Sexy im Schlabberlook

Paul legt Wert auf gutes Aussehen. Alina mag's zu Hause lieber bequem und bevorzugt übergroße Strickpullis und Jogginghosen. Die Frage ist: Kann ein Anblick im Jogginganzug die Liebe und das Begehren auslöschen

von Dr. Monika Wogrolly © Bild: Matt Observe/News

Paul fühlt sich durch Alinas Schlabberlook in seiner Männlichkeit beschnitten: Wie soll er bei diesem Anblick erregt sein und mit ihr schlafen? Und Alina wirft ihm vor, er würde antifeministisch sein und Frauen als Objekte betrachten. Offenbar sei sie ihm zu wenig sexy, wenn sie sie selbst sei. "Braucht es Miniröcke, Strümpfe und High Heels, dass du als Mann auf mich reagierst?", fragt sie wütend in einer Paartherapiesitzung. Aber lassen wir die Kirche im Dorf. Und vorerst den Jogger im Kasten.

Paare wie dieses stecken in einer Beziehungskrise, deren Kernsatz ist: "Was bin ich dir wert?" oder auch: "Bin ich dir gut genug?" Frauen wie Alina leiden unter dem Eindruck, ihre Partner würden -in Wahrheit - nicht sie, sondern nur das Drumherum, das sexy Outfit, Reizwäsche, Dessous und Strapse begehren. Weshalb es in Partnerschaften häufig zu einer Umkehr des Fashionstils kommt und gerade jene, die perfekt gestylt bis in die Zehenspitzen waren und sogar beim Küssen am liebsten Lippenstift nachgezogen hätten, mithin eine radikale Veränderung durchmachen. Und auf einmal wird Paul von seiner Partnerin nicht mehr im Etuikleid, sondern in Oversize-Klamotten empfangen, ohne Glamour und Pepp. Findet zumindest Paul. Aber die Geschichte geht noch weiter. Nach zwei Beziehungsjahren wirft sie ihm Nachlässigkeit vor, da er stets vergesse, die Klotür zuzumachen. Wie rücksichtslos!

Und jetzt der Deal: Paul bietet an, sich räumlich abzugrenzen, wenn es um seine natürlichen Stoffwechselvorgänge geht. Aber Alina, so bittet Paul, möge sich im Gegenzug wieder in sie selbst verwandeln, in jene sinnliche Frau, die er auch, nicht nur, wegen ihres Outfits und Stylings begehrte. Es geht hier nicht nur um Dresscode und Manieren. Es geht um etwas noch viel Wichtigeres: um Wertschätzung. Bereitet sich Ihr Partner oder Ihre Partnerin noch die Mühe, Ihnen gefallen zu wollen? Oder ist das kribbelnde Bauchgefühl der Verliebtheit komplett versandet? Und stellt sich Gleichgültigkeit ein, was der andere über Sie denkt und was er bei Ihrem Anblick empfindet?

So tun Sie was fürs Liebesleben: Besprechen Sie -ja, tun Sie das bitte noch bei nächster Gelegenheit -einen Dresscode. Wichtig: nicht im Befehls-sondern im Wunschmodus formulieren. Und situationsbezogen: Wann und wo ist bequeme Freizeitmode angesagt? Wann und wo wollen Sie sich elegant oder sexy zurechtmachen? Und ist das denn so schwer, dem Partner dieselbe Achtung und Aufmerksamkeit entgegenzubringen, wie dereinst, als Sie ihm oder ihr noch gefallen wollten? Ausgenommen den Fall, dass die Bedürfnisse kleiner Kinder jeden Versuch, einen figurbetonten Bekleidungsstil zu forcieren, ad absurdum führen würden, gilt es in dem Zusammenhang, weder zu übertreiben noch alles zu verzichten. Sprechen Sie darüber, was Ihnen gefällt, aber ebenso über alles, was Ihnen missfällt. Als häufige Liebestöter werden neben Rülpsen häufig auch kein Blickkontakt, das fehlende Lächeln, Furzen und andere Unachtsamkeiten genannt. Respekt vor den Wünschen und Träumen des Partners oder Partnern ist das Fundament einer haltbaren Liebe. Daher reden Sie auch über einen Dresscode fürs Bett. In einer Paartherapie schockierte ein Mann nach 20 Ehejahren seine Frau mit dem wohlgehüteten Geheimnis, ihr Nachthemd sei stets ein Liebeskiller für ihn gewesen. Hätte er das schon deutlich früher gesagt, wie anders wäre das Liebesleben verlaufen! (Tat er nicht, um sie nicht zu verletzen. Dann war jedoch die Kränkung nach dem so spät erfolgten Outing umso heftiger.) Und jetzt? Unterhalten Sie sich im Interesse Ihres Liebeslebens mit ihm oder ihr über Ihren Dresscode in jeder Lebenslage.

Prof. Mag. Dr. Monika D. Wogrolly, Philosophin und Psychotherapeutin Haben Sie noch Fragen? Schreiben Sie mir bitte: praxis@wogrollymonika.at