Flughafen Wien:
Dritte Piste kann kommen

Verfassungsgerichtshof verkündete Entscheidung über Beschwerden

Die geplante dritte Flughafen-Piste am Flughafen Wien hat heiße Diskussionen ausgelöst. Heute hat der Verfassungsgerichtshof (VfGH) seine Entscheidung verkündet: Das Bauverbot für die dritte Start- und Landebahn wird aufgehoben.

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Entscheidung - Flughafen Wien:
Dritte Piste kann kommen

Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) hatte den Bau der Piste untersagt, mit dem Argument, dass durch den erwarteten zusätzlichen Flugverkehr Österreichs Verpflichtungen zum Klimaschutz gefährdet würden. Dieses Argument wurde auch von Gegnern vorgebracht. Die Stadt Wien, der Flughafen Wien, das Land Niederösterreich und andere Befürworter verteidigten den Bau als wichtigen Wirtschaftsfaktor.

Bau könnte sich trotzdem hinziehen

Flughafen Wien-Chef Günther Ofner hat die Aufhebung des Bauverbots naturgemäß begrüßt. "Ich glaube, das ist ein guter Tag für den Wirtschaftsstandort aber auch für das Unternehmen Flughafen", sagte Ofner gegenüber Journalisten. Das Projekt 3. Piste habe damit eine neue Chance bekommen, sagte Ofner. Er hoffe, dass es vor dem BVwG zu einer zügigen Entscheidung kommen wird. "Persönlich würde ich jetzt keine Gründe sehen, die einer endgültigen Genehmigung entgegenstehen", teilte der Flughafen Wien-Chef mit. Aber das sei Sache des BVwG. Es sei auch nicht auszuschließen, dass Beschwerdeführer nicht wieder mit anderen Gründen kommen und wieder die Höchstgerichte anrufen. "Insofern wird es schon noch einige Jahre dauern, bis wir Rechtssicherheit erwarten dürfen", sagte Ofner.

VfGH sieht Fehlentscheidung

Das Bundesverwaltungsgericht habe bei der Entscheidung zur geplanten 3. Piste am Flughafen Wien-Schwechat vor allem den Klimaschutz und den Bodenverbrauch in einer verfassungswidrigen Weise in seine Interessensabwägung einbezogen, entschieden die Richterinnen und Richter des Verfassungsgerichtshofes. Die Rechtssache geht nun zurück an das BVwG, das eine neuerliche Entscheidung treffen muss.

Das BVwG habe in der angefochtenen Entscheidung die Rechtslage in mehrfacher Hinsicht grob verkannt, teilte der VfGH mit. Dieses gehäufte Verkennen der Rechtslage belastet die Entscheidung mit Willkür, es verletze die Parteien im Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz. Der Verfassungsgerichtshof sieht Fehler vor allem bei der Auslegung der Staatszielbestimmung des umfassenden Umweltschutzes durch das Bundesverwaltungsgericht. Es sei zwar verfassungsrechtlich geboten, den Umweltschutz bei der Abwägung von Interessen für und gegen die Genehmigung eines Projekts einzubeziehen. Aber: Die im Gesetz genannten "sonstigen öffentlichen Interessen", die bei der Abwägung gemäß Luftfahrtgesetz zu berücksichtigen sind, müssten aus dem Luftfahrtgesetz selbst ableitbar sein.

Und eine Erweiterung dieser Interessen findet durch die Staatszielbestimmung nicht statt - weder auf Klimaschutz noch auf Bodenverbrauch. Auch ist aus dem Bundesverfassungsgesetz über die Nachhaltigkeit kein absoluter Vorrang von Umweltschutzinteressen ableitbar.

CO2-Emissionen falsch berechnet

Das Verwaltungsgericht habe zudem die mit dem Projekt verbundenen Kohlendioxid-Emissionen fehlerhaft berechnet. Laut Feststellung eines gerichtlichen beeideten Sachverständigen wären nur die Emissionen einzurechnen, die während Start und Landung erfolgen ("LTO-Emissionen" - Landing and Take Off). Der Senat des BVwG hingegen habe in seiner Prognose für das Jahr 2025 Emissionen berücksichtigt, die während des gesamten Fluges anfallen ("Cruise-Emissionen").

Dazu komme, dass sich das Verwaltungsgericht hinsichtlich der Auswirkungen der Emissionen fälschlich auch auf Rechtsgrundlagen und internationale Abkommen wie das Kyoto-Protokoll beruft, die es in diesem Fall nicht hätte heranziehen dürfen. Auch das Klimaschutzziel in der niederösterreichischen Landesverfassung dürfe für die Auslegung des Luftfahrtgesetzes nicht herangezogen werden, weil dieses Ziel nur für den Wirkungsbereich des Landes anzuwenden sei, so der Verfassungsgerichtshof.

Umweltschützer "bedauern" Entscheidung

Die österreichische Umweltschutzorganisation Global 2000 hat in einer Aussendung mitgeteilt, dass sie die "Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs bedauert." Das hemmungslose Wachstum des Flugverkehrs sei einfach nicht vereinbar mit dem Ziel, eine drohende Klimakatastrophe noch abzuwenden.

"Wir laufen sehenden Auges in den Abgrund, wenn wir nicht begreifen, dass all die zunehmenden Hitzewellen, Waldbrände und Klimaflüchtlinge etwas mit unseren Entscheidungen zu tun haben", sagt Johannes Wahlmüller, Klimasprecher von Global 2000. Statt dem Bau der dritten Piste bräuchte es eine Verlagerung des Flugverkehrs auf nachhaltige Verkehrsträger wie die Bahn.

75 Prozent stehen Bau positiv gegenüber

Und wie denken die Österreicher? 75 Prozent der Bevölkerung in den Bundesländern Wien, Niederösterreich und Burgenland halten ein Verbot der dritte Piste auf dem Flughafen Wien für nicht notwendig. Das ist ein Ergebnis einer vom Airport beauftragten GfK-Umfrage (500 Befragte), die im Zeitraum vom 11. bis 13. April durchgeführt wurde.

Nur 15 Prozent der Befragten unterstützten demnach das Verbot des Baus. "Damit künftig weniger Leute fliegen", habe die Begründung gelautet, teilte der Flughafen mit. 69 Prozent meinten, das Verbot würde nicht zu weniger Flügen, sondern nur zu einer Verschiebung des Verkehrs und der Arbeitsplätze zu Nachbarflughäfen führen. 22 Prozent sahen das gegenteilig.