Stilfragen
Ich bin okay
Ela Angerer über Promis mit Durchschnittsgeschmack
"Ich will so bleiben, wie ich bin.“ Vielleicht summt Kendall Jenner gerade dieses Lied vor sich hin, während sie aus einem Drogeriemarkt in Los Angeles kommt. Das Topmodel hat dort eingekauft, und zwar eher keinen heißen Lippenstift in der aktuellen Modefarbe Burgunder, sondern Binden und Ohrenstäbchen. Zumindest sieht sie so aus: Über ihren Schultern lappt eine Jacke aus synthetischem Katzenfell, dazu trägt sie eine Stretchhose und flache Schuhe, die so praktisch wirken, als müsste sie ihr Geld als Busfahrerin bei den Wiener Linien verdienen. Die schwarze Sonnenbrille, mit der sie ihre Augen schützt, hätten die meisten von uns längst gegen Selbstabholung auf Willhaben verschenkt.
Karl Lagerfeld mag für sein prominentes Mannequin die Deluxe-Suite im Hotel Ritz buchen, privat bleibt seine Kendall das stinknormale Mädchen, das sie eben ist. Berühmt zu sein, hat sie beschlossen, verpflichtet sie nämlich zu nichts. Robbie Williams muss ja auch nicht plötzlich Tolstoi lesen, nur weil er einer der erfolgreichsten Popsänger aller Zeiten ist.
Wir Normalos sind so naiv, von Stars zu träumen, die rund um die Uhr besonders sind. Aber die spielen da zum Glück nicht mit. Anstatt sich „Krieg und Frieden“ reinzuziehen, spritzt sich Robbie Williams lieber Botox in die Stirn. Boris Becker fliegt nicht zum Dalai Lama, sondern zu einer Sektverkostung nach Sylt. Und Scarlett Johansson eröffnet in Paris ihren ersten Popcorn-Store, statt blöd an der Sorbonne herumzustudieren.
Kendall Jenner geht inzwischen noch einmal in den Drogeriemarkt zurück. Möglicherweise hat sie die Fußsalbe für ihre Mutter vergessen. Und während sie unerkannt zwischen den Regalreihen verschwindet, trällert sie selbstvergessen vor sich hin.