Schwarzer Helfer, rotes Netzwerk

(vom 11.4.2015)

Es war ein entscheidender Moment beim größten Rüstungsgeschäft der Zweiten Republik: Anfang September 2002 sprengte die FPÖ nach internen Querelen die Koalition mit der ÖVP unter Bundeskanzler Wolfgang Schüssel. Somit war auf einmal wieder unklar, ob Österreich - wie von Schwarz-Blau beschlossen - die Eurofighter-Kampfjets kaufen würde.

von Kampfjet-Skandal - Schwarzer Helfer, rotes Netzwerk © Bild: BMLVS/MARKUS ZINNER

Die Typenentscheidung war zwar gefallen, der Kaufvertrag aber noch nicht ausverhandelt. Was würde passieren, wenn die SPÖ, die dem Eurofighter besonders kritisch gegenüber stand, in die neue Regierung kommen würde? Was wäre, wenn die ÖVP - um an der Macht zu bleiben - den milliardenschweren Abfangjägerkauf abblasen würde? Was wäre, wenn wichtige Landeshauptleute umschwenken würden? Sehr viele offene Fragen.

Offenbar suchte man beim Eurofighter-Hersteller EADS intensiv nach Antworten oder Gegenstrategien. Und am 19. September 2002 dürfte man diese gefunden haben. NEWS liegt ein E-Mail vor, das ein EADS-Mitarbeiter an diesem Tag konzernintern verschickt hat. Im Anhang befand sich "der Maßnahmenplan über das weitere Vorgehen hier in Österreich“. Und dieser war offenbar so geheim, dass der EADS-Mitarbeiter anmerkte: "Dieses Mail ist über eine sichere Leitung versandt. Nach Versenden dieser Mail ist der File aus dem Computer hier in Wien gelöscht.“

Was war so heikel daran? In der Tabelle im Anhang des E-Mails findet sich in der Spalte "Maßnahmen“ unter anderem der Eintrag "Kontaktpflege zur IT-Solution“ (siehe Faksimile). Und in der Spalte daneben steht: "IT-Solution, Hr. S. (Name der Redaktion bekannt, Anm.), hat direkte Kontakte und Einfluss auf ÖVP. Macht Einflussnahme Saab z. Zt. so gut wie unmöglich!“

350.000 Euro für Einfluss auf ÖVP?

Aufgefallen ist dies auch der internationalen Anwaltskanzlei Clifford Chance, die im Auftrag von EADS eine interne Überprüfung zum Thema "Eurofighter Österreich“ durchgeführt hat. In ihrem Prüfbericht, der NEWS vorliegt, kommen die Anwälte zu folgendem Schluss: EADS-Mitarbeiter sollten "mit IT Solution in Kontakt bleiben und einen Vorvertrag für einen möglichen Kauf von Software über einen Betrag in Höhe von EUR 350.000 abschließen“, da "IT-Solution (Georg S.) Kontakte bei und Einfluss auf die ÖVP hatte, die einen Einfluss von Saab nahezu unmöglich machten“. Der schwedische Rüstungskonzern Saab war der große Konkurrent von EADS in Sachen österreichische Abfangjäger. Und offenbar ging man bei EADS davon aus, dass der angebliche Einfluss von Georg S. auf die ÖVP so viel wert war, dass man tatsächlich bereits im Oktober 2002 mit dessen Wiener Firma IT Solution den genannten Vorvertrag über 350.000 Euro abschloss.

In weiterer Folge erhielt IT Solution Aufträge von EADS über mindestens 1,3 Millionen Euro. Dabei war die Beauftragung der Wiener Firma - wie E-Mails zeigen, die NEWS vorliegen - intern bei EADS nicht unumstritten. Laut Clifford-Chance-Bericht geht aus einer internen Notiz vom 12. Dezember 2003 hervor, dass "aus übergeordnetem unternehmenspolitischen Interesse“ gefordert wurde, von der Ausschreibung eines Teilauftrags Abstand zu nehmen. Die Aufträge über rund 1,3 Millionen Euro wurden übrigens auch als Eurofighter-Gegengeschäfte zugunsten von EADS anerkannt.

Heikles E-Mail an Bartenstein-Freund

Was ist - abgesehen vom erwähnten Eintrag im Maßnahmenplan - noch auffällig in Bezug auf Herrn S.? Die internen Ermittler von Clifford Chance sind auf ein E-Mail gestoßen, das Georg S. am 4. August 2003 an einen Herrn namens Gilbert Frizberg geschickt hat (Faksimile auf Seite 38). Darin bat S., Frizberg möge ihm mitteilen, ob er in der Zwischenzeit "einen brauchbaren Weg“ finden konnte, wie "dem Ersuchen des Konzerns elegant entsprochen werden kann“. "Die betreffende Person“ habe ihm, S., von einer erfolglosen Bewerbung "für eine begehrte Position“ erzählt. Vielleicht könne man hier "den Hebel ansetzen“. S. wies Frizberg auch darauf hin, dass es sich hierbei um ein "essentielles Problem“ handle, welches "vordringlich zu lösen wäre“.

S. nennt zwar den Namen des "Konzerns“ nicht. Dass es sich dabei um EADS handeln dürfte, ergibt sich aber wohl daraus, dass dieses E-Mail bereits einen Tag später Mitarbeitern des Eurofighter-Herstellers vorgelegen ist. Letztlich müssen es die Prüfer von Clifford Chance auch dort gefunden haben. Wer ist nun Gilbert Frizberg, den Herr S. im Sinne des "Konzerns“ um Unterstützung in einer offensichtlich delikaten Angelegenheit gebeten hat? Frizberg ist seit 2007 Aufsichtsratschef des Stromkonzerns Verbund. In den 80er- und 90er-Jahren war er jedoch Nationalrats-bzw. steirischer Landtagsabgeordneter für die ÖVP. Zum Zeitpunkt des E-Mails hatte Frizberg die Funktion des Finanzreferenten der ÖVP Steiermark inne.

Laut einem Bericht der Tageszeitung "Die Presse“ aus dem Jahr 2007 soll Frizberg so eng mit dem damaligen Wirtschaftsminister Martin Bartenstein befreundet gewesen sein, dass sie sogar gemeinsam auf Urlaub gefahren seien. Bartenstein kommt in der Causa Eurofighter eine Schlüsselrolle zu. Sein Ministerium war für die sogenannten Gegengeschäfte, die EADS im Gegenzug für den Eurofighter-Kauf versprechen musste, verantwortlich. Die Anwälte von Clifford Chance gehen in ihrem Prüfbericht jedenfalls davon aus, dass sich das Mail von S. an Frizberg auf eine Stellenbesetzung im Wirtschaftsministerium bezog.

Ob dies wirklich der Fall war, ist unklar. Frizberg erklärt, er habe nicht auf eine Stellenbesetzung im Wirtschaftsministerium oder anderswo im Sinne von EADS Einfluss genommen und auch sonst keine Interventionen im Sinne von EADS gesetzt. Zuwendungen an die ÖVP, mit der Partei zusammenhängenden Institutionen und auch an ihn selbst könne er ausschließen. Er habe sich "nicht einmal ansatzweise“ etwas vorzuwerfen. An bewusstes E-Mail könne er sich - auch nach Vorlage - nicht erinnern. Er habe in seinem Leben schon einiges an Ersuchen entgegengenommen, "ohne dem dann zu entsprechen oder nachzukommen“.

Georg S. betont, dass die gesamte Geschäftsbeziehung seiner Firma mit EADS im Auftrag der Staatsanwaltschaft durch einen gerichtlich beeideten Sachverständigen umfangreich geprüft worden sei. "Dem Ergebnis dieser Prüfung habe ich nichts hinzuzufügen.“ Er habe eine "unpolitische Vergangenheit“: "Ihren Fragen entnehme ich, dass Sie meine Rolle und meine Einflussmöglichkeiten überschätzen.“

Pilz ortet Beeinflussung der ÖVP

Der grüne Eurofighter-Aufdecker Peter Pilz will dieser Angelegenheit auf den Grund gehen. "Das ist die nächste Spur zur ÖVP“, meint Pilz. Er fordert ÖVP-Generalsekretär Gernot Blümel auf, alles auf den Tisch zu legen, was es damals an Kontakten gegeben habe. Pilz kündigt eine parlamentarische Anfrage an. "Offensichtlich hat eine Beeinflussung der ÖVP stattgefunden“, meint Pilz. "Die Frage ist, bei wem.“ EADS - heute "Airbus Group“ - verweist darauf, wegen laufender Ermittlungen keine Stellungnahme abgeben zu können. Man habe den Clifford-Chance-Bericht der Staatsanwaltschaft München übergeben: Alles Weitere müsse durch diese erfolgen. Auch in Österreich wird ermittelt.

Jedenfalls spielte nicht nur die ÖVP im streng geheimen Maßnahmenkatalog von EADS aus dem Jahr 2002 eine Rolle. In Sachen SPÖ ist hier von der "Initiierung der ‚Roten Vier‘“ die Rede. Unter diesem Codewort lief ein Millionen-Sponsoring für den SK Rapid. Der Fußballklub erhielt von EADS von 2003 bis 2007 gut vier Millionen Euro. Die Prüfer von Clifford Chance gehen davon aus, dass das Ziel war, die SPÖ "für sich zu gewinnen“. Rapid standen bekanntermaßen die vier SPÖ-Granden Alfred Gusenbauer, Heinz Fischer, Josef Cap und Rudolf Edlinger nahe. Letzterer war Präsident des Vereins - und sicherte in Zusammenhang mit einer geplanten Verlängerung des Sponsorings im Jahr 2006 zu, "die daraus resultierenden Kontakte unseres Netzwerkes (wie bisher) wieder in unsere weitere Zusammenarbeit“ einzubringen. Edlinger hat in der Vergangenheit erklärt, mit "Rapid-Netzwerk“ sei die Summe aller Sponsoren gemeint. Laut dem Ex-Finanzminister hat EADS von ihm nie Aktivitäten in Zusammenhang mit dem Eurofighter verlangt. Doch auch abseits des Sports bereitete EADS 2002 interessante Maßnahmen vor: So sollte - laut Geheimpapier - ein "Aufstand“ der Wirtschaft organisiert werden. Man wollte "Österreichische Industrien, Unternehmen, zusammen mit entsprechenden Verbänden wie Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung zum ‚Jammern‘ in der Öffentlichkeit anhalten“. Wie man wohl auf diese Idee kam?

Kümmern wollte man sich - laut Geheimplan - offenbar auch um die "NEWS-Verlagsgruppe“, der auch dieses Magazin angehört. NEWS berichtete bekannt kritisch über die Eurofighter-Beschaffung. Das hat sich bis heute nicht geändert. Zumindest in diesem Punkt dürften die EADS-Strategen versagt haben.

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