"Bargeld-Obergrenzen sind
für die Kriminalität wirkungslos"

Schattenwirtschafts-Experte Friedrich Schneider vertritt eine deutliche Meinung

Soll das Bargeld abgeschafft werden? Oder zumindest eine Höchstsumme für Bar-Transaktionen eingeführt? Der Linzer Wirtschaftsprofessor und Experte für Schattenwirtschaft Friedrich Schneider lehnt beides ab. Die Effekte wären einfach zu gering, um die persönliche Freiheit so einzuschränken, sagt er im Interview mit News.at.

von Koffer mit Bargeld © Bild: istockphoto.com

Ist Bargeld etwas Schlechtes, Herr Professor?
Nein. Bargeld ist etwas extrem Nützliches, Effizientes und ein über Jahrhunderte bewährtes Zahlungsmittel und Kulturgut.

Woher kommt dann die aktuelle Diskussion über Bargeld-Obergrenzen?
Weil die Leute zu viel Tatort sehen. Dort werden alle Geschäfte noch in bar abgewickelt und darum glaubt man, wenn man den Koffer mit der Million nicht mehr übergeben kann, passiert das Verbrechen nicht mehr. Bargeld-Obergrenzen sind für die Kriminalität aber weitgehend wirkungslos, weil man sie sehr leicht umgehen kann. Wenn man größere Summen von einem Land ins andere transportieren will, versteckt man es so gut, dass es nur durch einen gezielten Tipp zu finden ist.

Auf der anderen Seite ist die organisierte Kriminalität längst auf die bargeldlose Zahlungsweise umgestiegen. Sie gründen Scheinfirmen, überweisen Rechnungen in Millionenhöhe. Stellen Sie sich nur einmal vor, wie viele Rechnungen an einem Tag nur aus Wien herausgehen. Das geht an die Hunderttausend, da ist das nicht auffindbar, wenn sie keine konkreten Tipps haben.

»Der Kriminalitätsbekämpfung nützen Obergrenzen herzlich wenig«

Der Kriminalitätsbekämpfung nützen Obergrenzen also herzlich wenig. Das würde die Kriminalität um ein bis drei Prozent reduzieren, das entspräche etwa 200 bis 300 Millionen Euro. Auf keinen Fall mehr.

Die aktuelle Debatte wurde ja vom deutschen Finanzministerium ausgelöst. Wird dort auch einfach zu viel Tatort geschaut?
Über deren Motive kann man nur spekulieren. Aber: Wenn ich Bargeld-Obergrenzen einführe oder sogar soweit gehe, das Bargeld abzuschaffen, nehme ich jedem Privaten, auch jeder Bank, die Möglichkeit, Bargeld zu horten. Zurzeit liegt bei den Banken zum Beispiel sehr viel Bargeld, weil sie es nicht bei der EZB deponieren wollen, denn dort müssten sie Negativzinsen zahlen. Die Absicht könnte also auch sein, das Horten der Banken zu bekämpfen und die Frage der Kriminalität nur vorzuschieben.

Hätten die Obergrenzen auch keinen Effekt auf die Schwarzarbeit?
Es hätte einen Effekt, aber auch der wäre minimal. Es würde einfach etwas teurer, wenn Sie Ihre Bedienerin nicht mehr in bar, sondern mit Kreditkarte bezahlen müssten. Das würde dann zwei, drei Euro mehr kosten, aber Sie würden sie immer noch schwarzarbeiten lassen. Insgesamt reden wir auch beim Effekt auf den Pfusch von einem Volumen von ein bis drei Prozent.

Wäre denn die ebenfalls diskutierte Abschaffung des 500-Euro-Scheins sinnvoll?
Naja, die Frage ist, was ich will. Ich bin generell dagegen, die Freiheiten des Bürgers zu beschneiden. Ich möchte selbst entscheiden, ob ich bar bezahle oder nicht. Und ich möchte selbst entscheiden, ob ich dafür einen 500er nehme oder nicht. Warum sollen wir außerdem alle total gläsern werden? Gibt es kein Bargeld mehr, dann weiß der Staat bald von jeder Transaktion, die ich tätige. Was in meinem Geldbörsel ist und wofür ich es verwende, sollte nur ich wissen. Und wenn ich jemandem 100 Euro schenke, geht das niemanden etwas an.

»Die Forschung zeigt, dass sich eine Abschaffung nicht lohnt«

Hat EZB-Chef Mario Draghi also nicht Recht, wenn er den 500er als „Instrument für illegale Aktivitäten“ bezeichnet?
Der 500-Euro-Schein wird sicher auch für illegale Geschäfte verwendet, aber nicht nur. Es gibt viele Leute, die beim Autokauf, beim Schmuckkauf oder bei sonstigen größeren Transaktionen gerne bar bezahlen. Das ist Gewohnheit, das ist eine liebgewordene Sitte. Natürlich geschehen kriminelle Aktivitäten mit Bargeld, wie mit vielen anderen Dingen auch. Aber die gesamte Forschung zeigt, dass selbst bei der kompletten Abschaffung des Bargelds die Reduktion der Kriminalität und der Schwarzarbeit so gering ist, dass es sich wirklich nicht lohnt.

Es gibt aber auch noch einen weiteren, sehr wichtigen Punkt: Stellen Sie sich vor, in Österreich fällt für drei Tage der Strom aus. Mit Bargeld könnte trotzdem ein Wirtschaftskreislauf aufrechterhalten werden. Es ginge hingegen gar nichts mehr, wenn wir alles elektronisch machen müssten, weil kein einziger Apparat mehr funktionieren würde. Ich finde den Bargeldumlauf also auch aus Sicherheitsgründen durchaus erstrebenswert.

Warum hängen Österreicher und Deutsche – im Verhältnis etwa zu den Skandinaviern - so am Bargeld?
Österreich und Deutschland haben in der Vergangenheit schon mehrere Hyperinflationen durchgemacht. Zuletzt waren beide sehr lange sehr stolz auf ihre Mark bzw. auf ihren harten Schilling, mit dem sie überall zahlen konnten. Das war ein Symbol der Wirtschaftskraft, der Tüchtigkeit. Warum soll ich den Leuten dieses Symbol nehmen?

Friedrich Schneider
© Privat

Zur Person
Friedrich Georg Schneider (67) ist einer der führenden Ökonomen im deutschsprachigen Raum. Nach Stationen in Deutschland, der Schweiz, den USA, Schweden und Dänemark wurde er 1986 als Universitätsprofessor an das Institut für Volkswirtschaftslehre der Johannes-Kepler-Universität Linz berufen, wo er nach wie vor lehrt und forscht. Seine Fachgebiete sind Schattenwirtschaft, Schwarzarbeit, Steuerhinterziehung und organisierte Kriminalität. 2012 wurde Schneider das Silberne Ehrenzeichen um die Verdienste der Republik Österreich verliehen.

Kommentare

Herr Professor, Sie haben Unrecht. Mit dem Schilling konnte man nicht ÜBERALL(?) zahlen.
Schon gar nicht in BRD, Schweiz, DDR. Mit der D-Mark im Ostblock aber schon, etwa in Devisenläden. Der Schilling musste überall in die Landeswährun getauscht werden.
Nicht alle Menschen vergessen so schnell.



Christoph Bernglader melden

nur der osteuropäische ***** verwendet den 500er schein

neusiedlersee melden

Nein, auch der mitteleuropäische Käufer eines PC + Drucker, eines Autos, eines Anhängers, wie ich z.B.

die 500er benutzn eh nua die tschu...ähm...osteuropäischen migranten

Es tut wirklich gut, zu diesem Thema die Stellungnahme eines vernünftigen Menschen zu erfahren. Ich persönlich werde mich immer gegen die Abschaffung des Bargeldes wehren. Was soll denn das virtuelle Geld wert sein außer nichts?
Kann es sein, dass jemand draufgekommen ist, dass so viel Geld, wie es ein paar Superreiche angeblich haben, in Wahrheit auf diesem Planeten gar nicht existiert?

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