Steigert getrenntes Wohnen die Liebe?

Viele Generationen haben es vorgelebt: verliebt, verlobt, verheiratet. Und das Zusammenleben war ein unbedingtes Muss. Liebt man sich heutzutage nicht mehr so, wenn man lieber getrennt wohnt? Oder ist das sogar von Vorteil für die Liebe?

von Liebes Leben - Steigert getrenntes Wohnen die Liebe? © Bild: Nathan Murrell

Eine neu benannte Beziehungsform heißt "Living Apart Together" (LAT). Wissenschaftlichen Studien zufolge neigen Männer eher dazu, schon nach wenigen Monaten ein gemeinsames Wohnprojekt anzustreben. Frauen lassen sich da mehr Zeit, auch wenn mit mehr Nähe gemeinhin eine Qualitätssteigerung in der Partnerschaft verknüpft wird. Dass manchmal das Gegenteil der Fall ist, mag zunächst verwundern. Im Folgenden seien die Nachteile des Zusammenlebens grob erläutert:

Die Gewohnheitsfalle. Gemeinsames Wohnen kann zu einem nachlässigen Umgang führen. Männer stellen häufig ihr Werbeverhalten ein, wobei sie dann in den Augen ihrer Partnerinnen desinteressiert sind, sich gehen lassen, im Jogginganzug statt im abendlichen Dresscode enttäuschend, sogar unsexy wirken.
Die Alltagsfalle. Alltägliche Erfordernisse im gemeinsamen Haushalt wie Müllentsorgung, Hygienestandards und Ordnungssinn sowie die Aufgabenverteilung verdrängen romantische Gefühle am Kamin, wenn es auf einmal darum geht, wer das Feuer am Flackern hält und den Wein aus dem Keller holt.
Die Verantwortungsfalle. Beim Zusammenleben bekommt man alles, wirklich alles vom Partner mit. Auch, wenn die Person zum Beispiel Blähungen hat. Hinzu kommt, dass man sich für Missgelauntheit und Gesundheitsprobleme direkt verantwortlich fühlt.

Und jetzt Vorteile des Zusammenwohnens:
Der Gemeinschaftsbonus. Im Zusammenleben stellt sich viel eher das Gefühl des „Zusammenwachsens“ ein. Es werden nicht nur projektbezogene Aktivitäten gemeinsam durchgezogen, sondern das ganze Leben wird als Gemeinschaftsprojekt angegangen.
Der Fürsorgebonus. Beim Zusammenwohnen darf man zumindest darauf hoffen, in guten wie in schlechten Zeiten nicht allein zu sein.
Der Vertrauensbonus. Eine reife Beziehung wächst organisch gerade dann, wenn die Gegenwart des geliebten Menschen zum Leben schlichtweg dazugehört.

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Gegen getrenntes Wohnen spricht auch einiges – wir starten mit dem schwersten Brocken:
Die Trennungsfalle. Paaren, die räumlich getrennt leben, fällt eine Trennung wesentlich leichter – und diese Paare trennen sich auch häufiger als Paare, die zusammenwohnen.
Die Projektfalle. Man führt die Beziehung auf Projektbasis, nicht fix. Dazwischen lebt womöglich jeder ein Single-Dasein.
Die Schönwetter-Falle. In Krisen kann es an Vertrautheit fehlen, den anderen einzubeziehen.

Und schließlich Benefits des getrennten Wohnens:
Der Sex-Bonus. Wer getrennt lebt, hat laut Studienergebnissen paradoxerweise häufiger Sex als zusammenlebende Paare.
Der Romantikbonus. Die Beziehung behält ihren Dating-Charakter, was zu mehr Achtsamkeit und Wertschätzung führen kann.
Der Exklusivitätsbonus. Man schlägt sich nicht mit Haushalt herum, sondern kann vertiefte Gespräche über wesentliche Themen eher fortsetzen.

Abschließend noch wichtige Tipps für Paare, die zusammenziehen: Zu Beginn sind für beide Rückzugsorte empfohlen, um nicht von null auf 100 mit konstanter Nähe die Liebe überzustrapazieren. Wichtig: Reden Sie miteinander. Neu entdeckte Macken miteinander klären und über Konfliktthemen kommunizieren. Kritik in "Ich-Botschaften" formulieren – "Ich empfinde das so und so" – anstatt den Partner mit Vorwürfen zu bombardieren. Und ob Sie nun zusammenwohnen oder nicht, ist nicht so entscheidend für Ihr Liebesleben. Auf die Kultur des Umgangs kommt es an. Gerade jetzt, da Sie das gelesen haben, ist das Ihre Chance, einander bewusste Freiräume zu gewähren.

Prof. Mag. Dr. Monika D. Wogrolly, Philosophin und Psychotherapeutin
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