Der Single-Trend:
Einsam und allein?

„Heutzutage sind mehr Menschen denn je Single. Und das ist gut so.“

„Smarte“ Kleinwohnungen, kleinere Verpackungseinheiten im Supermarkt und Hochzeitsreisen für eine Person. Der Single-Trend spiegelt sich längst nicht mehr nur in der steigenden Anzahl an Ein-Personen-Haushalten wieder. Warum Single-Sein heutzutage auch eine bewusste Entscheidung sein kann und welche Rolle der Megatrend Individualisierung dabei spielt.

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Einsam und allein? © Bild: shutterstock

Bis zu ihrem 40. Geburtstag wollte Laura Messi einen Mann finden. Doch da ihr das nicht gelungen ist, hat die Italienerin kurzerhand beschlossen, sich einfach selbst zu heiraten. 70 Gäste wurden zur Single-Hochzeit geladen. Die Fitness-Trainerin erschien im weißen Kleid mit Blumenbouquet in der Hand und schnitt die Hochzeitstorte an, auf der lediglich die Figur der Braut stand. Danach ging es auf Hochzeitsreise – natürlich alleine.

»Mein Glück hängt von keinem anderen Menschen ab«

„Man muss in erster Linie sich selbst lieben. Man braucht keinen Märchenprinzen, um glücklich zu sein. Mein Glück hängt von keinem anderen Menschen ab“, kommentierte Messi die ungewöhnliche Hochzeit. Doch auch in Japan oder in den USA geben sich zunehmend Frauen selbst das Ja-Wort. Ein Trend, der sich in den gesellschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahre wiederspiegelt.

Starke Zunahme von Ein-Personen-Haushalten

Die Statistiken zur Zunahme der Ein-Personen-Haushalte scheinen ein klares Bild zu zeichnen: 1986 lebten 779.000 Österreicher und Österreicherinnen alleine. 2016 waren es fast 1.500.000.

3,9 Millionen Haushalte gibt es in Österreich. 38 Prozent davon sind Single-Haushalte. Tendenz steigend. Ein-Personen-Haushalte sind sowohl in Österreich als auch in ganz Europa mittlerweile die häufigste Wohnform. Allein zu leben ist in Nordeuropa am stärksten verbreitet. So weist Schweden mit mehr als 50 Prozent die meisten Single-Haushalte der EU auf.

Singles als Zielgruppe

Die größte Gruppe der Single-Haushalte ist im Alter ab 65 Jahren zu finden: Fast ein Drittel wohnt, oft bedingt durch Trennung oder Tod des Partners, alleine in einem Privathaushalt. Bei den 25- bis 34-Jährigen sind es 20 Prozent. Der Trend zum Alleine-Wohnen ist aber vor allem ein Phänomen der Großstädte. Und die Immobilien-Branche reagiert darauf. In Wien wird etwa die Errichtung sogenannter „SMART-Wohnungen“ gefördert. „Kompakte“ Kleinwohnungen, die speziell auch für Alleinstehende gedacht sind. Doch auch im Supermarkt gibt es inzwischen kleinere Verpackungseinheiten für Singles und Reiseveranstalter haben Alleinreisende schon längst als Zielgruppe entdeckt.

Solo-Boom & Single-Gesellschaft?

Natürlich gilt zu beachten, dass „alleinlebend“ nicht automatisch mit dem Beziehungsstatus „Single“ gleichgesetzt werden kann. Denn welche Frage die Statistik nicht beantworten kann, ist: Leben die Menschen tatsächlich nicht in einer Beziehung oder wohnen sie nur nicht mit ihrem Partner oder Partnerin zusammen? Dennoch können die vielen Ein-Personen-Haushalte zumindest als ein Zeichen einer Single-Gesellschaft gesehen werden. Auch, wenn sich die genaue Zahl der Singles vielleicht nicht bestimmen lassen mag, können sehr wohl einige potentielle Gründe dafür ausgemacht werden.

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Warum Single?

In Zeiten von Tinder, Lovoo und Co. erscheint es fast paradox, heutzutage noch Single sein zu „müssen“. In diesem Satz lassen sich auch schon die ersten Gründe finden: Dank Dating-Apps und ähnlichen Angeboten ist die Auswahl an potentiellen Partnern viel größer als früher. Doch die Freiheit der Wahl bedingt den Zwang zur Entscheidung. Oder anders ausgedrückt: Wer sich alle Türen offenhalten will, geht am Schluss durch gar keine.

»Heutzutage sind mehr Menschen denn je Single. Und das ist gut so.«

Manche entscheiden sich auch bewusst für eine längere Single-Phase, um andere Projekte in den Vordergrund zu stellen. Etwa um die eigene Karriere voranzutreiben oder sich ganz auf sich selbst zu konzentrieren. Die Psychologin und Autorin von Single-Ratgebern Bella DePaulo lehnt sich gegen die Stigmatisierung von Singles auf und schreibt: „Heutzutage sind mehr Menschen denn je Single. Und das ist gut so.“ Singles würden einen erfüllenden Job mehr schätzen als Vergebene, ihre Freundschaften intensiver pflegen und besser vernetzt sein. Das Single-Dasein sei kein Zustand, dem man so schnell wie möglich entkommen müsse, meint DePaulo.

Megatrend Individualisierung

Verstehen lässt sich der Single-Trend vor allem vor dem Hintergrund der Individualisierung. Heutzutage herrscht ein vielfältigeres Lebensbild vor als noch vor einigen Jahrzehnten. Früher folgten Biografien früher immer dem linearen Dreiklang von Kindheit/Jugend, Erwerbsalter/Heirat/Kinder und Ruhestand/Alter. Heute kann jeder sein Leben viel stärker nach seinen persönlichen Wünschen und Vorstellungen leben. Normgebende Institutionen wie Politik oder Kirche verlieren an Autorität und legen die Antwort auf die Frage, wie man leben soll in die Hände des Einzelnen. Als Folge entfalten sich neue Lebensphasen. Zukunftsinstitute sprechen dabei von dem „Megatrend Individualisierung“. Genau auf diese Unabhängigkeit, sein Leben selbst gestalten zu können, wollen viele Singles nicht verzichten.

Brüche, Umwege und Neuanfänge: Moderne Biografien

Lebensverändernde Entscheidungen wie beispielsweise Kinderkriegen oder Heirat werden im Vergleich zu früher länger aufgeschoben, um die Phasen der Optionenvielfalt zu verlängern. Lag das Durchschnittsalter der Frau in den 1960er Jahren noch bei 25, bekommen Frauen heutzutage durchschnittlich erst mit 30 das erste Kind. Ein Grund hierfür sind unter anderem die längeren Ausbildungszeiten. Oft spielt auch der Beruf eine Rolle, wenn es um das (unfreiwillige) Single-Dasein geht. Erwartet wird eine hohe Flexibilität und Mobilität – für Partnerschaften bleibt da dann nicht mehr viel Zeit - oder Raum.

Die moderne Biografie kennt aber auch mehr Brüche, Umwege und Neuanfänge. Jede dritte Ehe wird mittlerweile geschieden, in Großstädten sogar jede zweite. Unter anderem deshalb, weil die finanziellen Abhängigkeiten von Paaren heutzutage geringer sind. Somit steigen auch die Ansprüche an Partner und an Beziehung. Aus reinen Zweckgründen bleiben heutzutage die wenigsten zusammen. Auf (sehr) paradoxe Art und Weise kann das Single-Dasein daher auch als Plädoyer für wahre Liebe gesehen werden. Zumindest für die Liebe zu sich selbst.