Lodenhersteller Steiner 1888: Warm angezogen in der Krise

Lodenhersteller Steiner 1888 ist seit 130 Jahren erfolgreich im Stoffgeschäft und lässt sich auch von der Coronakrise nicht unterkriegen. Über ein österreichisches Traditionsunternehmen und sein Wappnen gegen Wind, Wetter und Wirtschaftskrise.

von Traditionsunternehmen - Lodenhersteller Steiner 1888: Warm angezogen in der Krise © Bild: Steiner GmbH & Co KG

Als Franz Steiner im Jahr 1910 die Lodenwalke seines Onkels übernahm, war er bereits eine Legende. Ein Jahr zuvor hatte der begeisterte Bergführer mit seinem Bruder Irg als Erster die berühmte Dachstein-Südwand erklommen: in Lodenhosen aus der eigenen Produktion.

© Steiner GmbH & Co KG In bis zu 40 aufwändigen Schritten wird bei Steiner 1888 Wolle gesponnen, gewoben, gewalkt und endgefertigt

Dass das Walken von Stoffen gerade in dieser Region erfunden wurde, ist wenig überraschend. Die erbarmungslosen Wetterbedingungen erforderten strapazierfähige Kleidung. Somit war Steiner quasi sein eigenes Testimonial und unterzog seine Produkte gnadenlosen Härtetests. Vielleicht ist dieses tiefe Verständnis für den Stoff und seine Eigenheiten ein Grund dafür, warum das Familienunternehmen seit mehr als 130 Jahren und mittlerweile in fünfter Generation erfolgreich Wollstoffe herstellt und vermarktet.

Strapazierfähig und nachhaltig

1998 übernahmen Herbert und Johannes Steiner, die Söhne von Herbert und Willi Steiner, als Geschäftsführer in fünfter Generation das Unternehmen. 2001 entstand eine neue Interieur-Kollektion, die Marke Steiner 1888. Auch heute gilt das Unternehmen als erfolgreichster Lodenhersteller Österreichs und ist somit der beste Beweis dafür, wie "Glokalisation" funktionieren kann: "Seit jeher wird für den klassischen Loden die Schurwolle vom österreichischen Bergschaf verwendet. Für edlere Qualitäten nimmt man darüber hinaus auch feine Wolle von Alpakas, Merinoschafen, Angorakaninchen und Kaschmirziegen", erklärt Johannes Steiner. Strapazierfähigkeit und Funktionalität des Materials sind wesentliche Verkaufsargumente, denn Wolle ist nicht nur ein nachhaltiges Naturmaterial, sondern auch besonders atmungsaktiv und wärmend. "Grundsätzlich definiert sich gute Lodenqualität über die Mischung. Diese sollte möglichst zu 100 Prozent aus Wolle bestehen. Die Wollfaser ist im Inneren hohl, dadurch hat sie gute isolierende Eigenschaften. Sie hält die Körperwärme. Durch das Walken werden zusätzlich Lufteinschlüsse geschaffen, die diese Eigenschaft noch wesentlich verstärken. Durch die Hohlräume kann die Wolle auch sehr gut Körperschweiß aufnehmen und ist dabei atmungsaktiv, da dieser an der Stoffoberfläche verdunstet", erklärt Steiner. "Bevor sich Wolle feucht anfühlt, hat sie schon bis zu 40 Prozent ihres Gewichtes an Feuchtigkeit aufgenommen und wärmt trotzdem noch", so der Lodenexperte.

Wolle ist von Natur aus selbstreinigend, nimmt Gerüche schwer an und ist außerdem schwer entflammbar, was sie nicht nur zu einem hervorragenden Bekleidungsstoff, sondern auch interessant für den Wohnbereich macht. Allerdings halten eben nur hochwertige. "Es gibt auf dem Markt unzählige Mischungen mit Kunstfasern, um die Herstellungskosten zu drücken. Dies sind oft abenteuerliche Mischungen mit bis zu 60 Prozent Kunstfaseranteil. Ein Zuviel davon nimmt dem Lodenstoff natürlich diese positiven Eigenschaften der Wolle."

Zwischen Krise und Innovation

Obwohl Traditionsverbundenheit ein wichtiger Pfeiler des Unternehmens ist, will man beweisen, dass Loden vielseitig und vor allem auch abseits der Tracht einsetzbar ist. Trends wie Nachhaltigkeit und Regionalität spielen Steiner 1888 dabei in die Karten. Das Unternehmen weiß, dass es sich nicht auf vergangenen Erfolgen ausruhen darf, sondern innovativ bleiben muss: "Das Wichtigste ist, dass man sich nicht auf den Erfolgen der Vergangenheit ausruht und immer zukunftsorientiert denkt. In unserer über 130-jährigen Firmengeschichte haben wir uns immer wieder in neue Geschäftsfelder wie die eigenen Fashion-und Home-Kollektionen begeben. Loden als Bezugsstoff war und ist gerade in Corona-Zeiten ein wichtiger neuer Geschäftszweig."

© Marcel Koehler

Innovativ und zukunftsorientiert

Bezüge und Decken für den Schanigarten erweisen sich als Verkaufsschlager in einer Zeit, in der die Gastro besonders darauf angewiesen ist, Gäste auch in der kalten Jahreszeit outdoor bewirten zu können. Die Coronakrise ging am Traditionsunternehmen dennoch nicht spurlos vorüber, so Steiner. "Zuerst war natürlich die Frage am bedeutsamsten: Wie gehen wir mit den Shutdown um? Nach einer leichten Starre am Anfang machten wir uns schon sehr früh Gedanken, wie es auch mit einem erheblichen Umsatzrückgang wieder weitergehen kann. Alle Aufwendungen wurden und werden genau angeschaut. Was nicht betriebsnotwendig war, wurde eingespart. Abläufe wurden optimiert und in Produktentwicklung investiert. Seit März haben wir einen Umsatzrückgang von ca. 20 bis 25 Prozent erlebt, bis September waren wir in Kurzarbeit. Durch die coronabedingt stark schwankenden Wirtschaft ist es sehr schwierig, eine Planung abzugeben. Wir wissen nicht, was nächste Woche kommt, und versuchen, jeden Tag unser Bestes zu geben."

»Das Wichtigste ist, dass man sich nicht auf Erfolgen der Vergangenheit ausruht«

Johannes Steiner, Geschäftsführer von Steiner 1888

Der zweite Lockdown ist ein erneuter Rückschlag, aus dem man das Beste machen will: "Die Umsatzrückgänge im stationären Handel durch fehlende Mobilität und vor allem durch den fehlenden Tourismus am Land und in der Stadt sind natürlich enorm", beklagt Steiner. Trotzdem bleibt er optimistisch, vor allem, weil man sich auch online gut in Position gebracht hat: "Unser Webshop funktioniert sowohl in den Bereichen Bekleidung und Accessoires als auch bei Geschenken für Babys und Erwachsene, Pölstern und Kuscheldecken sehr gut."

© Steiner GmbH & Co KG

Kurzfristig will man also im Bereich der Heimtextilien und Bezugsstoffe zulegen. "In Obertauern und Südtirol sind zum Beispiel bereits die ersten Skilifte mit Lodenbezugsstoffen im Einsatz. Das erspart die Sitzheizung und ist nachhaltig", so Steiner. Auch im Fashion-Bereich will man gemeinsam mit dem neuen Designer-Team um Mastermind Christian Weber den Bekanntheitsgrad als Hersteller moderner Outdoor-Kollektionen erhöhen und sich auch im urbanen Bereich als Lodenmarke etablieren, erklärt Steiner. "Wir sind absolut überzeugt von Loden als Bekleidungsstoff. Die neue Damenkollektion hat sehr feminine und fließenden Schnitte - das hat nichts mehr mit dem schweren 'Wetterfleck' von früher zu tun", ergänzt Designer Christian Weber.

Im High-Fashion-Bereich ist der Lodenhersteller bereits viele Jahre ein wichtiger Handelspartner. Modehäuser wie Chanel, Louis Vuitton, Jil Sander, Hugo Boss, Kenzo oder Yves Saint Laurent schätzen die Widerstandsfähigkeit der österreichischen Lodenstoffe, die nicht nur Wind und Wetter, sondern vor allem auch harten Zeiten trotzen.

Der Beitrag erschien ursprünglich in der Printausgabe des NEWS 45/2020.