Rohe Weihnachten?

Kabarettisten über ihre wechselvollen Erfahrungen mit dem Fest

Weihnachten hat von alters her nicht nur sakrale, sondern auch satirische Reflexe ausgelöst. Aber wie halten es die großen Kabarettisten tatsächlich mit dem Fest? Wie haben sie es als Kinder gefeiert? News befragte die großen sieben und bekam teils giftige, teils bemerkenswert besinnliche Antworten.

von Giftig bis besinnlich - Rohe Weihnachten? © Bild: News Matt Observe

Erwin Steinhauer

Ich bin ein Weihnachtsskeptiker im Sinne von Kurt Tucholsky: "Die meisten Menschen feiern Weihnachten, weil die meisten Menschen Weihnachten feiern." Die wenigsten begehen es aus Glaubensgründen, es ist ein bloßer Schenkrausch. Mit dem Fest, wie ich es liebe -mit Menschen, die man gern hat, zusammensitzen, reden, lachen, essen -, hat es nichts mehr zu tun. Dazu kommen die Krisen, weil die Menschen miteinander nichts mehr anfangen können und einander als Belastung empfinden: Die höchsten Scheidungsraten fallen auf den Urlaub, die meisten Prügeleien auf Weihnachten.

Bei meinen mittlerweile verstorbenen Eltern, in deren Wohnung ich immer noch lebe, war das anders: Wir haben diskutiert und geblödelt bis in den frühen Morgen. In meiner Kindheit -ich komme aus einer sozialdemokratischen Kleinbürgerfamilie -haben in dieser Wohnung sogar noch die Großeltern gelebt; alle auf 120 Quadratmetern, aber es ist sich ausgegangen. Die Großmutter war im Krieg aus rassischen Gründen versteckt, der Vater verwundet. Und dann haben wir beschlossen, beisammenzubleiben, und keiner musste je in ein Heim, als er alt geworden war.

Mein Vater hat aus Trotz kommunistisch gewählt, ich selbst wurde nur auf Betreiben meiner Großmutter getauft, wobei ich bei erster Gelegenheit ausgetreten bin. Meine vier Kinder sind nicht getauft. Aber ich bleibe ein strenger Christkind-Fan und ein entschlossener Gegner des Weihnachtsmanns. Nur wir haben ein Christkindl-Postamt und einen Christkindlmarkt. Das andere ist Coca-Cola.

Nun hat man ab einem bestimmten Alter Weihnachten sehr oft erlebt und ist in immer neue Phasen des Festes eingetreten. Am schönsten war es als Kind. Wenn wir das Zimmer mit dem Baum und den Geschenken betreten haben, hat mein Großvater dem Christkind durch das offene Fenster noch einen Dank nachgerufen, und dass es bitte im nächsten Jahr wiederkommen soll. Das hat mein Vater bei meinen Kindern so gemacht, und das mache ich heuer wieder bei meinem jüngsten Enkel.

In der zweiten Phase muss man für Weihnachten schwer arbeiten, indem man kocht und alles organisiert. Und jetzt bin ich in der letzten Phase: Mein Enkel Leon ist sechs, und es ist mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit das letzte Jahr, in dem es noch Sinn hat, dem Christkind aus dem Fenster nachzurufen. Wir führen lange Dispute darüber, wie das Christkind aussieht -auf Leons Wunsch haben wir uns auf ein blondes Mädchen mit Flügeln und weißem Kleid geeinigt, obwohl das theologisch eigentlich nicht haltbar ist.

Zum türkisen Messias, der uns jetzt eine Regierung plus Zwölfstundentag unter den Baum legt, habe ich keine direkt emotionale Bindung. Aber ich bin Demokrat, und in einer Demokratie muss man Regierungen manchmal auch über sich ergehen lassen. Dass die Leute, die diese Regierung gewählt haben, die ersten sind, die unter ihr bitter leiden werden, das ist deren Bescherung.

Fritz Schindlecker

Natürlich war ich in jungen Jahren Weihnachtsskeptiker, wie sich das für einen Spätachtundsechziger gehört. Dann war ich 36, und in diesem nicht mehr ganz jugendlichen Alter wurde mir meine Tochter geschenkt. Da habe ich als schenkender Erwachsener die Kindernostalgie wieder mitgelebt, obwohl meine Tochter weder getauft ist noch katholisch erzogen wurde. Jetzt ist sie 27 und wird Richterin, und ich nehme Weihnachten gegenüber eine neutrale Position ein.

Ich komme aus einer sehr katholischen Beamtenfamilie, hatte wegen jedem Schmarren ein schlechtes Gewissen, war Ministrant und hatte die heikle Aufgabe, beim Sternsingen den schwarzen König Melchior zu verkörpern. So ist meine Solidarität mit der Dritten Welt entstanden.

Mein Vater hat das größte Inlandszollamt Österreichs geleitet, mein Großvater war Sektionschef im Verteidigungsministerium. Ich bin beim Truppenübungsplatz Langenlebarn bei Tulln aufgewachsen, der damals noch amerikanisch besetzt war. Deshalb wurde ich in meinen allerersten Jahren zu Weihnachten auch mit amerikanischen Geschenken bemustert, und daher könnte sich meine heutige Opposition gegen den Weihnachtsmann herleiten: Er stammt zwar über viele Ecken von heiligen Nikolaus ab, aber in seiner heutigen Gestalt, mit dem roten Wams und dem roten Hut, ist er eine Coca-Cola-Erfindung aus den Dreißigerjahren. Damit hat der Kapitalismus auch zu Weihnachten geschafft, was dem Kommunismus verwehrt blieb: die große Gleichmacherei. Nicht zu reden vom "Elf on the shelf", dem Weihnachtsgnom, der die Kinder weltweit aus dem Bücherregal ausspioniert, eine Mischung aus Blockwart und NSA-Agent.

Meine Skepsis ist also mehrfach entwickelt. In der stillsten Zeit des Jahres brüllen einem an jeder Ecke Weihnachtslieder und solche, die es noch werden wollen, entgegen. Dieser Merkantilismus hat sich langsam auszubreiten begonnen. Ab Oktober wird man von Engerln, Glockerln und Kugerln belästigt, was ich immer mühsam gefunden habe.

Die einzige Erlösungserwartung hat der Handel. Und auch, was den türkisen Messias betrifft, bin ich noch nicht überzeugt: Die Einführung des Zwölfstundentages kann ich mit Weihnachten nur begrenzt in Zusammenhang bringen.

Werner Gruber

Ich bin getauft, aber weder ein christlicher noch ein spiritueller Mensch. Ich habe mich zwischen Agnostiker und Atheist noch nicht entschieden. Aber ich gebe zu: Ich genieße den Weihnachtstrubel zwischen Mitte November und 24. Dezember. Eine Blaskapelle, die auf dem Linzer Bahnhof Weihnachtslieder spielt, ein Christkindlmarkt: Dafür bin ich sehr empfänglich, und wenn ich die Hunderttausenden Menschen auf den großen Christkindlmärkten beobachte, frage ich mich, ob sie tatsächlich dort wären, wenn ihnen das Ganze so auf die Nerven ginge, wie ihnen immer suggeriert wird.

Ich bin in Ansfelden in Oberösterreich aufgewachsen. Der Vater war gelernter Elektriker bei der Energie-AG und später ein hochrangiger sozialdemokratischer Gewerkschafter. Besonders christlich war das Fest schon in meiner Kindheit nicht angelegt, und mit dem Glauben an das Christkind war es schon vor Schulbeginn vorbei. Die Eltern haben mir die verpackten Weihnachtsgeschenke schon vor dem 24. Dezember gezeigt. Ich hätte sie auch öffnen dürfen, aber mir war die Überraschung lieber. Geliebt habe ich den kleinen Weihnachtsmarkt: die Kälte und die Lichter, die in der Kälte Hoffnung geben.

In der weihnachtlichen Zentraldebatte habe ich eine klare Linie: alles für das Christkind, alles für den Nikolaus, Sympathien für den Krampus. Aber keine Gnade für den Weihnachtsmann, der für den Kommerz steht.

Statt das religiöse Fest mit Politik zu vermantschen und mich über den türkisen Messias und das sperrige Sechzigstundenpaket unter dem Christbaum zu ergehen, steuere ich lieber das nebenstehende subversive Rezept bei.

Angelika Niedetzky

Bis zu dem Zeitpunkt, an dem ich aufgehört habe, an das Christkind zu glauben, war Weihnachten noch eine eher schöne Zeit. Da dürfte ich sechs Jahre alt gewesen sein. Aber seither bekenne ich mich zur Fraktion der Weihnachtsskeptiker: Denn ab dann hat bei uns daheim endgültig die weihnachtliche Realität mit Streit, Tränen und im Raum stehenden Selbstmordversuchen Einzug gehalten.

Ich bin in der oberösterreichischen Gemeinde Plesching aufgewachsen, im Einzugsgebiet der Chemie Linz. Die Eltern waren Lehrer -die Mutter nicht ausübende Volksschullehrerin, der Vater AHS-Lehrer für Mathematik und Physik -, und die Erziehung war katholisch. Der Versuch, zu Weihnachten die Familie hochleben zu lassen, hat mich schon als Kind nicht überzeugt: Ich war direkt erleichtert, wenn es vorbei war und alle wieder normal bös statt weihnachtlich bös aufeinander waren.

Das hat wahrscheinlich damit zu tun, dass mich auch die Geschenke nur selten beeindruckt haben. Ich erinnere mich zwar an frühe Stofftiere und einen Playmobil-Surfer für die Badewanne. Aber das hat mit der Pubertät aufgehört: Ich wurde dann nur noch mit Gegenständen beschenkt, die meinem Vater gefallen haben, bevorzugt günstig erworbene Antiquitäten. Deshalb bekenne ich mich weder zur katholischen Christkind-noch zur amerikanischen Weihnachtsmannfraktion und fliege am 24. Dezember zur Ayurveda-Kur nach Sri Lanka, in ein Hotel mit ganz kleinem Christbaum.

Der soeben mit neuer Regierung gelandete Messias kommt nicht überraschend. Man hatte Zeit, sich vorzubereiten. Aber was den Freude-Faktor betrifft - wenn man zum Beispiel verfolgt, dass in Oberösterreich schon jetzt das Kulturbudget heruntergefahren wird -, so fügt sich diese Herabkunft bruchlos in meine sonstigen Weihnachtsgefühle ein.

Florian Scheuba

Der Weihnacht stehe ich wohlwollend neutral gegenüber. Wenn man das Fest mit drei Kindern gefeiert hat, verursacht das eine gewisse Grundfreude, die einen die Schrecklichkeiten ausblenden lässt.

Ich bin in einer nicht sehr katholischen Familie in Perchtoldsdorf bei Wien aufgewachsen. Das Ansprechende am Fest war das Ritual: das Aufgeregt-Sein, die steigende Erwartungshaltung, das verschlossene Wohnzimmer, die Glocke. Das Religiöse war eher durch das immer gleiche Programm in FS 1 und FS 2 substituiert, die gnadenlose Herzenswärme von "Lieber Onkel Bill" und anderen Serien. Unter dem Erwartungsdruck war man ein beneidenswert unkritischer Fernsehkonsument. Der Weihnachtsmann war für uns kein Thema. Ich stehe bis heute auf der Seite des Christkinds, das für mich aber einen leichten Startnachteil gegenüber dem Osterhasen hatte, seit an einem Ostersonntag ein leibhaftiger Hase an unserem Fenster vorübergelaufen war. So ist bei uns als erste der Fake News der Nikolo aufgeflogen, weil er dieselben Schuhe anhatte wie der Nachbar. Dann das Christkind, erst dann untypischerweise der Osterhase, sonst an sich ein Außenseiter.

Heuer ist zum Fest ein schmerzlicher Aspekt zu beobachten: Es sind die ersten Weihnachten, zu denen wir nicht in die Erwin-Pröll-Privatstiftung einzahlen können. Meine Kollegen Maurer und Palfrader und ich wollten das schon immer, haben es aber bis zuletzt nicht geschafft: Wir hatten schon einen Landwirt gefunden, der uns für die "Akademie im ländlichen Raum" einen Acker zur Verfügung stellen wollte, und dann haben wir im St. Pöltner Landhaus stundenlang vergebens die Stiftung gesucht. Als wir dann, wie alle anderen auch, ins Leere überweisen wollten, hatte sich die Stiftung aufgelöst. Dieses Erlösungsvakuum können selbst der türkise Ohrwaschelmessias und der Grasser-Prozess nur unzureichend füllen.

Andreas Vitásek

Begonnen hat es in der Pubertät: Weihnachten kam mir verlogen vor, und ich wurde auch immer krank. Bevorzugt habe ich an Nasenbluten laboriert, und die kalte Flasche Bier im Nacken hat die Stimmung nicht gehoben. Auch haben die Geschenke nie funktioniert. Am schlimmsten war es beim technischen Spielzeug: Entweder waren keine Batterien beigepackt, oder die Batterien waren leer.

Auch in Erinnerung daran bin ich in den vergangenen Jahren immer in den Süden ausgewichen. Bis mir meine jetzt zehnjährige Tochter mitgeteilt hat, dass ihr richtige Weihnachten doch lieber sind als die Sonne von Thailand und die geschmückten Palmen. Also bleiben wir heuer daheim.

Mein Vater war tschechischer Zuschneider bei Tlapa, meine Mutter Supermarktkassiererin. Das hatte große Vorteile, weil sich der Tisch unter dem Besten aus der Feinkostabteilung gebogen hat, was meinem Vater besonders wichtig war. Unsere Weihnachten waren also streng konsumorientiert. Religiös waren wir nie. Ich bin getauft, aber bei erster Gelegenheit ausgetreten.

Zum türkisen Messias habe ich mich bei einem soeben absolvierten Auftritt in Berlin erklärt. Ich bin beeindruckt, dass wir es schaffen, früher eine Regierung zu haben als die Deutschen, unser erster Sieg seit Córdoba. Andererseits bin ich nicht sicher, ob das erstrebenswert war und ob es sich diesfalls ohne Regierung nicht auch ganz gut leben ließe. Aber schauen wir einmal. Das Alter darf jedenfalls kein Ausschließungsgrund sein. Vergessen wir nicht, dass unser Kaiser 18 war, als er an die Regierung gelangt ist.

Werner Schneyder

Ich war ein Freund der traditionellen Weihnacht, bis mein Sohn sich geweigert hat, zum Termin den schwarzen Anzug anzuziehen. Da haben wir das aus meinem Elternhaus überlieferte Ritual aufgegeben: festlich anziehen, den Tisch feierlich decken, nicht streiten. Mein Vater hatte einen kleinen Mittelbetrieb, meine Mutter war Hausfrau. Ich bin in Klagenfurt aufgewachsen, und meine Erinnerung an Weihnachten beginnt 1946 mit einem Blick aus dem Fenster: Alles war verschneit, was man heute selten erlebt. An die acht Jahre vorher, als die Weihnacht von den Nazis "Julfest" genannt wurde, habe ich keinerlei Erinnerung. Ich weiß nur, dass ich mit fünf aufgehört habe, an das Christkind zu glauben.

Die zentrale Persönlichkeit des Festes war vielmehr die böhmische Großmutter mit ihrem Menü-Ritual: Fischbeuschelsuppe zu Mittag, gebackener Karpfen am Abend. Das war das Schönste am ganzen Fest, das bei mir nie einen christlichen Inhalt hatte. Ich bin mit 18 aus der Kirche ausgetreten, weil ich keiner Religion angehören kann, die Offi ziere in ihren Reihen duldet, statt sie zu exkommunizieren. Den Karpfen habe ich nie mehr an einem anderen Tag als am 24. Dezember gegessen, zuletzt als Einziger, seit mein Sohn die Rituale abgesagt und uns eröffnet hatte, dass ihm der Karpfen nie geschmeckt hat.

Heute widert mich das Weihnachtsfest mit seinem Geschäftstrubel zusehends an, aber ich lasse es nicht an mich heran: Ich drehe den Fernsehapparat ab, trinke die teuerste Flasche Wein und gönne mir meinen Karpfen. Im Rahmen meiner Möglichkeiten feiere ich das Fest meiner Kindheit.

Was den türkisen Messias betrifft: Den Gedanken an diese Leute lasse ich am Abend des 24. Dezember nicht an mich heran. Die können mit dem gebackenen Karpfen nicht konkurrieren.

Aber einen Weihnachtsaphorismus aus einem meiner Bücher hätte ich anzubieten: "Christ, der Retter, ist da. Auf Durchreise, nur drei Tage."