Die Träume aus denen Wimpern sind

Wie eine Wiener Opernsängerin die erste wasserfeste Wimperntusche erfand

Die Wienerin Helene Winterstein-Kambersky erfand 1935 die erste wasserfeste Wimperntusche der Welt. Produziert wird sie bis heute.

von Geschichte - Die Träume aus denen Wimpern sind © Bild: mit freundlicher Genehmigung von Katharina Kambersky

Was heute unvorstellbar ist, war bis weit in die 1920er-Jahre hinein geübte Praxis: Für den verführerischen Augenaufschlag schmierten sich die feinen Damen Schuhpaste auf die Wimpern. Körperwärme, Schweiß oder Tränen taten aber meist schnell ihr Übriges: Alles in allem war das Ergebnis nie von langer Dauer und die Trägerin erinnerte schnell an das Modell „Pandabär“. Ganz zu schweigen von der Augenverträglichkeit. Auch mit Produkten aus Kohlenstaub und Vaseline verhielt es sich nicht viel anders.

Das bekam auch die Wienerin Helene Winterstein-Kambersky – damals noch Vierthaler – zu spüren. Die gefeierte Opernsängerin machte bei ihren Gesangsauftritten immer wieder die leidvolle Erfahrung, wie schnell unter dem Einfluss der Scheinwerferhitze das mühsam aufgetragene Bühnen-Make-Up zerrann und unschöne schwarze Spuren hinterließ.

»Das Internet hat uns das Leben gerettet!«

Ein Zustand, den die Sängerin so nicht weiter ertragen wollte. Gemeinsam mit ihrem Bruder, einem Chemiker, tüftelte und experimentierte sie in der heimischen Küche in der Wiener Innenstadt so lange mit diversesten Ingredienzien, bis sie den heiligen Gral erfunden hatten: wasserfeste Wimperntusche! An die 2.000 Versuche sollen nötig gewesen, bis die erste patentierte, haltbare Mascara kreiert war.

Folgenschwerer Unfall

Nach einer Bleivergiftung auf den Rollstuhl angewiesen, baute sich die findige Helene schnell ein zweites Standbein auf. Ganz die eitle Opernsängerin erfolgte 1936 die offizielle Geschäftsgründung mit ihrem Kosenamen über der Ladentüre: La Bella Nussy .

© labellanussy Helene Winterstein-Kambersky

Die Wimperncreme war von Beginn an ein schlagender Erfolg und so wird die Rezeptur im Familienunternehmen bis heute, mittlerweile in der dritten Generation, unverändert gerührt und abgeschöpft - und zwar von Hand. Die Herstellung selbst ist reine Familienangelegenheit. "Nur zu Stoßzeiten holen wir uns unsere fixen kleinen Helferleins zu", verraten die Geschäftsführer. Auch die Kartonagen und Schriftzüge sind gleich geblieben: "Schuster, bleib bei deinen Leisten! Wir machen das, was wir gut können. Und das seit Jahrzenten", sagt Katharina Kambersky nicht ohne Stolz. Großartige Transformation ist bei einem derartigen Qualitätsprodukt vermutlich auch gar nicht von Nöten.

Ein kleiner Geheimtipp

Auch auf Werbung verzichtet der Enkel der Operndiva, der das Unternehmen heute mit seiner Frau Katharina führt, weitgehend – Mundpropaganda sei noch immer der beste und ehrlichste Verkäufer, sagt diese. Jeden Tag erweitert sich die Kundschaft um Töchter und Enkelinnen der alteingesessenen Fans - und das, obwohl es weder ein richtiges Geschäft, noch bezahlte Werbung gibt. "Man findet uns, wenn man uns finden will", schmunzelt die Geschäftsführerin Katharina. Uns gibt es schon auch in größeren Drogerieketten zu kaufen, ausgestellt sind wir aber nicht."

Man muss also explizit nach der Nussy-Mascara fragen, um in den Genuss der Klimperwimpern zu kommen. Auch in der Wiener Firma selbst - quasi direkt am Originalschauplatz - kann man sich bis heute persönlich beraten lassen - allerdings nur mit Voranmeldung.

Heute eher ein Nischenprodukt, kommt man im 21. Jahrhundert aber dann doch nicht ganz an kommerziellen Innovationen vorbei: Mittlerweile gibt es einen Online-Shop, in dem das nostalgische Sortiment mit dem typischen Duft nach Bienenwachs erstanden werden kann. "Ganz ehrlich, das Internet hat uns das Leben gerettet", erzählt Kambersky. So tragen auch im Jahr 2018 Damen von New York bis Israel die Ur-Wimperntusche aus Österreich.