General-Entschuldigung

von Renate Kromp © Bild: Ian Ehm/News

Wahlkampf ist die Zeit fokussierter Unintelligenz. Da passieren halt Dinge, die nicht gescheit sind." Sprach einst Michael Häupl und bewies damit, wie so oft, das Gespür für Sager mit dem Zeug zum Legendären. Man kann ihm natürlich recht geben. Empörter Widerspruch von anderen Politikern dagegen ist jedenfalls nicht in Erinnerung. Vielleicht auch deshalb, weil man sich hinter dieser knackigen Weisheit eigentlich sehr gut verstecken kann.

Man hat sich gegenüber dem politischen Mitbewerber im Ton vergriffen? Tschuldigung, ist ja nur Wahlkampf.

Man hat Wählerinnen und Wählern das Blaue vom Himmel versprochen und denkt nicht daran, das zu halten? Aber echt jetzt: ist ja nur Wahlkampf.

Man bleibt den Leuten seine wahren Ziele schuldig und posiert lieber mit Promis, Kindern, Zicklein und Meerschweinchen, Fußbällen, Kabarettisten (Liste beliebig fortsetzbar )? Geh bitte, ist ja nur Wahlkampf!

Das stimmt nicht ganz. Denn was Parteien und ihre Spitzenkandidaten im Wahlkampf treiben, ist auch ein Gradmesser dafür, wie weit sie später in der Regierung zu gehen bereit sind.

Man argumentiert im Wahlkampf nicht mehr in der Sache, sondern gibt dem Ganzen ein Gesicht -also greift direkt andere Menschen an? Man schürt gezielt Ängste gegen "Ausländer" oder schafft noch andere "Feindbilder"? Man kocht die Neiddebatte rund um Sozialhilfen hoch? Wer damit heute auf Stimmenfang geht, wird auch in der Regierung liefern (müssen). Man nimmt Frauen, also immerhin mehr als 50 Prozent der Wahlberechtigten, generell noch immer nicht ganz ernst und pflanzt sie womöglich in seinen Wahlprogrammen? Dann wird frauenpolitischer Fortschritt nicht ganz oben im Regierungsprogramm stehen.

Man spielt Thesenpapiere und Mails von Parteiabtrünnigen an die Öffentlichkeit? Dann wird man wohl auch nach dem Wahlkampf nicht wahnsinnig krisenresistent, souverän und schon gar nicht loyal sein.

Man lässt aus öffentlichen Geldern bezahlte Ministeriums-oder Parlamentsmitarbeiter auch für die Partei arbeiten?(Gibt es wahrscheinlich in mehr als einem Kabinett ) Dann nimmt man es womöglich auch später mit der Trennung von Staat und Partei nicht ganz genau.

Man wirft alte Dogmen über Bord und liebäugelt mit allen möglichen Koalitionen und damit, dass man vielleicht gar nicht Erster sein muss, um Kanzler zu sein? Na, dann dürfen sich die Wählerinnen und Wähler auch nicht wundern, was alles möglich ist.

Nein, im Wahlkampf ist nicht alles erlaubt. Wer hauptsächlich Stimmung für den eigenen Vorteil macht, wird in diesem Klima später auch regieren müssen. Jammern gilt dann nicht.