Wir wohnen uns arm

In den vergangenen zehn Jahren stiegen die Mieten in Österreich um die Hälfte

von In den vergangenen zehn Jahren stiegen die Mieten in Österreich um die Hälfte © Bild: Corbis

Vor gut einem Jahr kamen die Zwillinge Armin und Roman zur Welt. Und bereits seit damals suchen Edith S. und ihr Lebensgefährte Wolfgang eine größere Wohnung. Schließlich wohnen sie jetzt zu fünft auf 85 Quadratmetern – Stau- Alarm. Der Traum der Familie ist eine 5-Zimmer-Wohnung, da Wolfgang als Hochbauplaner öfters von zuhause aus arbeiten möchte.

„Am freien Markt kosten diese Wohnungen mindestens 1.300 Euro monatlich“, sagt Edith S. Wohlgemerkt in Wien- Meidling – und nicht, wie derartige Mietpreise vielleicht vermuten lassen, in einem Nobelbezirk. Die Familie will keinen Garten, braucht keinen Balkon. Einzig eine gute Anbindung an Öffis ist ihr wichtig: „Wir haben ja kein Auto, und wir wollen auch keines.“ Wie der Wiener Familie ergeht es derzeit vielen, die auf Wohnungssuche sind. Das Angebot ist bescheiden, und wenn, sind die Preise viel zu hoch. Die Mieten stiegen österreichweit in den vergangenen Jahren um 46 Prozent, in Wien sogar um 50 Prozent. Die Prognosen für 2013 sind für Wohnungssuchende wenig erfreulich. Laut Immobilienfirma Re/Max Austria werden Mietwohnungen in zentraler Lage immer rarer. Und das wird sich zweifelsohne erneut in einer Preiserhöhung niederschlagen.

Zu wenig Angebot für Familien.

Doch für viele ist Wohnen bereits jetzt kaum leistbar, fressen doch Horrormieten und explodierende Betriebskosten den Großteil des Haushaltseinkommens auf. Gerade Jungfamilien auf der Suche nach einer größeren Wohnung stoßen immer öfter an die Grenzen ihres Budgets.

Eine Erfahrung, die auch Familie Heiss-Winter machen musste. Noch ohne Kinder zogen Marcus Heiss und seine Lebensgefährtin Andrea Winter in eine 63-Quadratmeter- Wohnung mit befristetem Vertrag. Die monatliche Miete: stolze 750 Euro. Als dann die Kinder Flora (heute 3) und Oskar (8 Monate) auf die Welt kamen, wurde es eng. Andrea Winter: „Oskar schläft bei uns im Schlafzimmer. Flora im fünf Quadratmeter großen Kabinett.“ Die Situation verschärft sich, da der Mietvertrag bald ausläuft. Die Familie sucht daher bereits seit mehr als einem Jahr eine neue Bleibe – bisher ohne Erfolg.

1,6 Millionen der österreichischen Haushalte sind in Mietwohnungen. „Gerade für Familien gibt es zu wenig Angebot“, bestätigt Bernhard Reikersdorfer, Geschäftsführer von Re/ Max. „Der Großteil der Wohnungen, die über Makler vermittelt werden, sind 50 bis 70 Quadratmeter groß und für Ein- bis Zweipersonenhaushalte ausgerichtet“, so der Immobilienexperte. Für Paare mit zwei und mehr Kindern gibt es so gut wie kein Angebot am Markt.

Innsbrucker Mietpreis-Wahnsinn.

Nicht nur Familien, sondern auch Studenten wie Stefan Frischauf verzweifeln bei der Wohnungssuche. Der Innsbrucker und seine Freundin wären bereit, 750 Euro für 50 Quadratmeter zu bezahlen. Doch selbst mit diesem Budget sucht Frischauf seit Monaten vergeblich. Wenig verwunderlich, schnellten doch die Mieten in Innsbruck in den vergangenen Jahren extrem in die Höhe. Waren es im Jahr 2007 noch 8,20 Euro pro Quadratmeter, explodierte der Preis im vergangenen Jahr. 9,90 Euro sind jetzt der Durchschnitt. Tendenz steigend.

„Hier zahlt man teilweise für 40 Quadratmeter über 700 Euro Miete“, so Frischauf. Nachsatz: „Und das ist dann nicht einmal eine schöne Wohnung. Im Gegenteil: Die Objekte sind teilweise echte Löcher.“ Der Student ist überzeugt: „In Innsbruck kommt man nur mehr über Kontakte und Beziehungen zu einer leistbaren Unterkunft.“

Oft illegale Zuschläge.

Selbst Wohnungen, für die der Richtwertzins gilt (die also nur zu einem festgelegten Quadratmeterpreis vermietet werden dürfen), sind meist deutlich überteuert. Der Grund: Manche Vermieter verrechnen illegale Zuschläge. Keine Einzelfälle. Die illegalen Praktiken verzeichnen einen deutlichen Anstieg. So darf zum Beispiel für ein getrenntes WC oder für eine voll ausgestattete Küche kein Zuschlag verlangt werden. Erlaubt, aber nicht immer gerechtfertigt ist ein Zuschlag für eine besondere Ruhelage oder einen schönen Fernblick. Liegt eine Wohnung allerdings straßenseitig im 2. Stock, empfiehlt sich ein Beratungsgespräch bei einem Mietexperten, um den Vertrag überprüfen zu lassen. Nicht selten können dadurch bis zu 2.000 Euro pro Jahr gespart werden.

Genau das hat Katrin Kessler gemacht. Die 22-jährige Studentin zahlte gemeinsam mit ihren zwei WG-Kolleginnen 690 Euro monatlich für eine 75-Quadratmeter-Wohnung in Wien. Das erschien ihr zu viel, sie wandte sich an die Schlichtungsstelle. Resultat: Ihre Vermieterin hatte illegale Zuschläge, zum Beispiel für einen Parkettboden, verrechnet. Die Miete hätte deshalb laut Gutachter nur rund 300 Euro monatlich betragen dürfen. Immerhin eine Ersparnis von 390 Euro.

Neben den explodierenden Mietpreisen treiben auch die jährlich steigenden Betriebskosten viele Familien in die Armutsfalle. So muss die Grazerin Andrea Aellinger monatlich zusätzlich zur Miete (928 Euro für 95 Quadratmeter) mehr als 600 Euro für Wasser, Strom und die Ölheizung bezahlen. „Wir sind sehr sparsam, aber bei sechs Kindern im Haushalt muss ich täglich fünf Waschmaschinen voll Wäsche erledigen“, sagt sie. Zusätzlich wurde die Wohnbeihilfe gekürzt. Daher muss die Großfamilie seit Herbst mit monatlich 60 Euro weniger auskommen.

30.000 Delogierungsanträge.

Wenn Nebenkosten das meiste im Leben kosten – dann wird es für manche sehr eng. So schätzt der Mieterschutzverband Österreich, dass aktuell 30.000 Anträge auf Delogierung bei heimischen Gerichten liegen. „Viele kommen unverschuldet in diese Situation, etwa durch Arbeitslosigkeit oder Krankheit“, sagt Barbara Walzl-Sirk vom Mieterschutzverband. Außerdem werden die Vermieter immer härter und sind nicht mehr bereit, vorübergehende Mietausfälle zu akzeptieren. Denn sie wissen: Der Immobilienmarkt ist angespannt. Gerade für billigere Wohnungen findet sich sehr rasch ein Nachmieter, der meist sogar bereit ist, mehr zu bezahlen.

Ein weiterer Unsicherheitsfaktor sind befristete Mietverträge. Michael Ludwig, Wohnbaustadtrat in Wien: „Etwa 55 Prozent aller privaten Neuvermietungen sind befristet.“ Die durchschnittliche Laufzeit dieser Verträge liegt bei unter fünf Jahren. Wird danach nicht verlängert, droht eine neuerliche Wohnungssuche.

500.000 Wohnungen fehlen.

In den nächsten zehn Jahren, so warnt die Arbeiterkammer, müssten bundesweit jährlich 50.000 neue Wohnungen gebaut werden. Patrick Schenner, Geschäftsführer der Immobilienplattform ImmobilienScout 24, ergänzt: „Der Zuzug in die Städte verschärft die Situation. Die Bautätigkeit hält damit nicht Schritt.“

Allein im vergangenen Jahr errichtete die Gemeinde Wien 1.800 Wohnungen weniger, so Michael Ludwig, der den Grünen die Schuld daran gibt. Denn diese würden notwendige Umwidmungen verhindern. Die Bundespolitik ignoriert das Problem der Horrormieten ohnehin zur Gänze. Die einzige Politikerin in Österreich, die sich des Themas glaubwürdig annimmt, ist die Grazer Kommunistin Elke Kahr. Mit Erfolg: 20,1 Prozent erreichte die KPÖ bei der Gemeinderatswahl vergangenen Herbst und Platz 2.

Wartezeit: 1,5 Jahre.

Da es auf dem freien Markt aussichtslos ist, eine Wohnung zu finden, haben sich Edith und Wolfgang S. bei unzähligen Genossenschaftsprojekten angemeldet. Fakt ist: Wer sich nicht innerhalb von Stunden nach Bekanntgabe eines neuen Projekts bewirbt, ergattert nur einen hinteren, aussichtslosen Platz auf den elendslangen Wartelisten. Eine zusätzliche Hürde ist der oft fünfstellige Genossenschaftsbeitrag, der vor Einzug bezahlt werden muss.

Als letzte Option holte sich das Paar mit den drei Kindern einen Vormerkschein für eine Gemeindewohnung. Seither zählen sie zu jenen 18.000 Wiener Haushalten, die durchschnittlich 1,5 Jahre auf ein neues Heim warten. Doch obwohl es in Wien 220.000 Gemeindewohnungen gibt, wird sich in Zukunft die Zeit bis zum Umzug nicht verkürzen. Denn der letzte neu errichtete Gemeindebau wurde im Jahr 2003 fertig gestellt, heißt es aus dem Büro von Wohnbaustadtrat Ludwig. Als Ausweg werden im Zuge von Sanierungen bestehender Bauten 660 neue Dachgeschoßwohnungen errichtet.

Die Stadt Wien hat Edith und Wolfgang S. übrigens vor einigen Wochen ein 110 Quadratmeter großes Zuhause angeboten. Das Paar konnte die Gemeindewohnung leider nicht nehmen. Die Miete hätte 930 Euro betragen. „Viel zu viel für unser Budget.“

Kommentare

DoubleDad

Hab mich in letzter Zeit mit dem Thema ein wenig auseinandergesetzt und auch die Arbeiterkammer fordert schon mit Artikeln und Aufrufen seit Monaten für eine Reform im Wohnbausektor.

http://www.arbeiterkammer.at/online/reform-der-wohnbaufoerderung-noetig-71354.html

Gutes Argument "cisc". Da fällt mir gerade ein, dass unsere Politiker unseren EU-Rabatt so gut es ging verteigt haben. Die paar Millionen werden durch Steuererhöhungen wieder eingenommen. Politik erhöht Steuern- Gemeinden erhöhen die Steuern- Vermieter erhöhen die Miete- Leitragenden sind wieder das Volk. Super gearbeitet, lieber Herr Faymann und Spindelegger.

es sind nicht nur die immobilienpreise, es ist die tendenz zum rentenkapitalismus der uns werktätigen das einkommen raubt. und keiner in der eu traut sich dagegen auftreten. die reichen werden immer reicher ohne nur irgendeine produktive leistung oder gar eine wertschöpfung zu bringen. das ist nur eine umverteilung, die bei spekulationen erreicht wird. wenn der ölpreis steigt wird die ölmenge nicht größer, wenn die immobilienpreise steiegn, gibt es kein haus mehr, wenn aktionkurse steigen wird die ag nicht größer. wenn jedoch das geld in die produktion investiert wird, dass kann wertschöpfug, wirtschaftswachstum entstehen und auch verteilt werden.

simm1111
simm1111 melden

Wahnsinn, zu fünft auf NUR 85m²= Staualarm!
Wir haben seinerzeit zu fünft auf 48m² gewohnt, das war eng ist aber auch gegengen, sicher haben wir dann eine größere Wohnung bezogen aber so übertreiben muss man nicht, wenn man es sich nicht leisten kann dann müssen auch 85m² reichen!!

jessi-fiy melden

kann da nur zustimmen. die meisten heutzutage leben sowieso über die eigenen verhältnisse!

btw würde es mich interessieren ob familienbeihilfe bei den aufgeführten netto einkommen mit eingerechnet wurde???

Ich finde es ungerecht, dass immer auf die Vermieter gezeigt wird, zu welchen überteuerten Preisen sie ihre Wohnungen darbieten. Denn wenn man sich überlegt wieviel Steuern Vermieter bezahlen müssen, ist das Vermieten höchstens ein Nullsummen-Spiel. Viele Vermieter lassen ihre Zweitwohnung auch lieber leerstehen, als das sie das Risko einzugehen eine Familie bei Zahlungsausfall mitzufinanzieren.

6 Kinder= fünf Waschmaschinenladungen täglich = sparsam????
Was müssen die sauber sein! Und wir seinerzeit, als es in Privathaushalten keine Waschmaschine gab, dreckig! Keine Frage, dass Wohnen für viele nahezu unerschwinglich geworden ist, aber ist es nicht auch so, dass sich nicht alle von denen arm WOHNEN, sondern auch arm LEBEN? Mit den Ansprüchen, die sie ans Leben stellen, auch wenn sie das alles nicht bezahlen können?

Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis. Künstliche Verknappung von Bauland führt zu sehr hohen Preisen nahe der großen Städte.

Die Lösung ist das "Solare Bauland". Flächenertrag wie eine Freifeldanlage, Pacht ist 50% des Stromertrags

http://politik.pege.org/2011-solares-bauland(

Indiana

was haben die Wohnungen vor der Euro-Einführung gekostet? ;) diese Währung ist die größte Verarsche an uns "Europäern"....und jetzt nicht kommentieren mit "wir müssen mit Wirtschaftsmachten wie den USA und China mithalten"....

2006 zahlten wir in wien für 1 schlafzimmer, whz, küche und bad 627€
das war für die whg damals gar net schlecht-5 zimmer für 1300€ oder 930€ für 110m² finde ich nicht so schrecklich

Marc 99 melden

Mieten sind hoch, ja richtig - und warum? Kleines Rechenbeispiel:
Investitionssumme für eine 100 m² Wohnung: 300.000
Grenzsteuersatz für einen österreichischen Durchschnittsverdiener: 43,21%
Gewünschte Kapitalverzinsung: 3 %
300.000 x 3 % = 9.000,- Um 9000,- bei 43,21 % Steuern zu erhalten muss die Jahresmiete 15.848,- betragen : 12 = 1.320,-

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Die Einkommenssteuer schafft auch ein Ungleichgewiecht zwischen Eigenbaderf und Renditeimmobilie.

Der Eigenbadarf kann nur mit versteuerten Geld erfolgen,
die Renditeimmobilie wird steuerlich begünstigt errichtet, besteuert wird erst der Mieterlös.

Freddy Niebauer
Freddy Niebauer melden

Dagegen scheint St. Pölten phasenweise echt günstig zu sein. Ich hab fast 90m2 und so eine Whg kostet hier im Schnitt zw. 700 und 800 Euro im Monat. Ich zahle 510,- (als ich eingezogen bin vor 5 Jahren waren es 450,-) und muss sagen da hab ich echt Glück gehabt. Ist übrigens eine privat vermietete Eigentumswohnung. Und auch kein Altbau, ist von 1989. hab aber auch schon 35m2 um 500 gesehen bei uns

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