Altaussee: Ein Ort mit
lebendigen Traditionen

Malerische Natur, vielfältiges Brauchtum, eine strenge Bauordnung und kleine Handwerksbetriebe machen Altaussee zu einem einzigartigen Fleck Österreichs.

von Reisen - Altaussee: Ein Ort mit
lebendigen Traditionen © Bild: Getty Images/imageBROKER

Tracht ist nicht gleich Tracht. Das wird beim Betreten der Maßschneiderei Haselnus schnell klar. "Jeder Ort hier im Salzkammergut hat seine eigene", sagt René Haselnus, der die Schneiderei in Altaussee bereits in dritter Generation führt. So sei gleich auf den ersten Blick klar, ob es sich etwa um eine Altausseer oder um eine Grundlseer Tracht handelt. "Die Stickereien machen den Unterschied", erklärt der Schneider. So erkennt man die Altausseer Tracht an der kleinen, handgestickten Gams auf der Rückseite der Jacke.

Jedes Jahr schneidert René Haselnus mit seinem Team rund 40 Anzüge. Für jeden von ihnen benötigen sie etwa 70 Arbeitsstunden. Aufgrund der Arbeitsintensität kostet ein Anzug durchschnittlich 4.000 Euro. "Natürlich fertigen wir auch ganz spezielle Stücke. Derzeit bearbeiten wir zum Beispiel 50 Jahre altes handgewebtes Leinen, das auf dem Dachboden eines Bauernhofes gefunden wurde", sagt Haselnus. Seine Kundschaft ist vielfältig. Von Brautpaaren, die sich für ihre Hochzeit ein spezielle Gewand schneidern lassen wollen, bis hin zu ganz jungen Menschen, die zur Tracht Turnschuhe anziehen.

© Handdrucke Sekyra – Markus Wach Jedes Stück ein Unikat: 1992 hat Markus Wach die Druckerei übernommen. Seither bedruckt er u. a. Tücher und Dirndlschürzen. Die Muster werden per Hand auf die Stoffe gedruckt ...

"Das Ausseerland hat Traditionen und Brauchtum immer gelebt", weiß Haselnus. Daher sei auch die Tracht lebendig. So seien derzeit die Farben kräftiger und frischer als noch vor ein paar Jahren.

Bettina Illmayer ist eine jener jungen Altausseerinnen, denen Traditionen am Herzen liegen. "Das Besondere an dieser Region ist, dass sich jeder auf der Straße grüßt und Brauchtum großgeschrieben wird", sagt die 29-Jährige. Schon als Studentin hat sie Stofftiere gehäkelt und schließlich den ersten Turnbeutel genäht. Jetzt fertigt sie unter dem Namen Fräulein Traun Beutel, die zum Dirndl passen. "Man kann mir die Stoffe bringen oder schicken, dann passen die Beutel perfekt zum Kleid", so Illmayer.

© Handdrucke Sekyra – Markus Wach ... Seither bedruckt er u.a. Tücher und Dirndlschürzen. Die Muster werden per Hand auf die Stoffe gedruckt

Glasklarer See, steile Felswände

Altaussee mit seinen rund 1.900 Einwohnern liegt im steirischen Salzkammergut. Die Bauordnung hier ist strikt und es gibt keine Industrie. Der Ort wirkt, als wäre die Zeit stehen geblieben. Dazu der tiefblaue, klare Altausseer See und die steil emporragenden Felswände, wie etwa die 1.754 Meter hohe Trisselwand. Auf den Loser, den Hausberg der Ausseer, führt eine neun Kilometer lange Panoramastraße. Im Sommer ist der Loser ein beliebtes Wander-, im Winter ein familienfreundliches Skigebiet.

Diese Kulisse inspirierte schon zahlreiche Schriftsteller und Künstler. Und auch als Gast in der Region fühlt man das Besondere, das von diesem Ort ausgeht. "Altaussee ist ein spezieller Mikrokosmos. Der See verleiht der Region Idylle. Dazu die Menschen hier, die die Traditionen leben und an ihre Kinder weitergeben", erklärt Alexander Gulewicz. "Diese Traditionen leben die Altausseer für sich selber und nicht für Touristen. Daher bleibt es authentisch", ist der Hotelchef der Seevilla überzeugt. Wichtig sei für ihn zudem, dass diese Traditionen lebendig weitergegeben werden und nicht verstaubt. So sei es etwa üblich, beim Gstanzlsingen auf aktuelle Ereignisse im Ort anzuspielen. "Jeder weiß dann ganz genau, wer in den Texten gemeint ist", so Gulewicz.

© Fräulein Traun Bettina Illmayer näht als "Fräulein Traun" Turnbeutel. "Man kann mir auch Stoffe bringen oder schicken, und ich fertige dann einen Beutel passend zum Dirndl", so Illmayer

Glöckeln in der Rauhnacht am 5. Jänner, der Ausseer Fasching, der zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt, Krampus am 5. Dezember, der Kirtag im September oder das Narzissenfest im Frühling - Brauchtum wird in Altaussee das ganze Jahr über gelebt. Daran lässt Gulewicz auch seine Gäste teilhaben. "Am 5. Dezember treffen sich meine Familie und die Gäste in der Stube des Hotels. Dann erklären wir zuerst die Hintergründe des Brauchs", sagt Gulewicz. Der Höhepunkt ist schließlich der Besuch des Krampus, der im Ort von Haus zu Haus geht. "Wir haben ganz bewusst keinen Umzug für Touristen im Ort, sondern wir leben diesen Brauch für uns", betont der Hotelchef.

Alte Handwerksbetriebe

Diese traditionelle Verbundenheit der Ausseer führt dazu, dass neben der Maßschneiderei Haselnus eine Vielzahl an Handwerksbetrieben in der Region seit Generationen ansässig ist - und wirtschaftlich überleben kann. Dazu gehört unter anderem die Handdruckerei Sekyra.

© Wolfgang Stadler Georg und René (re.) Haselnus schneidern Trachtenmaßanzüge. Jedes Jahr stellen sie rund 40 Stück her. Für Jacke und Hose benötigen sie rund 70 Arbeitsstunden

Für Inhaber Markus Wach ist "das Faszinierende an Handdrucken, dass sie ein absoluter Nischenbereich sind und man dabei sehr kreativ sein kann". Wach bedruckt mit seinen Mitarbeiterinnen Tücher, Vorhänge, Dirndlschürzen und Träger für Lederhosen. Er merkt, dass den Menschen regional hergestellte, hochwertige Produkte zunehmend wichtiger werden und kleine Manufakturen daher einen Aufschwung erleben.

Wach ist viel gereist. Er absolvierte seine Ausbildung in Wien und sammelte Berufserfahrung in Paris und Australien. Doch er kehrte wieder ins Ausseerland zurück, um die Druckerei von seiner Mutter zu übernehmen. Denn für Wach ist es "sicherlich einer der schönsten Plätze der Welt".

Übernachten: Panoramablick und Seezugang

1880 entstand das Haus als Villa Wágner, 1976 erwarb Johann Maislinger das leerstehende Gebäude, das direkt am See liegt, und eröffnete das Hotel Seevilla in Altaussee. Heute wird die Seevilla von seinem Urenkel Alexander Gulewicz und dessen Frau Ines geführt. "Ich telefoniere regelmäßig mit meinem Urgroßvater und er animierte mich unter anderem dazu, umzubauen und die Zimmer zu vergrößern", sagt Alexander Gulewicz. 2018 wurde das Haus barrierefrei und es entstanden u. a. neue Suiten mit einem 180-Grad-Blick auf den See. Die Seevilla verfügt über ein Panoramaspa mit Hallenbad sowie über einen eigenen Badesteg. Das ganzjährig geöffnete Hotel gehört zur Gruppe der Romantik Hotels &Restaurants. Es ist daher bestens für ruhe-und erholungssuchende Paare geeignet, aber auch Familien sind willkommen. www.seevilla.at

Der Artikel erschien ursprünglich im News 8/2020.