Warum weiß ich nicht, ob ich dich liebe?

Serafina liebt Mark. Sie verbringen viel Zeit miteinander. Aber er ist sich noch unsicher, weshalb er momentan nur eine Freundschaft plus für möglich hält. Narzisstischer Größenwahn und der Drang zur Selbstoptimierung stecken oft hinter der Bindungsangst. Denn es könnte ja immer noch was Besseres nachkommen.

von Liebes Leben - Warum weiß ich nicht, ob ich dich liebe? © Bild: Nathan Murrell

"Es geht mir zu schnell, als dass ich mir mehr vorstellen könnte", urteilt Mark in der Paartherapie, zu der ihn Serafina überredet hat. Für sie stehen alle Zeichen auf Liebe. Von der Therapie erhofft sie sich, dass er seine Bindungsangst verliert und sich zu den Gefühlen bekennt, die ja da sind. Serafina geht einen Schritt weiter und sagt: "Ich weiß, dass du mich liebst. Nur du willst es nicht wahrhaben."

Und Mark? Er ist in einem Dilemma, da er auch sein Verhalten als das eines verliebten Menschen gelten lässt. Er denkt viel an Serafina, sieht sie jeden Tag und trägt sie auf Händen. Auch das Liebesleben ist für beide mehr als erfüllend. Aber er sei noch nicht bereit für die Liebe. Wie bitte? Menschen wie Serafina verstehen die Welt nicht mehr. Alles könnte perfekt sein, wenn, ja wenn nicht diese eine haarige Sache wäre: ein Gefühlschaos oder dieser für den Adressaten so schmerzende Satz: "Irgendwie fühlt es sich (noch) nicht richtig an." Woran liegt das, dass immer mehr und vor allem junge Paare zwischen zwanzig und dreißig gegenüber aufkochenden Verliebtheitsgefühlen skeptisch sind und das eher als Durchgangssyndrom denn als Vorzeichen wahrer Liebe abtun? Eine Antwort, die ich in meinen Praxen häufig gebe: Wir leben in einer Liebeswelt der unendlichen Möglichkeiten. Wenn schon Single-Frauen den Eiffelturm heiraten und Männer mit ihren Spielzeuglokomotiven erotische Beziehungen aufbauen, darf uns auch nicht überraschen, dass es gemischte, also auf Englisch Mixed Singles gibt, Mingles genannt. Die genau das beanspruchen, wovon jeder insgeheim träumt: auf allen Hochzeiten zu tanzen, ohne sich faktisch zu binden.

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Soll heißen: Mal bin ich Single und mal mit meinem Freundschaft-plus-Standby-Partner ein verliebtes Paar, aber eben nur vorübergehend. Der Vorteil: keine Verantwortung übernehmen oder Bindung eingehen zu müssen. Der Nachteil: sich auf nichts verlassen zu können, keine tiefen Gefühle zu entwickeln und, wenn doch, zu leiden bis zum Geht-nicht-mehr. Diese Mischbeziehungen, die weder Fisch noch Fleisch noch Veggie sind, lassen nur zum Schein alles offen. Sie bringen einen eher in ein Gefühlslabyrinth wie bei Serafina und Mark.

Diese beiden trennen sich, da sie nicht versteht, warum er etwas Freundschaft plus nennt, das doch Potenzial zur wahren großen Liebe hätte. Mark ist ein typischer Vertreter des Optimierungswahns. Es könnte ja, wenn er "bereiter als nur bereit" wäre, etwas Besseres und Passenderes kommen als das jetzt. Die Never-ending Story der Partnersuche geht in die nächste Runde.

Mein Rat: das Karussell schnellstmöglich verlassen und Mut zur Bindung haben. Ansonsten wird die Liebe zerdacht. Und das Liebesleben zum Opfer des Optimierungswahns, statt einfach nur gelebt zu werden.

Prof. Mag. Dr. Monika D. Wogrolly, Philosophin und Psychotherapeutin