US-Repräsentantenhaus stimmt für Milliardenhilfen für Kiew

von US-Repräsentantenhaus stimmt für Milliardenhilfen für Kiew © Bild: APA/APA/AFP/DREW ANGERER

Mike Johnson am Weg ins Repräsentantenhaus

Das US-Repräsentantenhaus hat nach monatelanger Blockade ein milliardenschweres Hilfspaket mit dringend benötigten Waffenlieferungen für die von Russland angegriffene Ukraine gebilligt. Die Parlamentskammer verabschiedete am Samstagnachmittag (Ortszeit) einen entsprechenden Gesetzentwurf, der rund 61 Milliarden US-Dollar (57,26 Mrd. Euro) für Kiew enthält. US-Präsident Joe Biden begrüßte das Votum und rief den Senat zur einer raschen Zustimmung auf.

Die kleinere Parlamentskammer dürfte dem Gesetz schon in der kommenden Woche zustimmen. Präsident Biden versprach am Samstag, dass er das Gesetz danach umgehend unterzeichnen werde. Er würdigte das Votum am Samstag. "An diesem kritischen Wendepunkt kamen sie zusammen, um dem Ruf der Geschichte zu folgen", bedankte sich der Präsident.

Der Entwurf wurde in der großen Parlamentskammer mit einer überparteilichen Mehrheit von 311 zu 112 Stimmen angenommen. Im Plenum gab es nach der Abstimmung Applaus. Etliche Abgeordnete wedelten mit Ukraine-Flaggen und riefen "Ukraine, Ukraine". Sie wurden zur Ordnung gerufen. Zahlreiche Republikaner votierten gegen die Hilfen, konnten aber die Annahme mithilfe der Demokraten von US-Präsident Joe Biden nicht verhindern. Die Republikaner haben in der Kammer eine hauchdünne Mehrheit. Den republikanischen Vorsitzenden des Repräsentantenhauses, Mike Johnson, könnte die Abstimmung den Job kosten. Mehrere radikale Abgeordnete, die Ex-Präsident Donald Trump treu ergeben sind, stemmten sich gegen die Ukraine-Hilfe.

"Ich weiß, dass es Kritiker der Gesetzesentwürfe gibt. Ich verstehe, dass dies keine perfekte Gesetzgebung ist", sagte Johnson nach der Abstimmung. Vor dem Kongress versammelten sich etliche Menschen, einige waren in Gelb und Blau gekleidet, den Farben der ukrainischen Flagge. Sie riefen "Danke, USA!". Die Demonstrantin Catherine Pedersen sagte zu der Abstimmung: "Wir stehen jetzt gegen Russland, China und Nordkorea auf und verhindern, dass sie die Welt in ein weiteres Chaos stürzen." Die Menschen in der Ukraine kämpften auch für die USA, sagte sie weiter.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj dankte dem US-Repräsentantenhaus und seinem Vorsitzenden Johnson für die Entscheidung, "die eine Ausweitung des Krieges verhindern und tausende und abertausende Leben retten wird". "Wir werden die amerikanische Unterstützung einsetzen, um unsere beiden Nationen zu stärken und diesen Krieg zu einem gerechten Ende zu bringen. Es ist ein Krieg, den Putin verlieren muss", sagte Selenskyj am Samstagabend in seiner täglichen Videoansprache mit Blick auf den Urheber des Aggressionskrieges, den russischen Machthaber Wladimir Putin.

Aggressor Russland vergoss nach dem Votum Krokodilstränen. Die Milliardenhilfen würden die Ukraine "weiter ruinieren" und zu mehr Toten in dem Konflikt führen, beklagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. Auch würde eine Klausel in dem Gesetz, die der US-Regierung die Verwendung beschlagnahmten russischen Vermögens für den Wiederaufbau der Ukraine erlaubte, das Image der USA beschädigen, sagte Peskow der Nachrichtenagentur TASS. Russland werde mit Maßnahmen im eigenen Interesse reagieren. Eine Sprecherin des russischen Außenministeriums sagte, dass die Milliardengelder für die Ukraine, Israel und Taiwan "die Krise in der ganzen Welt vertiefen" werden. Mit Blick auf die Ukraine-Hilfe sprach sie von einer "direkten Unterstützung terroristischer Aktivitäten". "Für Taiwan ist es eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten Chinas. Für Israel ist es ein direkter Weg zur Eskalation und einem beispiellosen Anstieg der Spannungen in der Region", formulierte die Sprecherin.

Hingegen sagte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg, dass die US-Hilfe für die Ukraine "uns alle sicherer" mache. "Die Ukraine nutzt die von NATO-Verbündeten bereitgestellten Waffen, um die russischen Gefechtsfähigkeiten zu zerstören", erklärte er am Samstagabend. Erfreut zeigten sich auch die Außenminister Großbritanniens, David Cameron, und Deutschlands, Annalena Baerbock. Das Votum zeige Kreml-Chef Wladimir Putin, dass "unser gemeinsamer Wille ungebrochen ist", so Cameron. "Mit Unterstützung kann und wird die Ukraine gewinnen." Überschwänglich wurde das Votum auch in den baltischen Staaten kommentiert. Der lettische Präsident Edgars Rinkevics sprach von einem "großartigen Tag für die freie Welt", sein litauischer Amtskollege Gitanas Nauseda von einem "großen Schritt in Richtung Sieg".

Das Ukraine-Paket sieht etwa 23 Milliarden US-Dollar für die Aufstockung des US-Militärbestands vor. Das Geld geht somit indirekt an die Ukraine, da die USA das von Russland angegriffene Land in der Regel mit Ausrüstung aus ihren Beständen ausstatten. Der Rest ist für weitere militärische Unterstützung und Finanzhilfe vorgesehen. Letztere ist als Darlehen angelegt. Zudem heißt es in dem Text, US-Präsident Biden solle der Ukraine "so bald wie machbar" weittragende Raketensysteme vom Typ ATACMS zur Verfügung stellen. Kiew hofft seit langem auf das Waffensystem, dessen Raketen vom Boden aus auf Ziele am Boden abgefeuert werden.

Das Repräsentantenhaus votierte am Samstag nicht nur für die Unterstützung für Kiew, sondern auch für die Unterstützung Israels durch Hilfen im Umfang von 26 Milliarden US-Dollar. Einerseits sollen damit zum Beispiel Israels Raketenabwehr und die laufenden Militäroperationen der USA in der Region finanziert werden. Andererseits sind rund neun Milliarden US-Dollar für humanitäre Unterstützung gedacht, darunter für die Menschen im Gazastreifen. Angenommen wurden auch rund acht Milliarden US-Dollar an Unterstützung für Taiwan und den Indopazifik-Raum und ein Text, der einen Verkauf der chinesischen Kurzvideo-App Tiktok vorsieht sowie Sanktionen gegen den Iran und die Beschlagnahmung russischer Vermögenswerte.

Damit die Milliardenhilfe fließen kann, muss noch der Senat zustimmen. Die von den regierenden Demokraten kontrollierte mächtigere Parlamentskammer hatte bereits im Februar für ein von Biden beantragtes milliardenschweres Hilfspaket votiert. Dieses sah ebenfalls Milliardenhilfen für die Ukraine, Israel und Taiwan vor. Im Repräsentantenhaus kam es aber nie zu einer Abstimmung, weil Parlamentsvorsitzender Johnson eine parteiinterne Revolte befürchtete.

Einen ersten Antrag für seine Abwahl reichte die stramm rechte Republikanerin Marjorie Taylor Greene bereits Ende März ein, später schlossen sich zwei weitere Abgeordnete der Partei an. Für sie ist die Abstimmung über Ukraine-Hilfen eine rote Linie. Ob Greene wirklich eine Abstimmung über Johnsons Abwahl forcieren wird, ist offen. Sollte sie dies tun, wäre Johnson wegen der knappen Mehrheit in der Kammer wohl auch hier auf die Unterstützung der Demokraten angewiesen. Auf die könnte er vermutlich zählen, da diese seit Monaten auf die Ukraine-Hilfen drängen.

Die USA gelten als wichtigster Verbündeter der Ukraine im Abwehrkampf gegen die russische Invasion. Seit Kriegsbeginn im Februar 2022 hat die Regierung von Präsident Biden militärische Hilfe im Umfang von mehr als 44 Milliarden US-Dollar für Kiew bereitgestellt. Hinzu kommen noch weitere Milliarden an nicht-militärischer Finanzhilfe. Die vom Kongress genehmigten Mittel sind nach Angaben der US-Regierung aufgebraucht - deshalb ist die Abstimmung über neue Hilfsmittel von großer Bedeutung.