Reiche Gegend: Suizid-Gefahr?

Reiche Nachbarschaften verzeichnen mehr Selbstmorde - Ungleichheit als Ursache

Bewohner reicher Nachbarschaften sind in den USA erstaunlich stark gefährdet, Suizid zu begehen. Zu diesem erstaunlichen Ergebnis kam eine Studie der San Francisco Federal Reserve (Notenbank). Ärmere Menschen haben zwar generell ein höheres Risiko Selbstmord zu begehen, als reichere Menschen. Aber wichtiger als das individuelle Einkommen scheint der Vergleich mit den Nachbarn zu sein, so das Ergebnis der wissenschaftlichen Arbeit. Da sich viele Personen primär mit ihrer unmittelbaren Umgebung vergleichen, stellt eine besonders reiche Gegend offenbar für viele eine zusätzliche Belastung für die Psyche dar.

von Stockbild einer Villa im US-Bundesstaat Massachussetts © Bild: Corbis

Die Studie „Relative Status and Well Beeing: Evidence from U.S. Suicide Deaths“ kommt zum Schluss, dass Menschen, die weniger verdienen als ihre Nachbarn, ein höheres Selbstmordrisiko haben. Obwohl ihr eigenes Wohlbefinden natürlich nichts mit der Lage ihrer Nachbarn zu tun hat, stellt der Vergleich offenbar eine Belastung dar.

Steigt das Einkommen der Nachbarschaft um 10 Prozent, während das eigene Einkommen stabil bleibt, erhöht sich die Selbstmord-Wahrscheinlichkeit um 4,5 Prozent. Insgesamt zeigt sich dabei, dass Bewohner reicher Viertel, ein höheres Suizidrisiko als Einwohner ärmerer Gegenden haben.

Höhere Gefahr trotz besserer Gesundheitsversorgung

Denn eigentlich sind reiche Wohngebiete in den USA – und die Studie bezieht sich ausschließlich darauf – wesentlich besser mit medizinischen und somit suizidpräventiven Einrichtungen ausgestattet, als arme Gegenden. Würde man diesen Faktor herausrechnen, wäre die höhere Suizidrate in wohlsituierten Vierteln vermutlich noch deutlicher sichtbar.

Klar ist auch, dass Menschen die Möglichkeit haben, wegzuziehen. Viele machen das auch, wenn sie sich eine Gegenstand nicht mehr leisten könnten, oder sie der höhere Wohlstand der Anderen stark unter Druck setzt. Auch dieses Verhalten dürfte die Selbstmord-Wahrscheinlichkeit reduzieren und ist ein weiterer Hinweis darauf, dass die Beziehung zwischen dem relativ höheren Wohlstand der Nachbarschaft und der eigenen Suizid-Wahrscheinlichkeit in Wirklichkeit noch enger ist.

Ungleichheit und Unglück

Schon seit längerem deuten Studienergebnisse darauf hin, dass steigende Ungleichheit zu steigendem Unglück führt. Zwar steigt die Zufriedenheit von Menschen mit steigendem Einkommen. Allerdings nur bis zu einem gewissen Punkt, dann gibt es keine weitere Steigerung mehr. Allerdings kehrt Ungleichheit diese Effekte teilweise wieder um. Da Menschen sich primär mit ihrer unmittelbaren Umgebung vergleichen und nicht mit der Gesamtbevölkerung, leiden auch Reiche unter steigender Ungleichheit. Da es in ihrer Nachbarschaft zumeist Menschen gibt, die noch deutlich mehr als sie selbst besitzen.

Ein Umstand der für Europa genauso, wie für die USA gilt. Die psychische Belastung durch Ungleichheit, die sowohl Arme als auch Reiche trifft, ist inzwischen auch in Europa gut untersucht. Ob es den festgestellten Zusammenhang zu Suiziden auch gibt, muss hingegen erst in eigenen Forschungsprojekten festgestellt werden.

Betrachtet man die Gesamtbevölkerung, so haben laut der US-Studie Arbeitslose ein deutlich erhöhtes Suizid-Risiko als Menschen mit Arbeit. Am höchsten ist Risiko von Personen die nicht arbeiten können, gefolgt von Arbeitslosen, und Pensionisten und Personen die zwar Arbeit haben aber ihr vorübergehend nicht nachgehen können. Schließt man alle anderen Faktoren aus, so liegt das Suizid-Risiko von Arbeitslosen 72 Prozent höher als das von Personen mit Arbeit. Suizide sind außerdem bei Personen die weniger als 20.000 Dollar verdienen wahrscheinlicher als bei Personen die mehr als 60.000 Dollar im Jahr verdienen. Danach gibt es kein weiteres Absinken des Suizid-Risikos.

Keine Auswirkung bei generellen Schocks

Laut den Daten der Forscher wirken sich hingegen kollektive Einflussfaktoren die alle betreffen, beispielsweise das Schließen einer Fabrik in der Nachbarschaft, kaum auf die Suizid-Statistiken aus. Denn die Lebenssituationen ändern sich dann für alle, im Vergleich zu den Nachbarn ändert sich die Situation hingegen nicht.

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