Die (Ohn-)Macht der
neun ORF-Filialen

Die Wahl zum ORF-General entscheidet sich auch durch seinen Teamvorschlag. Dazu gehören die neun Landesdirektoren. Salzburgs Stiftungsrat bastelt besonders eifrig an einem Regionalpaket. Dass er Direktor werden will, ist „momentan kein Thema“.

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neun ORF-Filialen © Bild: Gleissfoto

Als Direktoren noch Intendanten waren, prägten einige ORF-Herren ihr Land auch kulturell: Hannes Leopoldseder war Mitbegründer von Ars Electronica und Linzer Klangwolke. Ohne Emil Breisach sind Steirischer Herbst und Grazer Forum Stadtpark kaum denkbar. Der ORF-Chefredakteur Josef Kuderna hat das Innsbrucker Kellertheater mitgegründet und die Tiroler Volksschauspiele mit ermöglicht.

Die aktuellen Landesleiter haben keine Verdienste als Kulturgurus. Sie sind persönliche Beispiele für den strukturellen Kulturwandel. Denn ihr Job ist ein anderer: Der Bedarf an Management und Repräsentation wächst, Handlungsspielraum und finanzielle Möglichkeiten sinken. Die Direktoren sind Verwalter des Mangels. Der Salzburger ORF-Stiftungsrat Matthias Limbeck sagt, das Budget der neun Landesstudios sei in den zehn Jahren von 2012 bis 2022 (Planungsstand) von 120 auf 110 Millionen Euro gesunken. Während die Anforderungen zur regionalen Produktion ständig steigen. Dies bestätigen alle routinierten Mitarbeiter von Dornbirn über Innsbruck bis Eisenstadt.


Nur in Vorarlberg, Tirol und Burgenland sind die Direktoren noch unter 60. Doch auch Markus Klement (45), Robert Unterweger (53) und Werner Herics (55) müssen bis zum 16. September bangen, wenn im ORF die Karten bis Anfang 2027 neu gemischt werden. Dann ist die Wahl der Direktoren, die der am 10. August gekürte General dem Stiftungsrat vorschlägt. Gäbe es eine Wettmöglichkeit auf alle Namen in diesem Teampaket, wäre die Quote astronomisch hoch. Denn so wie der Gesamtchef politischem Kalkül ausgeliefert ist, unterliegt seine Führungscrew parteilichen Unwägbar- keiten. Das gilt nicht nur für die Handvoll Topjobs auf dem Wiener Küniglberg, sondern mehr noch für die neun Regionalstatthalter. Sie stehen einerseits unter dem Damoklesschwert des Anhörungsrechts der Landeshauptleute. Soll heißen: Gegen sie geht nichts – und de facto nur extrem selten etwas. Zum anderen unterliegen sie dem Kalkül eines mühsam austarierten Paketangebots an die Partei(en), ohne das kein Generalskandidat eine Chance hat. Nach dem aktuellen Stand der Bewerbungen und Machtverhältnisse sind das bisher nur Alexander Wrabetz und die ÖVP.

Das betrifft vor allem Kärntens Karin Bernhard (noch 59) und Gerhard Koch (60) in der Steiermark. Denn für Wiens Brigitte Wolf (63), Niederösterreichs Norbert Gollinger (64) und vor allem Oberösterreichs Kurt Rammerstorfer (67) käme eine Nichtwiederwahl ohnehin zum regulären Pensionsalter. Ausgerechnet um Salzburgs Christoph Takacs (63), der knapp vor dieser Schwelle liegt, verdichten sich aber die Ablösegerüchte. Und die haben just mit dem schon erwähnten Stiftungsrat Matthias Limbeck zu tun. Er war federführend für ein soeben vorgelegtes Forderungspaket der neun Landesabgesandten an den nächsten ORF-General. Es beinhaltet vier Regionalminuten vor der „ZIB 2“ sowie mehr Geld, Personal und Eigenständigkeit für die Filialstudios. Die Landeshauptleute mögen ein solches Konzept. Es könnte geradezu von ihnen stammen. Das ist eine gute Voraussetzung für – Matthias Limbeck. Denn ihm werden Avancen auf den Salzburger Landesdirektor unterstellt.

Geht nicht, sagen Kenner des Corporate-Governance- Kodex: „Wer zum Zeitpunkt der Bestellung des Generaldirektors Mitglied des Stiftungsrats war, darf sich innerhalb von zwei Jahren ab dem Tag des Bestellvorganges des Generaldirektors nicht für eine Funktion im ORF bewerben und darf auch nicht bestellt werden.“ Geht doch, sagen Kenner der Wahl-Trickkiste. Und zwar so: Der umtriebige Limbeck sichere Wrabetz erst die Mehrheit, trete kurz vor der Wahl zurück und bewerbe sich gleich danach. Geht sowieso, sagen Experten für das österreichische Eingemachte. Denn „gibt’s nicht“ gibt’s nicht. Und was sagt Limbeck? „Das ist momentan absolut kein Thema.“ Der Fragesteller mag das „momentan“ in der mehrfach repetierten Antwort und ergötzt sich am jüngsten Gerücht: Wrabetz (61) solle wohl doch abgelöst werden. Die ÖVP strebe einen Generationswechsel an. Limbeck ist 57.