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Eine unermesslich große Liebe
Heinz Sichrovsky erinnert sich an Ursula Voss
Keinen Satz habe ich öfter von ihr gehört in neunzehn Jahren Freundschaft, denen acht Jahre fortschreitend freundschaftlicher Bekanntschaft vorausgegangen waren: „Ich geb dir Gert.“ Der Stolz, das Privileg eines Gesprächs mit Gert Voss gewähren zu können, war so groß wie die Zärtlichkeit, mit der sie ihm den Hörer weiterreichte. Und als er fort war, blieb er ein überlebensgroßer Anwesender. Fragen nach ihrem Befinden wies sie fast verwundert zurück, so wie den hilflosen Appell, doch bei den Kindern und dem Enkel Halt zu suchen. Das Staatsbegräbnis, wegen der Theaterferien zwei Monate nach seinem Tod, war eine Unausdenkbarkeit, auf die sie die letzte Kraft verwendete. Dann der Triumph seines letzten Films und das Gelingen des von ihr edierten Prachtbandes der Berliner Akademie: Dass er das nicht mehr erleben durfte, stürzte sie in noch größere Verzweiflung. Wenn wir zuletzt sprachen, weinte sie oft. Sie war, und das ist im Wortsinn zu verstehen, in ihm aufgegangen, ungeachtet einer tadellosen Laufbahn als Dramaturgin. George Taboris behutsame und doch radikale Dekonstruktionen klassischer Werke – etwa sein nie recht gewürdigter „Nathan“ – trugen ihre Handschrift. Zuletzt rief sie mich an, um mir zu sagen, dass sie im Krankenhaus läge. Ein altes Nierenleiden wäre zurückgekommen. Die Größe dieser Liebe war unermesslich. Ich werde beide nie vergessen.