Medial
Web-Inquisition
Ist Meinungsterrorismus die richtige Antwort auf Hasspostings im Internet?
Es ist eine Art pseudolinke Web-Inquisition, die sich dieser Tage auf Facebook formiert hat, um Jagd auf braunes Gedankengut zu machen. Eine Gruppe selbsternannter Toleranzkämpfer will das Netz schöner, besser und sauberer machen, indem sie „menschenverachtende Postings“ aufspürt, beim Verfassungsschutz anzeigt und den Arbeitgeber des Verfassers informiert. Auf ihre Erfolgsliste können sich diese Inglourious Web-Bastards jenen 17-jährigen Porsche-Lehrling schreiben, der in der Vorwoche nach einem rassistischen Hassposting seine Lehrstelle verlor. Auch eine führende Mitarbeiterin einer Supermarktkette steht nach einem abstoßenden Facebook-Posting, in dem sie sich ein Feuer im Flüchtlingslager Traiskirchen wünschte, ohne Job da. Nach dem Prinzip der Blutrache feiern die zahlreichen Sympathisanten der geheimen Facebook-Jagdtruppe in diversen Foren den Punktesieg gegen den Rassismus. Die Diskussion darüber, ob der Jobverlust eine angemessene Sanktion für die Verfehlung eines Jugendlichen ist oder ob der Aufruf zum Denunziantentum die geeignete Antwort auf fremdenfeindliches Gedankengut sein kann, lassen sie erst gar nicht zu. Wer nicht der Meinung ist, dass das „kinderverbrennende Nazi-Schwein“ bekommen hat, was es verdient, läuft selbst Gefahr, sich am Marterpfahl der Wut-Netzgemeinde wiederzufinden. Freiheit ist dann eben nicht mehr auch die Freiheit der Andersdenkenden.