Van der Bellen sieht EU-Wahl als wichtige Richtungsentscheidung

"Gehen wir in Richtung Nationalismus und Abschottung?"

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Die Europawahl mit der anschließenden Bildung einer neuen EU-Kommission werde eine Antwort bringen, orakelte Van der Bellen: "Gehen wir in Richtung Nationalismus und Abschottung und schwächen uns damit selbst? Oder erkennen wir, dass das gemeinsame Europa die einzig richtige Antwort auf die Entwicklung auf der Welt insgesamt ist?" Letztere sei unter anderem davon gekennzeichnet, dass "einige Nachbarn" diesseits und jenseits des Atlantiks "kein Interesse" hätten, dass sich die EU stark präsentiere.

Die USA oder Russland würden sich mit einzelnen kleinen Ländern ja "leichter tun", meinte Van der Bellen. Irritiert zeigte sich Van der Bellen insbesondere von der US-Administration unter Präsident Donald Trump. Diese sei unberechenbar geworden. Zudem habe Trump offenbar das "Interesse an Westeuropa" verloren. Das zeige sich auch in Trumps Zugang zur NATO. Dadurch könnte auch die Situation in Europa schwieriger werden, so Van der Bellen im Zusammenhang mit der Frage, ob er sich eine gemeinsame EU-Armee vorstellen könnte. "Österreich ist laut Verfassungstext an die Neutralität gebunden", erinnerte der Bundespräsident. Das habe aber auch bisher schon nicht ausgeschlossen, bei Auslandeinsätzen mit NATO-Verbänden zu kooperieren.

Zudem würden beispielsweise die USA mitunter wie frühere Kolonialmächte auftreten, befand Van der Bellen und brachte als Beispiel den Atomdeal mit dem Iran. Da sei die EU bei allen Vorbehalten der Meinung gewesen, dass sich der Iran an den Vertrag halte, Trump habe aber nicht nur in einem Alleingang neue Sanktionen gegen Teheran erlassen, sondern auch noch "Secondary Sanctions", die es europäischen Unternehmen "mit Erfolg" verbieten, mit dem Iran Handel zu betreiben. "Geht das nicht zu weit?", fragte Van der Bellen.

Eine starke und geeinte EU ohne Grenzen sei aber nicht nur für die Politik wichtig, sondern vor allem für die Wirtschaft, meinte der Bundespräsident und nannte eine Vorarlberger Firma als Beispiel. Diese habe vor 20 Jahren fünf Mitarbeiter gehabt. "Jetzt sind es 800, 400 davon in Vorarlberg." Die Exportquote dieses Unternehmen liege bei 98 Prozent, es beschäftige Mitarbeiter aus 25 Nationen. Derartige kleine und mittlere Betriebe gebe es viele. Daher habe Österreich größtes Interesse "am freien Handel und am Zuzug an Arbeitskräften, die wir brauchen."

Bezüglich der EU-Wahl gebe es noch "100 Fragezeichen", resümierte der Bundespräsident. Doch habe er den Eindruck, dass der Brexit-Entscheid "unserer britischen Freunde" vielen Menschen die Augen geöffnet habe. Es habe sich ein Bewusstsein entwickelt, dass die EU tatsächlich zerfallen könnte. Selbst die meisten rechtspopulistische Parteien in Europa - mit Ausnahme der AfD (Alternative für Deutschland) - würden jetzt einem EU-Austritt ihrer Länder nicht mehr das Wort reden. Daher hoffe er auch auf eine höhere Beteiligung als an den vergangenen Europawahlen. Die Leute müssten sehen, dass dies wichtig sei.

Van der Bellen zog knapp vor dem zweiten Jahrestag seiner Angelobung auch eine Bilanz seiner bisherigen außenpolitischen Aktivitäten. Er habe in zwei Jahren 35 Reisen unternommen, die folgenden Schwerpunkten gewidmet gewesen seien: "Zukunft der EU und Europas. Europa als beste Idee, die wir je hatten. Kampf gegen Klimawandel. Und die Rolle des Bundespräsidenten als Türöffner für die Wirtschaft."

Als herausragendes Beispiel für erfolgreiches Türöffnen nannte der Bundespräsident die Reise nach China, an der im Vorjahr auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und zahlreiche Mitglieder der türkis-blauen Bundesregierung sowie Wirtschaftsvertreter teilnahmen. Dabei seien Wirtschaftsverträge mit einem Volumen mit Volumen 1,5 Millionen Euro abgeschlossen worden, freute sich Van der Bellen.

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