So viel Essen werfen wir weg

Niemand wirft gern Lebensmittel weg - dennoch tun wir es: Von Jahresbeginn bis zum 2. Mai landen rechnerisch alle produzierten Lebensmittel im Müll. Die Initiatve "Too Good To Go" veranschaulicht, wie viel das tatsächlich ist, was das für unsere Umwelt bedeutet und wie wir der Lebensmittelverschwednung einen Strich durch die Rechnung machen können.

von Lebensmittelverschwendung - So viel Essen werfen wir weg © Bild: iStockphoto.com

Mit dem jährlich ausgerufenen Tag der Lebensmittelverschwendung will die Umwelt- und Naturschutzorganisation WWF darauf aufmerksam machen, wie viel Essen wir regelmäßig weggeworfen. Nun haben es abstrakte Zahlen aber so an sich, dass man sich unter ihnen oft nur schwer etwas vorstellen kann. "To Good To Go" veranschaulicht, welche Mengen an Essen im Müll landen.

So viel Essen werfen wir weg

Jährlich wird laut Food and Agriculture Organization of the United Nations rund ein Drittel der Lebensmittel verschwendet: Das ist, als würde man drei Schnitzel herausbacken und eines davon aus dem Fenster werfen. Als würde man drei volle Einkaufssackerln bezahlen, aber nur zwei davon mit nach Hause nehmen. Oder den Boden der Cremeschnitte immer überlassen.

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Laut WWF werden in Österreich jährlich eine Million Tonnen genießbare Lebensmittel entlang der Wertschöpfungskette von der Landwirtschaft bis zu den Haushalten verschwendet. Die CO2-Emissionen, die durch dieses überschüssige Essen unnötig entstehen, entsprechen einem Äquivalent, mit dem ganz Österreich rund 8,6 Jahre lang Zug- und Busfahren könnte.

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Statt Essen wegzuwerfen könnte man auch täglich 134 Runden mit dem Riesenrad drehen: Denn die CO2-Emissionen, die bei der Produktion und dem Transport der Lebensmittel entstehen, sind ein Vielfaches von dem, was eine Runde mit dem Wiener Wahrzeichen verursachen würde.

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Pro Kopf werfen wir in Österreich, so ein Bericht des WWF, jährlich rund 60 kg genießbare Lebensmittel in den Müll. Das würde einer Menge von 500 Topfengolatschen entsprechen, die jedes Jahr ungegessen im Hausmüll landen - angenommen, wir würden uns ausschließlich von Topfengolatschen ernähren.

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Nicht nur das Essen wird verschwendet

1. Der lange Weg bis ins Regal

Bleiben wir gleich bei der Topfengolatsche: Ihr Weg beginnt schon lange vor dem Backofen. Es wird Energie für Anbau, Bewässerung, Ernte, Verarbeitung, Lagerung und Transport benötigt. Auch die Herstellung von Maschinen, Geräten, Düngern oder auch Pestiziden benötigt Energie. Es wird also nicht nur das Essen verschwendet, sondern auch all jene Ressourcen, die in dessen Herstellung eingeflossen sind. So werden in Österreich jährlich unglaubliche Mengen vergeudet: In Summe entsprechen die weggeworfenen Lebensmittel dem CO2-Äquivalent von fast 500.000 Flügen um die Welt.

2. Was kommt ins Einkaufswagerl?

Herr und Frau Österreicher geben im Monat durchschnittlich 350 Euro pro Haushalt für Lebensmittel aus. Schätzungsweise werden mindestens 22 Euro davon wieder weggeworfen. Im Geschäft trifft die Erwartungshaltung, zu jeder Uhrzeit volle Vitrinen vorzufinden, auf Planungsunsicherheit. Die Nachfrage ist von Faktoren abhängig, die oft nicht im Einflussbereich der Bäckereien und Supermärkte liegen, wie etwa dem Wetter. Folglich kann niemals exakt vorhergesagt werden, wofür sich die Kundschaft im Laufe des Tages entscheidet.

3. Lebensmittel zuhause am häufigsten entsorgt

Obwohl sich 95 Prozent der Österreicher laut einer Umfrage beim Wegwerfen von Lebensmittel schlecht fühlen, passiert mehr als die Hälfte der gesamten Lebensmittelverschwendung im Haushalten. Am häufigsten werden Lebensmittel nach dem Kauf weggeworfen, weil sie schlecht geworden sind, weil Unsicherheit über die Haltbarkeit des Lebensmittel herrscht oder einfach weil zu viel gekauft wurde. So kommt jeder österreichische Haushalt auf 2,6 Lebensmittel, die pro Woche ihr Ende im Rest- oder Biomüll finden.

4. Klimabelastung auch nach der Entsorgung

Rund 94 Prozent der Haushalte sammeln Bioabfälle getrennt - mit Ausnahme der Wienerinnen und Wiener, die nur zu 51 Prozent getrennt sammeln. Gemeinsam machen die vermeidbaren Lebensmittelabfälle ein Sechstel des gesamten Hausmülls aus. Zunächst wird der Müll durch die öffentliche Müllabfuhr oder durch private Unternehmen von den Haushalten abgeholt. Dann landet er in einer von österreichweit rund 3.100 Anlagen zur Abfallverwertung und -beseitigung. Weltweit, so auch in Österreich, wird der größte Teil der Lebensmittel verbrannt oder auf Müllhalden deponiert, statt kompostiert oder als Tiernahrung verwertet. Laut einer aktuellen UN-Studie ist Lebensmittelverschwendung für acht bis zehn Prozent der weltweiten Treibhausgas-Emissionen verantwortlich.

15 Initiativen gegen Verschwendung

In Österreich wird jährlich eine Million Tonnen genießbare Lebensmittel weggeworfen. Das muss nicht sein, wie folgende gemeinnützige Organisationen, Unternehmen und Netzwerke zeigen.

  • Krut: Wiener Kimchi. Zu groß, zu klein, zu viel, zu krumm - das Gemüse ist zwar frisch, wird jedoch oft erst gar nicht geerntet, landet im Müll oder in der Biogasanlage. Krut macht die traditionell koreanische Speise Kimchi daraus - das ist nicht nur nachhaltig, sondern auch äußerst gesund.
  • soogut Sozialmarkt: Selbstbestimmtes und nachhaltiges Einkaufen. Die gemeinnützigen soogut-Sozialmärkte übernehmen rund 39 Tonnen Lebensmittel pro Woche und versorgen knapp 36.000 Menschen in Niederösterreich fast täglich mit günstigen Lebensmitteln. Menschen, die mit wenig Geld haushalten müssen, können an den insgesamt zehn Standorten qualitativ hochwertige Lebensmittel und Alltagsgüter zum Drittelpreis einkaufen, ebenso wie Second Hand Kleidung.
  • Too Good To Go: Essen Retten am Smartphone. Too Good To Go bietet via App die Möglichkeit, Lebensmittel vor der Mülltonne zu bewahren. Über die App verkaufen bereits über 1.500 Betriebe wie Bäckereien, Restaurants, Cafés, Hotels, Produzenten und Supermärkte ihr überschüssiges, aber einwandfreies Essen zu einem Drittel des Preises an Selbstabholer.
  • Unverschwendet: Überschüsse zu Feinkost. Das Unternehmen vom Schwendermarkt in Wien verbindet Essen-Retten mit Feinkost. Unverschwendet sammelt überschüssiges Obst und Gemüse und verwandelt dieses in köstliche Produkte und (Firmen-)Geschenke: von Marmelade über Sirup bis hin zu Eingelegtem.
  • Act2gether: Die Kärntner Foodsharing-Initiative. An den Verteilerstellen der Foodsharing-Initiative des Kärntner Vereins "Together" werden nicht nur Lebensmittel ausgetauscht, man trifft sich auch zum Plaudern und gemeinsamen Kochen. Jede und jeder kann überschüssige Lebensmittel abgeben oder kostenlos abholen.
  • Brotpilot:innen: Backwaren frisch von gestern. Die Brotpiloten:innen geben Backwaren ihrer Partner-Bäckereien eine zweite Chance, indem sie sie auf Events und Märkten weitergeben - zum Beispiel jeden Samstag am Yppenplatz in Wien. Anhand der andernfalls verschwendeten Backwaren schaffen sie so Bewusstsein für die Wertigkeit von Lebensmitteln.
  • Caritas Le+O: Nachhaltige Unterstützung. Le+O rettet Essen vor der Tonne und verteilt einmal wöchentlich Frisch- und Haltbarprodukte an armutsbetroffene Menschen. Zusammen mit fast 1.000 freiwilligen Helfern gibt Le+O jede Woche 14 Tonnen Essen an jene Menschen in Österreich weiter, die es am dringendsten brauchen.
  • Foodsharing: "Fair-Teiler" für alle. Seit 2012 rettet die foodsharing-Bewegung täglich tonnenweise gute Lebensmittel vor dem Müll. Die Organisation verteilt sie ehrenamtlich und kostenfrei im Bekanntenkreis, der Nachbarschaft, in Obdachlosenheimen, Abgabestellen für sozial Benachteiligte und über die Plattform foodsharing. Die öffentlich zugänglichen Regale und Kühlschränke, sogenannte "Fairteiler", stehen allen zur Verfügung.
  • Team Österreich Tafel: Jeden Samstag Essen retten. Die Team Österreich Tafel ist eine Initiative vom Österreichischen Roten Kreuz und Hitradio Ö3. Unter dem Motto "Sammeln statt vergammeln, verwenden statt verschwenden" haben die ehrenamtlichen Helfer seit März 2010 Woche für Woche einen fixen Einsatz: Jeden Samstag sammeln sie einwandfreie, aber nicht mehr verkäufliche Lebensmittel, um sie unmittelbar an Menschen in Not auszugeben. So werden in 118 Ausgabestellen regelmäßig rund 19.000 Familien versorgt.
  • Tischlein Deck Dich: Vorarlbergs Lebensmittelverteiler. "Verteilen statt vernichten" ist der Grundsatz des Vorarlberger Vereins Tischlein Deck Dich, der im Handel unverkäufliche Lebensmittel an Bedürftige verteilt. 2004 reichte noch die Garage und der alte VW-Bus des Gründerpaares als kleines Lager, mittlerweile werden pro Woche bis zu 30 Tonnen Lebensmittel mit zehn Vereinsfahrzeugen zu den Ausgabestellen transportiert.
  • Verband der österreichischen Tafeln: Brücke zwischen Überfluss und Mangel. Der Verband ist die Interessenvertretung von zehn Mitgliedstafeln, die teilweise seit mehreren Jahrzehnten österreichweit Lebensmittel retten, um sie an Armutsbetroffene weiterzugeben und damit eine Brücke zwischen Überfluss und Mangel zu schlagen. Zu seinen Kernaufgaben gehört außerdem die Bewusstseinsbildung in den Bereichen Armut, Hunger und Lebensmittelverschwendung. Allein im Jahr 2020 haben mehr als 4.200 großteils ehrenamtliche Mitarbeitende rund 76.000 Armutsbetroffene mit knapp 5.000 Tonnen Lebensmitteln versorgt. Das bedeutet in etwa zehn Millionen Mahlzeiten.
  • Verein Start Up: Lebensmittel im Foodpoint. Wie kann es sein, das Mülltonnen zum Bersten voll sind und es gleichzeitig Menschen gibt, denen es an Grundnahrungsmitteln fehlt? Das fragt sich der Verein Start Up und stellt deshalb Lebensmittel für einen Unkostenbeitrag zur Verfügung. In den Abholstationen Foodpoint finden sich etwa gute, aber verbeulte Pfirsichdosen, reife Bananen oder Püree im beschädigten Karton, die aufgrund des Aussehens nicht regulär verkauft werden.
  • Lebensmittel sind kostbar: Kooperation für mehr Achtsamkeit. "Lebensmittel sind kostbar!" ist eine Initiative des Bundes für mehr Achtsamkeit im Umgang mit Lebensmitteln. Das Ziel ist es, in enger Kooperation mit der Wirtschaft, den Konsumentinnen und Konsumenten, mit Gemeinden und mit sozialen Einrichtungen eine nachhaltige Vermeidung und Verringerung von Lebensmittelabfällen zu fördern.
  • United Against Waste: Food Branche gegen Verschwendung. In der "Außer-Haus-Verpflegung", also Gastronomie, Hotellerie und Großküchen, fallen täglich Lebensmittelreste an. Hier setzt United Against Waste an: Damit am Ende des Tages keine Speisen mehr liegen bleiben, hilft die Initiative bei der Erfassung, der Analyse und schließlich der Reduktion der Lebensmittelabfälle. Durch Monitoring und Beratung bewegen sie zum bewussten Umgang und können Reste so langfristig vermeiden.
  • Zero Waste Austria: Inspiration & Netzwerk. Zero Waste Austria setzt sich seit Jahren erfolgreich dafür ein, Zero Waste als Lebensstil und Unternehmenskonzept salonfähig zu machen. Der gemeinnützige Verein vernetzt österreichweit Zero-Waste-Unternehmen, bietet Vorträge und Workshops an und ist somit der optimale Nährboden für eine Gesellschaft ohne Lebensmittelverschwendung.