Syrische Truppen auf dem Vormarsch in Ost-Ghouta

Truppen erobern mehrere Dörfer von Rebellen in Ost-Ghouta

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Die endlosen Bombardierungen und Raketenangriffe auf Zivilisten in Ost-Ghouta nahe der syrischen Hauptstadt und im Rest des Landes könnten laut Vereinten Nationen (UNO) Kriegsverbrechen sein. "Was wir in Ost-Ghouta und anderswo in Syrien sehen, sind wahrscheinlich Kriegsverbrechen und möglicherweise Verbrechen gegen die Menschlichkeit", sagte der UNO-Hochkommissar für Menschenrechte, Zeid Ra'ad al-Hussein, am Freitag bei einer Dringlichkeitsdebatte im UNO-Menschenrechtsrat in Genf zur Lage in Ost-Ghouta. Die Täter würden eines Tages zur Rechenschaft gezogen werden. "Die Mühlen der Justiz sind vielleicht langsam, aber sie mahlen", so Hussein.

Der belagerte Vorort von Damaskus, in dem rund 400.000 Menschen leben, ist eines der letzten größeren Rückzugsgebiete der Aufständischen. Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) erklärte, die syrische Regierung werde möglicherweise am Sonntag einen Hilfskonvoi mit Lebensmitteln für 180.000 Menschen in den Ort Duma in Ost-Ghouta fahren lassen. Über weitere Transporte zur Versorgung der übrigen mehr als 200.000 Bewohner des Gebiets gebe es erste Absprachen. Es existiere aber noch keine Einigung über die Evakuierung von etwa 1.000 Menschen in schlechtem gesundheitlichem Zustand, sagte der Nahost-Chef von UNICEF, Geert Cappelaere, in Genf.

"Wir haben einen Hinweis bekommen, dass die syrische Regierung am 4. März einen Hilfskonvoi passieren lassen könnte", sagte Cappelaere. UNICEF stehe zur Abfahrt bereit. Der Konvoi umfasse vor allem Lebensmittel und Medikamente. Die Zahl der akut unterernährten Kinder in der Enklave habe sich in den vergangenen sechs Monaten verzehnfacht. Regierungstruppen belagern Ost-Ghouta seit 2013. In den vergangenen Monaten strafften sie den Belagerungsring jedoch weiter, so dass kaum noch Hilfslieferungen durchkamen. In der Region gehen inzwischen Lebensmittel, Wasser, Strom und Medikamente aus.

An der Spitze der Evakuierungsliste stehen nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO 84 Schwerkranke und Verletzte, die in kritischer Verfassung sind und deshalb dringend behandelt werden müssen. Die WHO appelliere an die syrische Regierung und alle anderen Kriegsparteien, als einen Anfang zumindest die Evakuierung dieser Erwachsenen und Kinder zuzulassen, sagte der stellvertretende WHO-Chef Peter Salama.

Deutschland, Frankreich und die USA riefen Russland auf, seinen Einfluss auf die Regierung in Damaskus zu nutzen, um den im UNO-Sicherheitsrat ausgehandelten Waffenstillstand in Syrien umzusetzen. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und US-Präsident Donald Trump forderten Russland nach einem Telefonat am Donnerstagabend zudem auf, das Bombardement Ost-Ghoutas zu stoppen. Die syrische Regierung müsse für die Verschlechterung der humanitären Lage in dem Gebiet zur Rechenschaft gezogen werden. Ähnliche Forderungen erhob auch der französische Präsident Emmanuel Macron nach einem Telefonat mit Trump.

Bei den Kämpfen dort wurden in den vergangenen zwölf Tagen hunderte Menschen getötet. Es waren die schwersten Gefechte seit Beginn des Krieges vor sieben Jahren. Der UNO-Sicherheitsrat einigte sich vergangenen Samstag auf eine Resolution, die einen 30-tägigen Waffenstillstand für das Land fordert. Dieser wird vor Ort jedoch nicht eingehalten. Syrien und Russland treiben die Kämpfe weiter voran und begründen dies damit, dass sie gegen Terroristen vorgingen. Diese sind vom Schutz der von Russland verkündeten Feuerpause ausgenommen, die täglich von 9.00 bis 14.00 Uhr (Ortszeit) eingehalten werden sollte.

Auf Antrag Großbritanniens berät der UNO-Menschenrechtsrat am Freitag in Genf in einer Sondersitzung über die Lage in Ost-Ghouta. Die USA bezeichneten Russlands Angebot der Errichtung eines Fluchtkorridors als einen Witz. Die Menschen in der Enklave trauten sich nicht, einen solchen Korridor zu benutzen: Sie fürchteten, bei der Armee zwangsverpflichtet, ins Ausland vertrieben oder getötet zu werden.

Dank der militärischen Unterstützung Russlands hat Assad in den vergangenen Jahren stetig Territorium von den Aufständischen zurückgewonnen. In Ost-Ghouta wendet er offenbar ähnlich Methoden wie bei der Rückeroberung der Großstadt Aleppo 2016 an - eine Mischung aus Luftangriffen und Vorstößen von Bodentruppen.

Im Norden Syriens treibt unterdessen die Türkei ihre Offensive gegen die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) weiter voran. Türkische Kampfflugzeuge töteten bei einem Angriff im Norden der syrischen Region Afrin nach Darstellung der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte mindestens 17 Menschen. Die Attacke in der Nacht zum Freitag habe auf prosyrische Truppen gezielt.

Unter den Toten seien drei Mitglieder der YPG. Die übrigen Toten hätten zu regierungstreuen Milizen gehört, die Präsident Bashar al-Assad unterstützen und vergangene Woche nach Afrin vorgerückt seien, um den türkischen Vormarsch zu stoppen. Das türkische Militär wollte sich dazu nicht äußern. Die Armee meldete in der Nacht auf Freitag, am Donnerstag seien acht ihrer Soldaten getötet und 13 verletzt worden. Damit hat das türkische Militär nach eigenen Angaben bisher 41 Soldaten verloren.

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