Ukrainische und russische Anti-Kriegs-Demos in Wien

von Ukrainische und russische Anti-Kriegs-Demos in Wien © Bild: APA/GEORG HOCHMUTH

Zahlreiche Menschen nahmen am "Marsch des Lichts" teil

Ukrainerinnen und Ukrainer in Österreich haben am Samstagabend mit einer Großkundgebung in Wien des zweiten Jahrestags der russischen Aggression gegen ihr Land gedacht. Nach Kundgebungen am Heldenplatz und vor dem Parlament mit laut Polizei 2.000 Teilnehmern zog ein Teil in einem "Marsch des Lichts" zum Karlsplatz. Zuvor hatten auch Russen eine Anti-Kriegs-Demonstration in Wien abgehalten. Etwa 250 Menschen folgten laut Veranstaltern einem Aufruf russischer Kriegsgegner.

"Die ukrainische Community in Österreich hat sich hier wieder versammelt, um ihren Zusammenhalt zu zeigen sowie ein Signal aus Wien in die Ukraine und in andere Teile Österreichs zu senden", kommentierte der ukrainische Botschafter in Wien, Wassyl Chymynez, am Rande der Demonstration. Dieses Signal sei einfach zu verstehen: Die Ukrainerinnen und Ukrainer wollten Frieden und in freien Land leben, sie müssten aber bei der Verteidigung des Landes zusammenhalten, sagte er der APA.

Beim Zwischenhalt vor dem Parlament wandten sich Nationalrätinnen sowie Europaparlamentarier von Grünen, NEOS, ÖVP und SPÖ an die zahlreichen Kundgebungsteilnehmer. Sie ernteten mit ihren Versicherungen, dass die Ukraine weiter unterstützt würde, auf großen Beifall. "Wir stehen als 4 Parteien im Parlament hinter euch und wir werden die Ukraine nicht im Stich lassen", rief Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne) in einer kleinen Brandrede. Inhaltlich ähnlich gelagerte Aussagen kamen aber auch von Petra Bayr (SPÖ), Stephanie Krisper (NEOS), Lukas Mandl (ÖVP) und Andreas Schieder (SPÖ). Letzterer sprach davon, dass man sich freilich an einem traurigen Tag getroffen habe. "Die Ukraine muss frei sein und Putin muss für seine Taten büßen", sagte der SPÖ-Europaparlamentarier.

Am anschließenden Weg zum Karlsplatz wurden schließlich nicht nur patriotische Lieder gesungen, die ukrainischen Demonstranten verdeutlichten insbesondere auch jene Wut, die auf Russland haben. In Slogans wurde der Zerfall des Nachbarlandes herbeigesehnt, der als "Terrorstaat" bezeichnet wurde. Abschließend versammelte man sich vor der Karlskirche und schwenkte synchron Smartphone-Lampen. Die vom Diaspora-Verein "Mrija" ("Traum", Anm.) organisierte Demonstration erwies sich dabei jedoch als deutlich kleiner als jene vor genau einem Jahr: Damals hatte die Polizei insgesamt von 8.000 Teilnehmern gesprochen, nun war mit Verweis auf die Auswertung von Drohnenaufnahmen von 2.000 Demonstranten vor dem Parlament und von 800 Teilnehmern am abschließenden Marsch die Rede.

Im Wiener Stephansdom, im Dom in Salzburg und in Innsbruck fanden zum Jahrestag ökumenische Friedensgebete statt, meldete Kathpress. Der Feier im Stephansdom standen Kardinal Christoph Schönborn und die Spitzen der heimischen Ökumene sowie zwei Bischöfe aus der Ukraine vor. Sowohl der Wiener Erzbischof, als auch Botschafter Chymynez gedachten der zahlreichen Opfer des Krieges und erbaten eindringlich den Frieden für die Ukraine. Erzbischof Franz Lackner wurde von Generalvikar Roland Rasser vertreten. Er rief im Salzburger Dom dazu auf, sich nicht an den Krieg zu gewöhnen. "Im Gebet wächst trotz allem eine Widerstandskraft, ganz bestimmt jedoch eine Zuversicht", sagte Bischof Hermann Glettler im Innsbrucker Dom, wo sich u.a. Landtagspräsidentin Sonja Ledl-Rossmann und Staatssekretär Florian Tursky (ÖVP) zum Gedenken versammelten.

"Wir denken mit Mitgefühl auch an die Mütter, deren Söhne auf beiden Seiten durch sinnlose Gewalt zu Tode gekommen sind", betonte Kardinal Schönborn. Das Gebet gerade angesichts eines "sinnlosen Krieges" bezeichnet Schönborn als eine "Macht". An der Feier im Stephansdom nahmen auch Nuntius Erzbischof Pedro Lopez, der evangelische Bischof Michael Chalupka, der armenisch-apostolische Bischof und der Vorsitzende des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich, Tiran Petrosyan, der griechisch-orthodoxe Metropolit und Vorsitzende der Orthodoxen Bischofskonferenz in Österreich, Arsenios (Kardamakis), sowie Chorepiskopus Emanuel Aydin von der Syrisch-Orthodoxen Kirche und der Wiener Ostkirchen-Generalvikar, der ukrainisch-katholische Geistliche Jurij Kolas teil. Vertreter der russisch-orthodoxen Kirche, die den verbrecherischen Angriffskrieg aktiv unterstützt, fehlten. Auch zahlreiche Vertreter aus Diplomatie und Politik waren bei der Feier.

Die Demonstration von "Russians against war" im Stadtzentrum war die bisher größte Antikriegsmanifestation der russischen Community in Österreich. Neben kämpferischen Tönen im Geist des toten Oppositionsführers Alexej Nawalny war auch von Trauer die Rede, einige Demonstrantinnen weinten.

"Wir demonstrieren heute, wie bereits auch vor zwei Jahren und vor einem Jahr, gegen die Entscheidung der russischen Regierung, bringen unsere Solidarität mit allen Opfern des Kriegs zum Ausdruck und sind gemeinsam an diesem Trauertag hier", sagte eine der Vertreterin der Organisatoren "Russians against war" am Michaelerplatz im 1. Wiener Gemeindebezirk. Sie ersuchte aus Angst vor möglichen Repressalien gegen Verwandte in Russland, namentlich nicht genannt zu werden.

Bereits im Vorfeld hatten "Russians against war" intern auf das Risiko einer Strafverfolgung in Russland im Zusammenhang mit Antikriegsslogans hingewiesen und exponierten Teilnehmern unter anderem empfohlen, ihre Gesichter teils zu verhüllen. Nach der Ermordung eines russischen Überläufers in Spanien gebe es auch unter Russen in Österreich die Angst, dass sich Derartiges auch in Wien wiederholen könnte, versicherte der APA ein maskierter Demonstrationsteilnehmer.

Verwüste Städte, Hunderttausende Tote und Folter in der Ukraine würden auch in Russland die Menschen nicht kalt lassen, erklärte eine weitere Organisatorin. "Nur ist es in Russland derzeit nicht möglich darüber frei zu sprechen: Jeder wird verfolgt, der öffentlich seine Meinung (gegen den Krieg, Anm.) sagt", erläuterte sie. Die Demonstrantinnen und Demonstranten in Wien ließen indes an ihrer Haltung auch in der Öffentlichkeit keinen Zweifel: Skandiert wurde "Stoppt die russische Aggression", "Putin nach Den Haag" und "Putin ist ein Mörder". Gerufen wurde zudem "Russland wird frei sein", ein insbesondere auch von Alexej Nawalny verwendeter Slogan. Das Schicksal des Oppositionspolitikers wurde auf Plakaten vereinzelt thematisiert: So war etwa davon die Rede, dass Putin seinen Leichnam an Nawalnys Mutter übergeben solle - was in der Zwischenzeit passiert ist.

"Diese Demonstrationen, insbesondere wenn sie in vielen Städten Europas stattfinden, zeigen, dass diese Russen außerhalb Russlands ein Teil der russischen Politlandschaft geblieben sind, erklärte der prominente russische Politologe Kirill Rogow der APA am Rande der Veranstaltung. Er bezeichnete die Kundgebungen als "wichtiges Zeichen für Europa". Rogow ist seit März 2022 am Institut für die Wissenschaft vom Menschen (IWM) in Wien tätig, in Russland selbst wurde er vom Justizministerium als "Ausländischer Agent" stigmatisiert.