwanzig Minuten erledigt wurden, wird ein Nachlaß gewährt, oder man darf umsonst nächtigen. Viele Dienstleistungen wie das Business Center im Radisson sind, im Gegensatz zum Hilton, 24 Stunden geöffnet. Wenn ein Gast mitten in der Nacht sein Hemd gebügelt haben will, wird auch das erledigt. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg, heißt das Motto des Hauses.

„Die Hotels überbieten einander mit Sonderleistungen, Dumpingpreisen – und das alles auf Kosten qualifizierter Mitarbeiter“, ärgert sich Rudolf Kaske, der Vorsitzende der Tourismusgewerkschaft. „Mehr und mehr Betriebe, vor allem die Kettenbetriebe der Fünf-Sterne-Kategorie, setzen ihre langjährigen Mitarbeiter vor die Tür, weil sie zu teuer geworden sind. Dafür stellen sie weniger und nicht ausreichend qualifizierte Leute ein.“
In einem Kettenhotel kommen durchschnittlich 0,7 Mitarbeiter auf ein Zimmer. In De-Luxe-Herbergen wie im Wiener Imperial, im Sacher oder im Schwarzenberg, die traditionell sehr viel Wert auf gut ausgebildetes Personal legen, sind es mehr als doppelt so viele: annähernd 1,62 Mitarbeiter.

Belohnt werden die Angestellten für ihr Engagement von den Gästen nur selten. Trinkgelder bekommen in Zeiten der Kreditkarten meist nur die Türportiere oder bestenfalls noch die Kellner. Bei Radisson gibt es zwar Prämien für die Filialen, wenn die Gäste in den ausgelegten Umfragebriefen ihre Zufriedenheit äußern. Das Personal sieht davon freilich nichts. „Die Belohnung ist“, so Werner Knechtli, „daß man seinen Job behalten kann.“

Harte Zeiten für alle Beteiligten, so scheint’s. Indes: Das letzte Wort hat immer noch der Gast, und der weiß sich offenbar zu rächen.