Mit Pfeil und Bogen

Bogenschießen boomt - Warum diese Sportart gesund ist

Der Aufenthalt in der Natur entspannt, Koordination und Konzentration werden geschult und Nacken-und Rückenmuskulatur gestärkt: Kein Wunder, dass der Bogensport boomt und immer mehr Menschen auf die Pirsch gehen.

von Volltreffer - Mit Pfeil und Bogen © Bild: Ricardo Herrgott

Ob Hirsch, Schneeziege, Elch oder Frosch - im Wienerwald ist kein Tier mehr sicher. Denn an schönen Wochenenden streifen bis zu 400 Menschen mit Pfeil und Bogen bewaffnet durch das Dickicht. Tierschützer können aber beruhigt sein: Es fließt kein Blut, kein echtes Tier kommt hier zu Schaden. Hirsch, Schneeziege, Elch und Frosch sind aus Kunststoff. Und die vermeintlichen Jäger sind Menschen, die den 3D-Bogensport zu ihren Hobbys zählen.

"Der Sport boomt derzeit extrem. Von Jahr zu Jahr kommen mehr Leute zu uns, die das Bogenschießen ausprobieren wollen", sagt Karl Hudak, Manager der Bogensportanlage im niederösterreichischen Irenental. Die Anlage zählt mit 90 Hektar zu den größten Österreichs und aufgrund der Nähe zu Wien auch zu den am meisten besuchten.

© Ricardo Herrgott

Das Besondere am 3D-Bogensport ist, dass nicht auf Zielscheiben geschossen wird. Vielmehr sind die Ziele entlang eines Parcours Kunststofftiere, die echten aus der Ferne zum Verwechseln ähnlich sehen. Eigene Firmen haben sich bereits auf die Produktion der lebensgroßen Hirsche, Eulen und Ziegen spezialisiert -ein gutes Geschäft. Ein Elch kostet immerhin rund 3.200 Euro und muss jedes halbe Jahr ersetzt werden. "Durch den Beschuss werden die Ziele rasch kaputt. Je kleiner, desto schneller. Zwar sind sie so angefertigt, dass man sie einmal umdrehen kann. Trotzdem müssen kleinere Tiere im Sommer alle paar Wochen getauscht werden", erklärt Hudak. Rund 60.000 Euro gebe man im Irenental jährlich für neue Tiere aus.

Bis zu 200 km/h schnell

Manche Parcours führen über Felder, andere erfordern eine sehr gute Kondition, da sie im gebirgigen Gelände verlaufen. Im Irenental gibt es drei unterschiedliche Routen, die alle auf schmalen Wegen bergauf und bergab durch den Wienerwald führen. Beim längsten Parcours verteilen sich 30 Ziele auf einer Strecke von 4,2 Kilometern. Rund drei Stunden sind eine realistische Zeit, die dafür eingeplant werden sollte. Manche Besucher sind jedoch deutlich schneller, weiß Hudak: "Es gibt immer wieder Leute, die laufen den Parcours ab, manche von ihnen sogar barfuß. Sie bleiben bei den Tieren nur kurz stehen, zielen, treffen und laufen weiter."

Die überwiegende Mehrheit genießt allerdings die Bewegung und den Aufenthalt in der Natur und legt ab und zu auch Pausen ein. Der Weg zwischen den einzelnen Zielen ist gut markiert, ein Verirren im Wald daher fast unmöglich. Verboten ist es allerdings, in die Gegenrichtung zu spazieren. "Das wäre viel zu gefährlich", sagt Hudak. Denn natürlich könne jederzeit ein Pfeil das Ziel verfehlen. Sollte ein Mensch getroffen werden, würde das zu schweren Verletzungen führen oder kann im schlimmsten Fall sogar tödlich enden. Schließlich erreicht ein Pfeil Geschwindigkeiten von 200 Kilometern pro Stunde. Sogenannte Compound-Bogen, mit denen die Pfeile sogar 300 km/h schnell werden können, sind auf der Anlage im Irenental verboten.

Pro Ziel sind drei Schüsse erlaubt. Wer trifft, geht weiter zum nächsten Ziel.

Stärkt den Rücken

Robert Buchinger und Sonja Höfer kommen seit sieben Jahren regelmäßig zum Bogenschießen in den Wienerwald. Sie machten eine Trainerausbildung und halten mittlerweile Kurse ab. "Es ist ein toller Sport, bei dem wir außerdem auch unseren Hund mitnehmen können", sagt Höfer.

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Wer im Irenental einen Parcours absolvieren will, muss entweder ein erfahrener Bogenschütze sein oder zuvor einen zweistündigen Kurs besuchen. Dabei werden unter anderem die Vorkehrungen zur Sicherheit und die optimalen Bewegungen beim Bogenschießen erlernt.

Richtig ausgeübt macht Bogenschießen nicht nur Spaß, sondern wirkt sich auch positiv auf die Körperhaltung aus. "Gerade bei sitzenden Tätigkeiten kann die obere Rückenmuskulatur zu Problemen im Sinne eines Rundrückens führen", weiß Sportwissenschaftler und Physiotherapeut Gerald Kemmer. Beim Bogensport werde beinahe der gesamte Oberkörper -allen voran Schulter-und Rückenmuskulatur - gestärkt. "Durch die aufrechte Körperhaltung beim Schießen werden gezielt die Muskeln zwischen den Schulterblättern trainiert. Das führt zu einer aufrechten Haltung und weniger Schmerzen."

Kemmer, der hauptberuflich als Physiotherapeut beim SK Rapid Wien arbeitet, ist selbst begeisterter Bogenschütze. Er schätzt "die Entspannung, die beim Bogenschießen eintritt":"Es ist für mich eine wunderbare Ausgleichssportart zum stressigen beruflichen Alltag, eine Art 'Energietankstelle'. Man muss die Alltagssorgen vergessen und ist beim Schluss nur auf das Ziel und seine Körperhaltung konzentriert."

Außerdem wird die Koordination trainiert. Denn die Parcours führen fast immer durch unwegsames Gelände und über holprigen Untergrund. Ebenfalls geschult wird die Augen-Hand-Koordination, die für die Gehirnleistung wichtig ist.

Blaue Flecken möglich

Um tatsächlich das Ziel zu treffen, ist einiges an Übung notwendig. Erste Erfolge stellen sich laut Trainer Robert Buchinger schon nach dem zweistündigen Kurs ein.

Buchinger selbst ist intuitiver Bogenschütze. Er verwendet keine Zielvorrichtung, sondern fokussiert die Kunststofftiere mit beiden Augen. Die Entscheidung, wann der perfekte Zeitpunkt zum Schießen ist, erfolgt dann intuitiv. Klarerweise wird die Trefferquote immer besser, je mehr Übung und Erfahrungen jemand hat. Schließlich variiert beim 3D-Bogenschießen nicht nur die Größe der Ziele. Auch die Entfernung, aus der geschossen wird, ist von Tier zu Tier unterschiedlich. Dazu verläuft der Parcours durch unwegsames Gelände. Es ist daher notwendig, bergauf und bergab zu schießen, und manchmal knien sich die Sportler auch hin oder legen sich auf den Boden, um zu treffen.

© Ricardo Herrgott

Jeder, der diesen Sport betreibt, muss sich bewusst sein, dass Pfeil und Bogen eigentlich Waffen sind, und dementsprechend umsichtig damit umgehen. Halten sich alle an die Sicherheitsbestimmungen einer Anlage, ist es dennoch ein relativ ungefährlicher Sport. "Blessuren, die regelmäßig auftreten, können blaue Flecken am Unterarm sein. Das passiert, weil die Sehne nach dem Lösen an den Unterarm prallt", weiß Kemmer. Abhilfe kann ein passender Unterarmprotektor schaffen.

Familienfreundlicher Sport

Doch für wen ist der Bogensport überhaupt geeignet? Für jeden, sagt Physiotherapeut Kemmer. Einzig Menschen mit frischen Verletzungen oder Operationen des Handgelenks, Ellenbogens oder der Schulter, sollten warten, bis diese ausgeheilt sind.

Sonja Höfer und Robert Buchinger betonen, dass Bogenschießen mehr und mehr zum Familiensport wird. "Toll ist, dass man den Sport gemeinsam machen kann, da unterschiedliches Können keine Rolle spielt", sagt Buchinger. Der älteste Teilnehmer bisher war 84. Kinder sollten allerdings mindestens acht Jahre alt sein, damit sie sich zwei Stunden lang durchgehend konzentrieren können.

Und immer öfter, sagt Höfer, kämen auch Großeltern mit ihren Enkeln zum Kurs, um anschließend gemeinsam auf die Pirsch zum Plastikhirsch zu gehen.