Warum Sie es sich selbst recht machen sollen

Brigitte steht in allen Lebenslagen ihre Frau. In ihrer Ehe ist das anders. Anstatt sich gleichwertig zu fühlen, fühlt sie sich ihrem Mann gegenüber allein und wertlos. Ihr Liebesglück hatte sie sich anders vorgestellt

von Liebes Leben - Warum Sie es sich selbst recht machen sollen © Bild: Nathan Murrell

Greta ergeht es ähnlich wie Brigitte. Mit Sascha fühlt sie sich die meiste Zeit innerlich leer, antriebslos, lustlos, häufig auch appetitlos. Dabei brachte die beiden freiheitsliebenden Frauen die Lust aufs Leben dazu, sich dauerhaft zu binden, um gemeinsam mit Mister Right im Leben so richtig durchzustarten. Die Wirklichkeit sieht anders aus: Brigitte ist in einem Dauerkonflikt mit Jonas, der sie immer wieder bitter enttäuscht. Und Greta trägt ihren Lebensgefährten auf Händen, obwohl er nicht für sie da ist, wenn sie ihn braucht. Beide haben ihre Partner angehimmelt, beim Fernsehen massiert, ihnen aufopfernd jede Sexpraktik geboten, die ihnen insgeheim gegen den Strich gegangen war, nur um -ja eigentlich was zu beweisen? Dass sie die absoluten Traumfrauen sind, die immer alles im Leben hinkriegen. Keine Fehler machen. Perfektionismus-Alarm! Wer alles für den anderen tut und sich dabei von sich selbst entfernt, geht oftmals leer aus. Nicht weil das Leben ungerecht ist, sondern weil Sie sich, wenn Sie stets nach der Pfeife Ihres Partners tanzen, in Summe zum Deppen machen. Entschuldigen Sie die hier allerdings unvermeidliche konkrete Rede. Das Ende vom Liebesleid: Brigitte outet sich im Freundeskreis als Opfer eines narzisstischen Alkoholikers. Und Greta als Beute eines notorischen Fremdgehers. Von ihren perfekten Beziehungen bleibt nicht mehr viel übrig. Greta und Brigitte fühlen sich nach Jahren der Selbsttäuschung von ihren Partnern benutzt, betrogen, entsorgt. Und jetzt? In meiner Praxis erstelle ich mit Menschen, die sich in ihren Beziehungen unsicher sind, noch am besten nicht erst nach, sondern schon lang, lang vor dem Crash eine Zwischenbilanz der Liebe. Sowohl Brigitte als auch Greta haben sich in eine Fata Morgana, in ein utopisches Idealbild der Liebe verrannt. Hätten sie schon zu Beginn ihrer Beziehungsgeschichten auf untrügliche Warnsignale geachtet, wie Jonas' saloppen Umgang mit Alkohol, seine abwertende Wortwahl und ständige Flirtbereitschaft oder Saschas Unzuverlässigkeit, wären sie nicht in die missliche Lage gekommen. Und jetzt die gute Nachricht: Der schwarze Peter der Beziehung fällt einem nicht per Zufall in die Hände. Sie haben es selbst in der Hand. In Schritt eins Ihrer psychologischen Zwischenbilanz befreien Sie sich von Ihrem Trugbild lupenreiner Liebe. Entfernen Sie lieber kein Haar aus der Beziehungssuppe. Schauen Sie sich alles Haarige und Störende ganz genau an. Und reden Sie darüber, anstatt sich selbst in die Tasche zu lügen. Daher kommen immer mehr Paare schon vorsorglich in eine Paartherapie. Nicht erst dann, wenn es zu spät ist, der Traumprinz zum skrupellosen Verräter, die Traumfrau zur böswilligen Blenderin wurde.

Ein zuverlässiges Indiz, dass Sie auf dem Holzweg der Liebe sind: Der Partner wird idealisiert, um an der Beziehung festzuhalten, wenngleich Sie spüren, dass etwas nicht passt. Oder Sie reden sich nur noch aus Pflichtgefühl ihre Beziehung schön, finden Erklärungen und Ausreden, warum es trotz allem weitergehen muss. Häufig treten ein flaues Gefühl im Magen und ein Globusgefühl (Druck im Kehlkopfbereich) auf, wird der Atem flach, ist die Seele aufgewühlt und in Alarmbereitschaft und müssen Sie künstlich auf Entspannungsmodus schalten, was aber nicht lang anhält. In diesem Fall ist was faul!

In Schritt zwei Ihrer Liebesbilanz ist es wichtig, die Beziehungsprobleme nicht an Ihrem Partner festzumachen. Das Miteinander hat nicht funktioniert. Hier krankt es. Nicht der andere ist die Ursache, nicht Sie sind schuld, sondern Ihre Kultur des Umgangs hält nicht, was sie versprochen hat. Und jetzt noch der allerwichtigste Schritt im Stufenprogramm Ihrer Liebesbilanz: Machen Sie bitte nicht den Fehler, es zuerst dem anderen recht zu machen. Sondern machen Sie es zuallererst sich selbst recht, indem Sie sich nicht aufgeben und nicht aufopfern, nicht überanpassen und verbiegen lassen. Denn am Ende sind immer Sie selbst der Mensch, der es dem Partner erlaubt, Sie auszunutzen, und den sich Rußfleck selbst auf die Nase drückt.

Prof. Mag. Dr. Monika D. Wogrolly, Philosophin und Psychotherapeutin Haben Sie noch Fragen? Schreiben Sie mir bitte: praxis@wogrollymonika.at

Kommentare

Danke an Sie Frau Wogrolly für diese wertvolle Kolumne!

"Erst wenn ich mich selbst gut genug kenne, zu mir stehe, weiß wer ich bin & selbst lieben gelernt habe kann eine eine Partnerschaft auf Augenhöhe funktionieren ohne in sich z.B zu verbiegen."

Hoffe diese Kolumne, natürlich auch bisherigen Kolumnen, werden noch oft gelesen & ihre Impulse beherzigt. Sie sind Gold wert!

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