Terrorprozess in Wien gegen mutmaßlichen IS-Kämpfer

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Die Anklage fußte auf Informationen des US-Geheimdiensts FBI. Der Angeklagte bekannte sich "nicht schuldig".

Im März 2016 erhielten zahlreiche europäische Abwehrdienste - darunter auch das heimische Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) - brisante Unterlagen. Dem FBI war es gelungen, in den Besitz von aus dem damaligen IS-Territorium stammenden Registraturblättern der Terrormiliz zu kommen. 5.185 Datensätze betrafen junge Europäer, die sich in Syrien oder im Irak dem IS angeschlossen hatten. Bei der Auswertung der handschriftlich auf Arabisch verfassten Tabellen, die das FBI den europäischen Partner-Behörden übermittelte, konnte 25 Personen ein Österreich-Bezug zugeordnet werden. Sieben von ihnen konnten schließlich vom BVT identifiziert werden. Einer aus dieser Gruppe soll der mittlerweile 22 Jahre alte Angeklagte sein.

Fest steht, dass der in Österreich aufgewachsene Schulabbrecher, seine Eltern waren aus Tschetschenien in den Westen geflüchtet, knapp nach seinem 18. Geburtstag in einem Pkw nach Istanbul gereist ist. Staatsanwältin Kristina Jahn ist überzeugt, dass die Reise anschließend ins IS-Gebiet weiterging. Die dem BVT überlassenen Unterlagen seien "authentisch", der Angeklagte sei vom IS als Kämpfer gekennzeichnet worden, verwies sie auf die geheimdienstlichen Informationen. "Was er genau dort gemacht hat, wissen wir natürlich nicht", räumte die Anklägerin ein. Allein mit der psychischen Unterstützung des IS sei allerdings ein Tatbeitrag zur terroristischen Vereinigung erfüllt.

Der laut Anklage den 22-Jährigen betreffende Datensatz weist allerdings einige Unschärfen auf, wie Verteidiger Florian Kreiner betonte. Zwar ist in dem Eintrag das korrekte Geburtsdatum des jungen Mannes vermerkt. Der Familienname wurde jedoch fehlerhaft festgehalten. Die Staatsanwältin sprach von einem "Schreibfehler", ein als Zeuge geladener BVT-Beamter von einer "phonetisch zuordenbaren Schreibweise". Beides ließ Kreiner nicht gelten, der überdies darauf hinwies, dass der auf dem Datenblatt ebenfalls vermerkte Name der Mutter "völlig falsch" sei: "Sie heißt nicht Maria."

Der Angeklagte behauptete, er habe in Istanbul eine Freundin besucht, mit der er sich zuvor über Facebook angefreundet hatte. Visum habe er keines bekommen, daher habe er sich von einem Bekannten in die Türkei chauffieren lassen. "Ich habe sie geliebt. Es war was Ernstes", versicherte er dem Schöffensenat (Vorsitz: Martina Hahn). Seinen Eltern habe er nichts gesagt und sei heimlich aufgebrochen, weil diese mit seinen Plänen nicht einverstanden gewesen wären.

Viel mehr als den Vornamen der angeblichen Geliebten konnte er auf Befragen des Gerichts aber nicht angeben. Weder wusste er ihren Familiennamen noch ihre Adresse, wo er mehrere Wochen gelebt haben will. Auch ihr Facebook-Profil habe er "vergessen", gab er zu Protokoll: "Das ist vier Jahre her." Er habe das Mädchen ("Sie war ein oder zwei Jahre jünger") dazu überreden wollen, mit ihm nach Österreich zu gehen. Als sie das ablehnte, habe er seinen Vater angerufen, sich über Western Union Geld überweisen lassen und sei mit dem Flugzeug nach Wien zurückgekehrt.

Dass der am 27. Juli 2014 erfolgte Rückflug so einfach zu bewerkstelligen war, war für den Verteidiger ein weiterer Beweis, dass sich sein Mandant niemals auf IS-Gebiet befunden haben kann: "Der Mann, der unser Angeklagter sein soll, hat den FBI-Informationen zufolge beim IS den Reisepass und sein Handy abgeben müssen." Sein Mandant sei aber mit Pass und Smartphone in Wien gelandet. "Es ist mehr als unwahrscheinlich, dass man ihm beides gegeben hätte, wenn er nach wenigen Wochen wieder den IS verlassen hätte", stellte Kreiner fest.

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