Mächtige Stämme bilden Koalition
gegen Islamischen Staat

Syrien: Bündnis will mit Hilfe der USA die Jihadisten unter Kontrolle bekommen

von Jihad-Kämpfer mit Gewehr. © Bild: Thinkstock

So äußerten die Stammesführer Unmut darüber, dass die USA bislang nur kurdische und schiitische, aber keine sunnitischen Kämpfer unterstützt hätten. Wie der britische "Independent" berichtet, haben Vertreter der neu gebildeten "Koalition der syrischen Stämme und Clans" bereits den Kontakt zum amerikanischen Syrien-Sonderbeauftragten John Allen gesucht.

Vor zwei Wochen sei außerdem beim Syrien-Sonderbeauftragten der UNO, Staffan de Mistura, wegen eines möglichen Friedensabkommens mit dem Assad-Regime angeklopft worden. Wenn der Machthaber zu Verhandlungen bereit sei, stünde man für Gespräche bereit. Bislang gab es aber noch keine Anzeichen für eine solche Initiative.

Stämme haben Gewicht

Die sunnitischen Stämme gelten im blutigen Bürgerkrieg in der Levante als Schlüsselfaktor, wie der "Independent" schreibt. Sie verfügen über Hunderttausende loyale Anhänger, die gegen den Islamischen Staat in die Schlacht geworfen werden könnten.

Freilich ist auch IS der Wert der Stämme bekannt, folglich werden die Clans auch von den Jihadisten umgarnt. Die Führer des Kalifats haben sehr früh erkannt, dass sie die sunnitischen Stämme auf ihre Seite bringen müssen, wenn sie die Kontrolle über die Gebiete absichern wollen, die sie im vergangenen Jahr erobert haben.

Die Stämme sind nach Ethnien und Glaubensgemeinschaften stark zersplittert. Doch weil der IS alle Nicht-Sunniten als Ketzer verfolgt, kommen für ihn nur die "wahren" Glaubensbrüder als Verbündete infrage. In Syrien gibt es 15 sunnitische Stämme.

Zuckerbrot und Peitsche

Experten berichten, dass der IS mit Zuckerbrot und Peitsche agiert, um die Loyalität der sunnitischen Stämme zu sichern, was aber nur Teilerfolge bringe. Die Autoren einer aktuellen Studie zur Lage in Ostsyrien, Hajan Duchan und Sinan Hawat, nennen drei Hauptmethoden, die der Islamische Staat anwende: "Wirtschaftliche Vorteile und Schutzversprechen sind der erste Faktor, die vom IS systematisch geschürte Furcht der zweite", schreiben sie. Und zum Dritten nutzten die Jihadisten aus, dass die Stämme schon lange über die Zentralregierung klagen.

Dabei habe Syriens langjähriger Machthaber Hafez al-Assad, Vater des heutigen Präsidenten Bashar al-Assad, die Stammesführer ebenfalls zur Absicherung seiner Machtbasis genutzt und sie mit zahlreichen Verwaltungsposten und Beihilfen geködert, erklären Duchan und Hawat. Doch seit Sohn Bashar vor 15 Jahren das Ruder übernahm, wurde Marktliberalismus eingeführt und die Postenwirtschaft abgeschafft. Das löste Verbitterung in den ländlichen Stammesgebieten aus.

Günstlingswirtschaft

"Der IS stieß in die entstandene Lücke und schuf neue Strukturen, basierend auf Günstlingswirtschaft und Gönnerschaft", schreiben die beiden Experten. Zugleich machten die Extremisten deutlich, was Widerstand kostet: Als sich im vergangenen Jahr der Shaitat-Stamm in der östlichen Provinz Deir Essor gegen die Gruppierung auflehnte, wurden mehr als 900 Stammesmitglieder hingemetzelt.

Doch trotz aller Anreize und Bedrohungen sind die sunnitischen Stämme in beiden Ländern gespalten, wie sie darauf reagieren sollen. "Zeigen Sie mir auch nur einen Clan oder Stamm, der sich vollständig dem Daesh oder der (mit Al-Kaida verbundenen) Al-Nusra-Front unterworfen hat", sagt Scheich Nawaf al-Mulhem, Stammesführer und Parlamentsabgeordneter aus der Provinz Homs.

Mehr als vier Millionen auf der Flucht

Der Bürgerkrieg in Syrien hat inzwischen mehr als vier Millionen Menschen aus dem Land vertrieben. Allein in den vergangenen zehn Monaten sei die Zahl der Flüchtlinge um eine Million gestiegen, teilte das Flüchtlingshochkommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) am Donnerstag in Genf mit.

UNHCR-Chef Antonio Guterres erklärte, es handle sich um die "größte Zahl von Flüchtlingen aus einem einzigen Konflikt seit einer Generation". Die Marke von drei Millionen syrischen Flüchtlingen war erst im August vergangenen Jahres überschritten worden. Für den starken Anstieg sorgte vor allem die Ankunft zahlreicher neuer Flüchtlinge in der Türkei, wie das UNHCR mitteilte.

Bis Ende des Jahres rechnet die UNO mit insgesamt 4,27 Millionen syrischen Flüchtlingen. Hinzu kommen 7,6 Millionen Binnenflüchtlinge in Syrien. Nach Angaben einer Sprecherin hatte das Flüchtlingswerk zuletzt im Jahr 1992 rund 4,6 Millionen Flüchtlinge aus Afghanistan versorgt.

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