Anpfiff für das digitale TV-Match

Die fünfmonatige Wechselphase zwischen Noch- und Bald-Generaldirektor lähmt die Gefechtsfähigkeit des ORF wie ein Systemerhalter-Modus das Bundesheer. Unterdessen entstehen für ihn quer durch Österreich neue Bewegtbild-Fronten.

von Anpfiff für das digitale TV-Match © Bild: Gleissfoto

Erst kommt „Vorarlberg live“. Weiter geht es mit „Tirol live“. Schließlich folgt noch OÖN TV. Zwei lange Interviewformate und eine regionale News-Sendung mitten in der Todeszone. So nennen sie im ORF seine quotenschwache Zeit vom Spätnachmittag bis zu „Bundesland heute“. Ausgerechnet dort entstehen zuhauf neue Bewegtbild-Fronten. Weit weg von Wien, wo neben Servus TV, Puls 4, ATV und oe24 noch deutlich kleinere Sender am großen Fernsehkuchen knabbern – von W24 über Okto bis zum Bezirksblatt TV. Und am früher ruhigen Wochenende kommt hier nun auch noch der „Club 3“ dazu. Samstag um 20.15 Uhr, wenn außer „Wetten, dass..?“ fast alles floppt. Noch eine Todeszone.

Beginnen wir mit Letzterem: Die bösen Zungen der lieben Konkurrenz sagen, der „Club 3“ laufe unter Ausschluss der Öffentlichkeit, obwohl in den bisher elf Folgen von Sebastian Kurz und Werner Kogler bis zu Pamela Rendi-Wagner und Manfred Haimbuchner viel Spitzenpolitik zu Gast war. Schon zum Start mit dem künftigen ORF-Chef Roland Weißmann gab es eine spannende Wettbewerbssituation. Dennoch bestreiten nicht einmal die Macher das – vornehm formuliert – zahlenmäßig geringe Live-Publikum.

Doch darauf kommt es vorerst weniger an. Die heimliche Sensation des Formats sind weder Gäste noch Quote, sondern das Gastgebertrio. Die Ursache dafür ist weniger Moderatorin Katia Wagner als die Fragesteller des Kreuzverhörs – im Bestfall Klaus Herrmann, Martina Salomon und Christian Rainer, Chefredakteure von „Krone“, „Kurier“ und „profil“. Das sind zwar die Marken-Trümpfe des größten privaten österreichischen Medienhauses, Mediaprint, doch sie galten als unversöhnlich verkracht. Nun treten sie nicht nur gemeinsam auf, sondern bewerben unisono den „Club 3“ in ihren Blättern.

Das sollte weniger bei den Print-Mitbewerbern als beim ORF alle Alarmglocken schrillen lassen. Das ungleiche Terzett hat in diesem Jahrtausend auf Papier mehr Leser verloren als seine Konkurrenz – von 2005 noch brutto 4,3 auf nun 2,7 Millionen. Das liegt aber vor allem daran, dass die „Krone“ die weitaus größte Tageszeitung und der „Kurier“ in Urzeiten ihr Vorgänger war. Inzwischen haben beide im Digitalangebot rasant aufgeholt und liegen Kopf an Kopf hinter dem ORF. Und im Dreieck mit dem Image-Bringer „profil“ erreichen sie heute ein komplementär zusammengesetztes Gesamtpublikum. Unabhängig von seinem Seher(miss)erfolg könnte der „Club 3“ zum Schlüssel für ein gemeinsames TV-Angebot der drei Marken dahinter sein. Als Vorbild für eine Fusion von Krone TV und dem Schau TV des „Kurier“ gilt der Radiosender Kronehit. Auch hier wurde einst dem besseren Frequenzangebot (RpN) der stärkere Name verpasst. Im Fernsehen käme das Prestige des „profil“ als Turbo dazu.

Solche Reputationsfaktoren sind auch Antrieb für Angriffe auf „Bundesland heute“ von Linz bis zum Bodensee. OÖN TV, „Tirol live“ und „Vorarlberg live“ stammen von den dominanten Marktführern „Oberösterreichische Nachrichten“, „Tiroler Tageszeitung“ und „Vorarlberger Nachrichten“. Im Ländle hat der umtriebige „VN“-Chefredakteur Gerold Riedmann schon beziffert, was das bringt: Die im Herbst 2020 gestartete werktägliche 45-Minuten-Sendung ab 17 Uhr verzeichnet über 50.000 Online-Abrufe pro Ausgabe. Die dauerhaft verfügbaren Videos lassen sich zwar nicht direkt mit Live-TV-Reichweite vergleichen, zeigen aber eine Größenordnung: „Vorarlberg heute“, neben dem Kärntner das erfolgreichste derartige ORF-Magazin, hat nur an wenigen Tagen eine sechsstellige Seherzahl.

Diese Regionalfenster sind neben der „Zeit im Bild“ das stärkste kontinuierliche öffentlich-rechtliche Fernsehangebot. Laut Ex-Stiftungsrat Matthias Limbeck ist aber das Budget der Landesstudios seit 2012 von 120 auf 111 Millionen Euro geschrumpft. Sie drohen, kaputtgespart zu werden, während am Küniglberg der zentrale Newsroom um 300 Millionen entsteht. Neben dem harten Heimspiel gegen das lineare Privat-TV stehen General in spe Weißmann schwere digitale Auswärtspartien bevor.