"Wolf": Musical-Uraufführung auf neuer Wolfgangsee-Seebühne

von "Wolf": Musical-Uraufführung auf neuer Wolfgangsee-Seebühne © Bild: APA/APA/BARBARA GINDL/BARBARA GINDL

"Wolf-Das Mystical“" auf der Seebühne am Wolfgangsee

Fast kann man von einem Wunder sprechen. Dass drei Bürgermeister von Wolfgangsee-Gemeinden die Idee haben, zum 1.100 Geburtstag "ihres" Heiligen ein Musical in Auftrag zu geben und dafür extra eine Seebühne bauen zu lassen - und dies dann auch tatsächlich umsetzen, ist wunderbar. Dass bei der Uraufführung von "Wolf - Das Mystical" von Franzobel (Text) und Gerd Hermann Ortler (Musik) am Donnerstag nicht alles begeisterte, ist dagegen vielleicht nicht verwunderlich.

Dabei ist vieles durchaus gelungen. Die überdachte Seebühne etwa, die Architekt Eduard Neversal vor das Ferienhort in Ried bei St. Wolfgang stellte, ist wohl gekommen, um zu bleiben - nicht nur, weil die Konstruktion, die mit ihren wuchtigen Stahlträgern und der über der Bühne befindlichen Orchesterbrücke den neuen Schafbergbahnhof zu zitieren scheint, mutmaßlich zu massiv ist, um ständig auf- und abgebaut zu werden (Letzteres ist "rückstandsfrei" möglich, wird versichert). Insgesamt zehn Vorstellungen des Musicals sind bis 22. Juni in diesem Sommer angesetzt, für nächstes Jahr ist eine Fortsetzung geplant, und es werden sich sicher Produktionen und Stoffe finden, die auch künftig hierher passen. Das Konzept, die 800 Besucherinnen und Besucher pro Aufführung mit Schiffen zum Spielort zu transportieren hat jedenfalls seinen Reiz. Der Wettergott spielte am Premierenabend mit: Der Regen blieb aus.

Auch das Libretto Franzobels erweist sich als tragfähig. Die nicht leichte Aufgabe, Kernelemente aus dem Leben des Bischofs von Regensburg auf die Bühne zu bringen, über den es viele Legenden, aber kaum gesicherte Quellen gibt, und dabei Geografie und Gegenwart miteinzubeziehen, hat er mit Anstand bewältigt. Ihn als Menschen zu zeigen, der "kein Heiliger sein" wollte, aber von seiner Umgebung und dem Teufel persönlich in die Rolle gedrängt wird, war eine gute Entscheidung. Bei Franzobel ist Wolfgang ein Liebender, der seinem Freund Heinrich, der als Priester in Rom Karriere macht, mehr verbunden ist als seiner Freundin Kathi, deren Hoffnungen auf eine klassische Paarbeziehung nicht erfüllt werden. Die Dramaturgie der verschiedenen Rückblenden in Wolfgangs Leben ist weniger, die Erfindung von drei kommentierenden Frauen aus der Gegenwart mehr geglückt.

Mit Musik und Regie wird man dagegen nicht glücklich. Der Südtiroler Komponist Gerd Hermann Ortler hatte angekündigt, musikalisch einen Bogen "vom mystischen Mittelalter bis zur Neuzeit" schlagen und unterschiedlichste Musiksprachen von Gregorianik bis zu Minimal Music und Jazz verwenden zu wollen. So klingt die Musik an diesem inklusive Pause zweieinhalbstündigen Abend auch. Laut und beliebig nämlich. Weit und breit keine Eigenständigkeit, die diesem neuen Musical etwas Charakteristisches geben würde, nirgends ein Song, der einem im Ohr bleibt. Dabei liefern der musikalische Direktor Christoph Huber und der Choreograf Jerome Knols durchaus professionelle Arbeit, und man kann sich der Meinung vieler Premierengäste durchaus anschließen: Ja, so klingt Musical. Ja, so sieht Musical aus. Toll, dass wir jetzt so etwas bei uns am See haben.

Ob es sich allerdings um ein Musical oder nicht doch eher um die Parodie eines solchen handelt, ist in der Regie von Viktoria Schubert unentschlossen. Mal drückt sie allzu sehr aufs Tempo und lässt kaum Zeit, Bilder und Stimmungen entstehen zu lassen, mal ironisiert sie das Treiben auf der Bühne. Da steht ein unbeholfener Mummenschanz beim Kirchenbau neben einem peppigen Rom-Rave, der den Sündentempel Vatikan illustriert.

Die beiden zentralen Partien sind gut besetzt. Der in Wien ausgebildete Berliner Konstantin Zander, der Mitglied im Musical-Ensemble des Landestheaters Linz war, bringt seine inneren Konflikte gut über die Rampe und wirkt in Habitus wie Weltverbesserungsanspruch ein wenig wie ein junger Milo Rau. Man wünschte ihm mehr Raum, stimmlich zu glänzen, und mehr Ruhe, seine Figur zu entwickeln. Den Teufel singt nicht wie angekündigt Anna Mateur, sondern Kaj Lucke, der Operetten- wie Musicalerfahrung mitbringt und vom Wolfgangsee an den Neusiedlersee wechseln wird - für "My Fair Lady" in Mörbisch. In "Wolf" spielt er den Teufel weniger als Verführer oder Höllenfürsten, sondern als Rapper mit Silberketten, der Verbindungen in die Unterwelt hat. Bianca Basler als Wolfgangs Lebensmensch Kathi und James Park als sein Freund Heinrich haben schöne und unsichere Momente gleichermaßen, die "drei weisen Frauen" Arthur Büscher, Rita Sebeh und Rebecca Soumagné bringen in Violett, Grün und Rosa grelle Farbe in Spiel, wenngleich ihr Witz nicht immer zündet.

Was wird bleiben von diesem Abend? Die nicht neuen Erkenntnisse, dass das Kulturland Österreich auch über die denkbar schönsten Kulissen verfügt und dass Musical ein verdammt schwieriges Genre ist. Und möglicherweise ein paar Tage Halsweh. Denn so ein Maiabend im Salzkammergut kann ziemlich frisch sein.

(Von Wolfgang Huber-Lang/APA)

(S E R V I C E - "Wolf - Das Mystical" auf der Salzkammergut-Seebühne in Ried am Wolfgangsee. Noch neun Vorstellungen bis 22. Juni )