Unverständnis über Abzug

UN-Sicherheitsrat einberufen - Ersatz-Truppen gesucht. Regierung verteidigt Rückzug.

von Uno am Golan - Unverständnis über Abzug © Bild: Bundesministerium für Landesverteidigung

Zuvor kam es erstmals direkt am Grenzposten bei der Stadt Quneitra an der Waffenstillstandslinie auf den Golan-Höhen zu heftigen Gefechten zwischen syrischen Rebellen und Regierungstruppen. Dem Regime gelang es dabei, den Grenzposten "Bravo-Gate" zurückzuerobern. Bei Beschuss aus Syrien wurden indes zwei nicht-österreichische UNDOF-Soldaten verletzt.

Regierung verteidigt Rückzug

Bundeskanzler Werner Faymann und Vizekanzler Michael Spindelegger kündigten daraufhin den Abzug der Bundesheer-Soldaten an. Die Gefahr für die Soldaten sei zu groß geworden, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung. Die ersten Blauhelme sollten bereits am 11. Juni abgezogen werden, sagte Verteidigungsminister Gerhard Klug. Binnen vier Wochen sollen alle Soldaten wieder in Österreich sein.

In den vergangenen Monaten hatten bereits Japan und Kroatien ihre Soldaten abgezogen. Gegenwärtig stellen noch Indien und die Philippinen Truppen.

UN-Generalsekretär österreichische Entscheidung

UN-Generalsekretär Ban Ki-moon bedauerte die Entscheidung Österreichs. Ban sorge sich um die möglichen Konsequenzen des Rückzugs, sowohl auf den Friedenseinsatz als auch auf die Stabilität in der Region, sagte Bans Sprecher am Donnerstag in New York. "Österreich war offensichtlich ein entscheidender Teil der Mission. Der Rückzug wird ihre Handlungsfähigkeit beeinträchtigen."

Die USA forderten Österreich um mehr Bemühungen zur Koordinierung mit den Vereinten Nationen auf. "Wir haben die Österreicher darum gebeten, sich mit der UN über das Timing ihres Abzuges abzustimmen, damit die UN einen Ersatz für ihre Truppen finden kann", sagte die Sprecherin des US-Außenministerium, Jen Psaki, am Donnerstagabend in Washington.

Verärgerung über Abzug

Israel reagierte offiziell mit Bedauern. "Wir wissen den langjährigen Beitrag Österreichs und seine Verpflichtung zum Schutz des Friedens in Nahost zu schätzen. Gleichzeitig bedauern wir diese Entscheidung und hoffen, dass sie nicht zu einer weiteren Eskalation in der Region führen wird", sagte ein Sprecher des Außenministeriums in Jerusalem.

Informell zeigte sich die israelische Regierung verärgert über den Abzug. "Das sendet eine sehr problematische Botschaft an die israelische Öffentlichkeit", zitierte der britische "Guardian" einen hochrangigen Offiziellen.

Auch Schweden zeigte sich enttäuscht von Österreich. Die Entscheidung zum Abzug sei "bedauerlich", twitterte der schwedische Außenminister Carl Bildt. Er habe jedoch vor einem Scheitern der Einigung auf ein EU-Waffenembargo gewarnt, schrieb Bildt am Rande der Bilderberg-Konferenz im britischen Watford.

Militärexperte: Abzugs-Entscheidung "nicht nachvollziehbar"

Als "bedauerlich" und "nicht nachvollziehbar" hat der Militärexperte und frühere Leiter der Direktion für Sicherheitspolitik im Verteidigungsministerium, Erich Reiter, Österreichs Entscheidung zum Abzug der UNO-Soldaten vom Golan bezeichnet. "Österreich verzichtet damit auf den einzigen maßgeblichen Beitrag, den es zur Mitwirkung am Weltfrieden leistet", kritisierte Reiter im Gespräch mit der APA.

"Das zeigt wie hohl die österreichische Sicherheitspolitik ist - sobald es gefährlich wird, ziehen wir ab," konstatierte Reiter harsch. Aus militärisch-strategischer Sicht sei der Schritt "nicht notwendig" gewesen. Denn es sei nicht davon auszugehen, dass UNO-Soldaten direkt angegriffen würden, auch wenn sie von Kampfhandlungen betroffen sein könnten, so der Präsident des Internationalen Instituts für Liberale Politik (IILP).

Die Entscheidung zum Abzug der rund 380 Soldaten von der UNO-Mission auf den Golan-Höhen bedeutet angesichts der Truppenstärke, die Österreich stellte, nach Meinung des Sicherheitsexperten wahrscheinlich auch das Ende der UNO-Mission. "Sollte ein anderes Land für uns einspringen, sind wir blamiert," so Reiter. Wenn die internationale Friedensarbeit letztlich danach beurteilt werde, ob die Situation gefährlich werden könne und nicht ob sie notwendig sei, zeige dies die "unrealistische Einstellung zur Aufgabe der Soldaten in Österreich". Hierzulande seien Soldaten nämlich "nicht dazu da, im Krieg zu sein, sondern um nach dem Hochwasser den Schlamm wegzuräumen," kritisierte Reiter. "Die Aufgabe von Soldaten ist immer gefährlich".

Lage bleibt angespannt

Die Lage am Golan blieb am Donnerstag angespannt. Israel beschwerte sich offiziell bei der UN-Truppe über das Eindringen syrischer Panzer in die Sicherheitszone, wie der Nachrichtenagentur dpa aus militärischen Kreisen bestätigt wurde. Laut einem Reporter der Nachrichtenagentur AFP verlagerte Israel als Reaktion Panzer in die Nähe des Golan.

Israel hatte die Golanhöhen im Sechstagekrieg 1967 von Syrien erobert und später annektiert. Beide Länder befinden sich offiziell im Kriegszustand. Ein Jahr nach dem Jom-Kippur-Krieg von 1973 wurde die Einrichtung einer Pufferzone unter UN-Kontrolle vereinbart. Dort dürfen sich eigentlich nur UN-Beobachtertruppen aufhalten. Allerdings wird das sowohl von Rebellen als auch durch das Regime oft ignoriert. UN-Soldaten wurden von regierungsfeindlichen Milizen sogar entführt.

Philippinen prüfen Abzug

Nach der Ankündigung Österreichs über den Rückzug aus der UN-Blauhelmmission auf den Golan-Höhen überprüfen auch die Philippinen ihre weitere Beteiligung an dem Einsatz. Über den im Mai vorgebrachten Vorschlag des Außenministeriums, sich ebenfalls zurückzuziehen, habe Präsident Benigno Aquino noch nicht entschieden, sagte eine Sprecherin der Präsidentschaft in Manila am Freitag der Nachrichtenagentur AFP. Aus dem Außenamt hieß es, die Empfehlung zum Abzug der etwa 340 philippinischen Soldaten habe Bestand.

Österreich hatte angesichts schwerer Kämpfe zwischen syrischen Regierungstruppen und Rebellen auf den Golan-Höhen am Donnerstag den Abzug seiner Blauhelmsoldaten aus militärischen Gründen ab Dienstag angekündigt. Die Gefährdungslage für die Soldaten der UN-Mission UNDOF wurde als "inakzeptabel" bezeichnet. Die UNO leitete umgehend Gespräche über die Zukunft der Mission ein, bei der Österreich zuletzt die meisten Soldaten gestellt hatte.

Die UNDOF überwacht seit dem Jahr 1974 die Waffenstillstandslinie zwischen den von Israel besetzten Golan-Höhen und Syrien. Österreich war von Anfang an dabei und stellte zuletzt rund 380 Soldaten - so viele wie kein anderes Land. Dritter wichtiger Truppensteller neben Österreich und den Philippinen ist Indien. Nach Kanada und Japan hatte sich im März Kroatien zurückgezogen, wodurch die Truppenstärke auf etwa 900 bis 1.000 Soldaten zurückging.

Russland bereit, Österreicher zu ersetzen

Russlands Präsident Wladimir Putin hat die Stationierung russischer Blauhelmsoldaten auf den Golanhöhen vorgeschlagen. Ein russisches Kontingent von Friedenssoldaten solle das österreichische Kontingent ablösen, sagte Putin am Freitag nach Berichten russischer Nachrichtenagenturen. "Natürlich gilt das nur für den Fall, dass die regionalen Mächte daran interessiert sind und der UN-Generalsekretär uns darum bittet", sagte Putin am Freitag bei einem Treffen mit Offizieren in Moskau.

Die Vereinten Nationen haben die Stationierung russischer Blauhelmsoldaten auf den Golanhöhen jedoch abgelehnt. Als einer der fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats dürfe sich Russland an den Friedensmissionen der UNO nicht beteiligen, erklärte der Sprecher von UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon, Martin Nesirky, in New York.

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