2015 wiederholt sich nicht

Mit restriktiver Flüchtlingspolitik lassen sich keine Wahlen mehr gewinnen.

von Politische Analyse - 2015 wiederholt sich nicht © Bild: Privat

ANALYSE

Allein bis Juni hat das Innenministerium heuer 31.051 Asylanträge verzeichnet. Das waren fast drei Mal mehr als im Vergleichszeitraum des vergangenen Jahres und könnte aufgrund einer stark steigenden Tendenz darauf hinauslaufen, dass bis Dezember ähnlich viele zusammenkommen wie 2015.

2015 ist in der österreichischen Politik ein Art Code: Vor allem Türkise und Blaue, aber auch Rote wie der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) behaupten, alles zu fordern, damit sich die damalige Krise nicht wiederholen kann.

Normalität im Mittelmeerraum

Die Unterschiede zu damals sind jedoch groß. Anders als vor sieben Jahren gibt es bisher keine außergewöhnlichen Fluchtbewegungen über den Mittelmeerraum. Vom UNHCR, das Flüchtlingshochkommissariat der Vereinten Nationen, wurden im ersten Halbjahr knapp 50.000 Ankünfte in Europa verzeichnet. Das waren mehr als in den ersten sechs Monaten von 2019 bis 2021, aber deutlich weniger als von 2015 bis 2018. Die Entwicklung in Österreich hängt eher damit zusammen, dass sich Tausende auf den Weg gemacht haben, die in den vergangenen Jahren auf dem Westbalkan festgesessen sind.

Jetzt geht es um Teuerung

2015 steht auch für einen vorübergehenden Aufstieg der FPÖ unter Heinz-Christian Strache und schließlich einen noch größeren der ÖVP unter Sebastian Kurz: Er hat mit Botschaften wie der Schließung einer "Mittelmeer-" und einer "Balkanroute" Wahlen gewonnen. Heute würde das nicht aufgehen. Für eine Mehrheit der Menschen in Österreich steht ein ganz anderes Problem im Vordergrund: die Teuerung.

Das ist mit ein Grund dafür, dass die Sozialdemokratie auf Bundesebene in allen Umfragen weit vorne liegt. Durchschnittlich kommt sie auf rund 30 Prozent, während sich FPÖ und ÖVP mit 22 und 21 Prozent begnügen müssen. SPÖ-intern galt in den vergangenen Jahren abseits von Doskozil die Devise, dass man verloren ist, solange hauptsächlich Flüchtlingspolitik auf der Tagesordnung steht. Das ist ein Thema, das rechtspopulistischen Parteien "gehört". Bei der Teuerung sind hingegen durchaus linke Ansätze gefragt, wie sie von der selbsternannten Kanzlerkandidatin Pamela Rendi-Wagner mit "Preisdeckeln" schon länger propagiert werden.

Johannes Huber, Journalist und Blogger zur österreichischen Politik, www.diesubstanz.at