Putin gratuliert Armee zur Eroberung von Awdijiwka

von Putin gratuliert Armee zur Eroberung von Awdijiwka © Bild: APA/APA/AFP/POOL/ALEXANDER RYUMIN

Putin gratulierte zur Eroberung Awdijiwkas (Archivbild)

Russlands Präsident Wladimir Putin hat seiner Armee zur Eroberung der ostukrainischen Stadt Awdijiwka in dem von ihm angeordneten Angriffskrieg gegen das Nachbarland gratuliert. "Der Präsident hat unseren Soldaten und Kämpfern zu einem so wichtigen Sieg und einem solchen Erfolg gratuliert", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Samstagabend laut Agentur Interfax.

Laut ukrainischem Militär sind mittlerweile die meisten ihrer Soldaten aus der völlig zerstörten Stadt im Gebiet Donezk zurückgezogen. Beide Seiten teilten mit, dass die jeweils andere innerhalb der letzten 24 Stunden rund 1.500 Soldaten verloren habe. Unabhängig überprüfen ließ sich das aber nicht.

Nach ihrem Rückzug aus Awdijiwka haben sich die ukrainischen Truppen auf einer neuen Verteidigungslinie westlich der Industriestadt festgesetzt. Dies sagte der Militärsprecher für den Frontabschnitt, Dmytro Lychowij, am Samstag im ukrainischen Fernsehen. Einige Soldaten seien in Awdijiwka in Gefangenschaft geraten, hieß es weiter. Luftwaffenchef Mykola Oleschtschuk verbreitete indes positive Nachrichten: Im Osten seien drei russische Kampfflieger abgeschossen worden.

Dabei handle es sich um zwei Su-34-Kampfbomber und einen Su-35-Kampfjet, so Oleschtschuk auf Telegram. Sollte sich dies bestätigen, würde es für Russland einen Verlust von hoch entwickelten Kampfflugzeugen im Wert von mehr als 100 Millionen Dollar bedeuten.

Bei Awdijiwka dürfte es indes eine Beruhigung der Situation geben. "Die Intensität der Kampfhandlungen hat sich nach Mitternacht bis sechs Uhr (5.00 Uhr MEZ) verringert", sagte Militärsprecher Lychowij. Nach dem Höhepunkt der Angriffe am Vortag werde eine kürzere Ruhepause seitens der Russen erwartet.

Brigadegeneral Olexander Tarnawskyj sagte, dass beim Rückzug aus der Stadt einige Soldaten in russische Gefangenschaft geraten seien. In der Endphase des Abzugs seien unter dem Druck der weit überlegenen feindlichen Kräfte einige Soldaten gefangen genommen worden, sagte er.

Unklar blieb, auf welche Linie sich die ukrainischen Truppen zurückgezogen haben. In der Nacht hatte der Kommandant der Dritten Sturmbrigade, Andrij Bilezkyj, ebenfalls den Rückzug seiner Einheit bestätigt. Diese hatte kurz zuvor noch Bilder ihrer Soldaten aus Bunkeranlagen in der stadtprägenden Kokerei verbreitet. Ob die bisher nicht von einer Einschließung bedrohte Fabrik ebenso aufgegeben wurde, war zunächst unklar.

In der Nacht hatte der neue ukrainische Oberkommandierende Olexander Syrskyj den Rückzug aus dem monatelang umkämpften Awdijiwka bekannt gegeben. Die Entscheidung sei getroffen worden, "um ukrainische Menschenleben zu retten", sagte Präsident Wolodymyr Selenskyj bei der Münchner Sicherheitskonferenz. Zugleich betonte er, dass dem Feind dadurch kein Vorteil im Krieg entstehen werde.

Seit Oktober waren russische Truppen unter großen Verlusten auf die Stadt mit einst über 30.000 Einwohnern vorgerückt. Beobachter hatten vermutet, dass der russische Präsident Putin eine Einnahme der Stadt noch vor den russischen Präsidentschaftswahlen Mitte März angeordnet hatte. Bei Awdijiwka verlief bereits seit 2014 die Front zwischen moskautreuen Separatisten und der ukrainischen Armee. Vor knapp zwei Jahren hat Russland eine groß angelegte Invasion der Ukraine gestartet.

Eine Eroberung der Stadt durch russische Truppen sei zwar strategisch nicht bedeutend, sie lasse sich aber vom Kreml propagandistisch ausschlachten vor der russischen Präsidentenwahl im März, schrieben die Experten des US-amerikanischen Instituts für Kriegsstudien. Zuletzt hatte die Ukraine im Frühjahr 2023 die ebenfalls monatelang umkämpfte Stadt Bachmut aufgeben müssen. Der Fall von Awdijiwka ist seitdem der größte Rückschlag für die Ukraine.

Syrskyj schrieb weiter, die Soldaten erfüllten ihre militärische Pflicht mit Würde und machten alles, "um die besten russischen Militäreinheiten zu vernichten"; sie fügten dem Feind erhebliche Verluste an Personal und Ausrüstung zu. "Wir ergreifen Maßnahmen, um die Lage zu stabilisieren und unsere Positionen zu halten." Das Leben der Militärangehörigen sei der höchste Wert.

Der kommandierende General für diesen Frontabschnitt, Olexander Tarnawskyj, schrieb auf Telegram, die Armee habe Awdijiwka gemäß Befehl verlassen und habe die vorbereiteten Stellungen erreicht. "In einer Situation, in der der Feind unter ständigem Bombardement über die Leichen seiner eigenen Soldaten vorrückt und dabei einen Vorteil von zehn zu eins hat, ist dies die einzig richtige Entscheidung", schrieb er. Die Einkesselung sei verhindert worden, das Personal abgezogen, die Soldaten nähmen die Verteidigung an den vorgesehenen Linien auf.

In den vergangenen Tagen war die Lage für die ukrainischen Verteidiger in der Stadt immer schwieriger geworden. Die ukrainischen Verteidiger wehrten sich unter "unmenschlichen Bedingungen", schrieb der Pressedienst der in Awdijiwka eingesetzten 110. Brigade der ukrainischen Armee am Freitag auf Facebook. "Heute wirft der Feind enorme Kräfte in Form von Personal, gepanzerten Fahrzeugen und Flugzeugen in Richtung Awdijiwka."

Die russische Luftabwehr wehrte in der Nacht auf Samstag eigenen Angaben zufolge zwei ukrainische Drohnen in der südwestrussischen Region Belgorod nahe der Grenze zur Ukraine ab. Das teilte die staatliche Nachrichtenagentur Tass unter Berufung auf den Gouverneur der Region mit. Nach vorläufigen Informationen gebe es keine Verletzten oder Schäden. Ob wirklich alle Geschosse im Anflug abgewehrt werden konnten, war zunächst nicht unabhängig überprüfbar. Die russische Seite, die seit mittlerweile knapp zwei Jahren einen Angriffskrieg gegen das Nachbarland führt, meldet im Fall ukrainischer Drohnenattacken oft nur vermeintliche Erfolge der eigenen Luftverteidigung. Bei ihrem Abwehrkampf gegen die russische Invasion beschießt die Ukraine auch immer wieder russisches Staatsgebiet - sowohl in der Grenzregion als auch im Hinterland. Opferzahlen und Schäden stehen dabei allerdings in keinem Verhältnis zu den schweren Kriegsfolgen in der Ukraine.