Fleisch oder Liebe?
Beziehungskiller Essen

Wenn Genussverhalten in der Liebe zum Problem wird

Tofu oder Fleisch? Apfelsaft oder Wein? Bio oder nicht? Unterschiedliches Genussverhalten wird in vielen Beziehungen zum Problem. Muss es aber nicht. Wie es "gemischte" Paare schaffen, trotz Essensdifferenzen glücklich zu werden.

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Tofu oder Fleisch? - Fleisch oder Liebe?
Beziehungskiller Essen

Mit einer Frau, die keinen Alkohol trinkt, könnte ich nie zusammen sein. Genussmenschen und Abstinenzler passen einfach nicht zusammen", verkündete mein Studienkollege an einem feucht-fröhlichen WG-Abend nach der zweiten Flasche Wein. In vino veritas: Was vor 15 Jahren im Suff dahergelallt war, beschäftigt Paarpsychologen und Soziologen bis heute. Können Menschen, die gern das eine oder andere Glas Wein trinken, mit Alkoholverweigerern glücklich sein? Veganer mit Fleischessern? Fast-Food-Junkies mit Biofanatikern?

Denn Essen und Trinken ist mehr als reine Nahrungsaufnahme. Essverhalten ist fast immer ein Bekenntnis zu einer gewissen Lebensweise, eine Folge von Herkunft und Sozialisation, es kann ein politisches Statement sein, und es lässt immer auch Rückschlüsse auf Charakter und Persönlichkeit eines Menschen zu. Das wusste schon der Philosoph Ludwig Feuerbach, als er vor etwa 150 Jahren sagte: "Der Mensch ist, was er isst."

"Gleich und gleich gesellt sich gern"

Verheiratete Paare mit ähnlichen Vorlieben und Trinkgewohnheiten führen eine glücklichere Beziehung als andere Paare, hat eine Studie der Universität Michigan ergeben. Wer mehr Freizeit miteinander verbringt, Aktivitäten und dabei auch eine Flasche Wein teilt, dessen Ehe hat eine bessere Qualität, so das Resümee.

Ähnliches gilt für Veganer. Nur jeder Fünfte, der tierische Produkte verweigert und schon einmal in einer Beziehung mit einem Fleischesser war, hatte kein Problem mit Essdifferenzen, zeigt eine aktuelle Studie des Internetportals vegan.eu und der Partnervermittlung Gleichklang. Die überwiegende Mehrheit berichtete von Konflikten rund ums Thema Essen. Fast 75 Prozent der befragten Veganer hofften innerlich, dass der Partner doch noch vegan werden würde, und jeder Zweite versuchte, den Partner aktiv davon zu überzeugen.

Die Psychologin Isabella Woldrich kennt das aus der Praxis. "Eine ähnliche Art, zu leben, erhöht die Chance, dass eine Beziehung länger anhält", sagt sie. Und dazu gehören eben auch kulinarische Vorlieben.

Erfolgsfaktor Distanz

Aber was, wenn man das Essverhalten noch nicht abgefragt hat, bevor sich die ersten Schmetterlinge im Bauch breit machen? Wie bei Viktoria. Als sich die 32-jährige Sängerin vor fünf Jahren in ihren Dietmar verliebte, standen die beiden gemeinsam in einer ostdeutschen Kleinstadt auf der Bühne und gaben Arien aus der "Fledermaus" zum Besten. Die beiden wurden ein Paar. Sie, die Vegetarierin aus Überzeugung, die Wert auf ausgedehnte Mahlzeiten mit Reis und Nudeln, viel frischem Obst und Gemüse legt. Und er, für den ein Essen erst dann ein richtiges Essen wird, wenn Fleisch auf den Teller kommt, und der Kohlenhydrate wie Nudeln und Reis am liebsten ganz weglässt. Und es blieb nicht beim "Fleischproblem". Dazu kam ein anderes: "Ich bin sicher eine überdurchschnittlich langsame Esserin", sagt Viktoria. "Aber Dietmar ist das Gegenteil. Er ist beim Essen sehr 'effizient'. Oft hat er schon seinen Teller abgeräumt, wenn ich mich gerade erst hinsetze." Dass Dietmar wenig Sinn für ausgiebige Mahlzeiten hat, verdankt er seiner Sozialisation und dem Leitspruch seines verstorbenen Vaters: "Wie man isst, so arbeitet man."

"Ich würde sagen: Essen ist in unserer Beziehung definitiv kein Highlight", lacht Viktoria. Dass sie trotzdem zusammen sind, verdanken sie ihrem reflektierten Zugang zu ihren Gegensätzen. "Ich finde es wichtig, den anderen in seiner Unterschiedlichkeit zu erkennen und anzunehmen und Kompromisse zu finden." Fleisch werde bei ihr in der Wohnung nicht gekocht, dafür darf er in seinem Kühlschrank Steaks horten. Erleichtert wird dieses Agreement durch die Tatsache, dass die beiden seit fünf Jahren eine Fernbeziehung leben. Er in Deutschland, sie in Wien - beim "gemeinsamen" Frühstück skypen die beiden oft, ohne sich mit ihren Macken in die Quere zu kommen.

Respekt statt Gleichklang

"Wenn man ähnliche Zugänge zum Thema Essen hat, erspart man sich sicher den einen oder anderen Streit beim Frühstück", sagt Woldrich. "Aber zu viel Gleichklang ist auch fad. Das killt jede Leidenschaft."

Das wissen auch Fabian, der Veganer, und Gillian, der passionierte Fleischesser. Seit Fabian vor einem Jahr bei Gillian eingezogen ist, hat er dessen Küche auf den Kopf gestellt. "Ich habe früher eigentlich so gut wie nie gekocht. Meistens habe ich mir von auswärts irgendwas geholt - am liebsten vom Mäcki.""Mäcki" - McDonald's -ist ein Wort, das Gillian bei Fabians Freunden am besten nicht laut ansprechen sollte. Für viele Veganer ist die Fast-Food-Kette der Inbegriff des Bösen. Dort nicht hinzugehen, hat auch etwas mit dem Gefühl moralischer Überlegenheit zu tun. Der 19-jährige Fabian sieht das nicht so eng -und das ist vermutlich auch das Geheimnis ihres Glücks. Ab und zu begleitet er Gillian sogar zu McDonald's - und isst dort dann eben nur Pommes.

Flexibel bleiben

Gillian ist zum Glück so flexibel, dass er auch tageweise ohne Fleisch auskommt. "Zu Hause kocht Fabian nur vegan. Mir wäre das viel zu mühsam, all die Zutaten einzukaufen und zuzubereiten. Aber wenn es ihm Spaß macht, freut es mich auch", sagt Gillian. Wenn die beiden essen gehen, dann vegan, und zum Valentinstag gab es Nudeln mit Tomatensoße, das Lieblingsessen der jungen Männer. Fleisch würde Fabian seinem Partner zuliebe nicht essen. "Ich bin Veganer aus Überzeugung. Es geht mir dabei vor allem um den Umgang mit Tieren und um unseren ökologischen Fußabdruck." Seinen Freund vom Veganismus zu überzeugen, wie es laut Studie die meisten Partner in sogenannten "gemischten" Beziehungen tun, will er aber nicht. "Man muss nicht gleich ticken, damit eine Beziehung funktioniert", sagen beide. Ihnen ist es wichtig, offen zu sein für die Vorlieben des anderen und ihn mit all seinen Spleens zu respektieren.

"Man sollte in einer Beziehung nie versuchen, den anderen zu verändern oder erwarten, dass er seine Gewohnheiten ablegt", sagt Psychologin Woldrich. Stattdessen sollte man versuchen, sich in die Lebenswelt des anderen einzufühlen und sich hin und wieder auch die eigenen Macken bewusst zu machen.

"Wir sind allesamt viel zu Ich-bezogen. Wie kleine verwöhnte Einzelkinder." Damit eine Beziehung gut funktioniert, sei es wichtig, "nicht kleinlich und pingelig zu sein, sondern sich auf die schönen Seiten zu konzentrieren: Und wenn Sie dann mit Ihrem Partner drei Tage hintereinander tollen Sex hatten, ist es auch egal, wenn der andere nur Kräuter isst."