Deutschland: Welt statt Europa

Euro-Länder verlieren für Exporteure an Bedeutung – Kritik an Lohnzurückhaltung

Die Euro-Länder verlieren für die deutschen Exporteure rapide an Bedeutung. Ihr Anteil am Auslandsumsatz der Unternehmen fiel in den ersten neun Monaten 2012 auf den niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung, wie aus Daten des Statistischen Bundesamtes hervorgeht. Er lag nur noch bei 37,6 Prozent. Im Gesamtjahr 2011 war mit 39,7 Prozent erstmals die Marke von 40 Prozent unterschritten worden. Vor Beginn der Schuldenkrise 2008 waren es noch 42,8 Prozent, 1991 sogar 51,6 Prozent. Für VW ist China bereits der wichtigste Absatzmarkt. Für heuer wird ein Durchbrechen der Billionenmarke erwartet. Die gewerkschaftsnahe Hans-BöcklerStiftung kritisiert Deutschlands Lohnzurückhaltung.

Cargoschiff schwer beladen © Bild: Thinkstock/ Gary Blakeley


"Die boomenden Geschäfte mit großen Schwellenländern wie China lassen den Anteil der Euro-Länder an den deutschen Warenexporte kontinuierlich sinken", sagte der Außenhandelsexperte des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Ilja Nothnagel. "Beschleunigt wird dieser Trend durch die Schuldenkrise, wegen der die Exporte in Krisenstaaten eingebrochen sind." So fielen die Ausfuhren nach Italien in den ersten neun Monaten um mehr zehn Prozent, die nach Spanien um rund elf Prozent.

Der DIHK geht davon aus, dass die Euro-Länder weiter an Gewicht für die deutschen Unternehmen verlieren werden. "Schon 2015 könnte ihr Anteil unter 35 Prozent fallen", sagte Nothnagel. "Es wird schon allein deshalb für die Eurozone sehr schwierig werden, Anteile zurückzugewinnen, weil die großen Schwellenländer so schnell wachsen." Besonders China wird immer wichtiger: 2007 gingen lediglich 3,1 Prozent der Exporte dorthin, bis 2011 hat sich der Anteil auf 6,1 Prozent fast verdoppelt. Für Unternehmen wie die Autobauer Volkswagen , Audi und Porsche ist die Volksrepublik bereits der wichtigste Absatzmarkt.


Trotz der Krise in der Währungsunion rechnet der Branchenverband BGA mit Rekordumsätzen. In der Nacht zum Dienstag werde die Schallmauer von einer Billion Euro geknackt, sagte BGA-Präsident Anton Börner. Demnach werden die Ausfuhren 2012 um vier Prozent auf 1.103 Mrd. Euro steigen, bekräftigte der BGA seine Prognose. 2013 sollen die Geschäfte mit fünf Prozent noch etwas kräftiger zulegen. 2011 war erstmals die Billionen-Grenze geknackt worden. Zusammen mit den Importen soll der deutsche Außenhandel in diesem Jahr zum ersten Mal die Zwei-Billionen-Marke übertreffen.

Gewerkschaft kritisiert Lohnzurückhaltung

Die Lohnzurückhaltung der vergangenen Jahre in Deutschland hat laut einer Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung die Stabilität in der Eurozone belastet. Hohe deutsche Exportüberschüsse entständen "auf Pump, auf den Schulden der anderen Länder", sagte Gustav Horn, wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Stiftung am Montag in Berlin.

Deutschland ist nach Ansicht der IMK-Forscher auch wegen der Lohnzurückhaltung der vergangenen Jahre zwar ein Land mit hoher Wettbewerbsfähigkeit. "Die Kehrseite ist eine relativ schwache Entwicklung bei Löhnen und Binnennachfrage", sagte Horn. Die deutschen Leistungsbilanzüberschüsse setzten die Partner in der EU unter großen Druck. "Und das macht es so schwer, die Krise im Euroraum zu bewältigen."

Exporte auf Pump

Deutschland lag nach dem Report des IMK im vergangenen Jahr mit der Höhe seiner Arbeitskosten in der Privatwirtschaft auf Rang sieben der 27 EU-Länder. Das war der gleiche Rang wie 2010. Sowohl vor der internationalen Finanzkrise von 2000 bis 2008 als auch von 2008 bis 2011 seien die deutschen Arbeitskosten jedoch weniger stark gestiegen als im Mittel der Europäischen Union und der Eurozone.


Höhere Arbeitskosten als in Deutschland gab es laut der Studie in den Benelux-Staaten, Schweden, Dänemark und Frankreich. Spitzenreiter war demnach Belgien mit 39,30 Euro je geleisteter Arbeitsstunde. Am wenigsten kostete Arbeit mit 3,50 Euro je Stunde in Bulgarien.

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