donaufestival sucht Solidarität in der "Community of Aliens"

von donaufestival sucht Solidarität in der "Community of Aliens" © Bild: APA/EVA MANHART

Festivalleiter Edlinger holt Artists von allen Kontinenten nach Krems

Die Aliens kommen nach Krems: Mitte April steigt das diesjährige donaufestival zwischen Messehalle und Minoritenkirche, wobei Intendant Thomas Edlinger und sein Team heuer die "Community of Aliens" näher beleuchten wollen. Mittels Performances, Livemusik, aber auch bildender Kunst und Expertengesprächen soll der Frage nachgegangen werden, "wie Menschen, die unterschiedlich sind und deren Unterschiedlichkeit nicht verleugnet werden soll, miteinander auskommen können".

Das Mehrspartenfestival setzt sich traditionell mit gesellschaftspolitischen Themen und aktuellen Transformationsprozessen auseinander. Kulturelle Aneignung, die Überwindung des Menschlichen oder Gegenwart und Zukunft unseres Planeten sind dabei nur einige Beispiele aus den vergangenen Jahren. Diesmal rückt "eine Art solidarisches Handeln" in den Fokus, wie es Edlinger im APA-Interview ausdrückt. "Aber eben mit jenen, die nicht so sind, wie man selbst oder die man nicht so empfindet." Dafür sei der Begriff des Aliens besonders produktiv, weil er umfasse, fremd zu sein, sich fremd zu fühlen und zu Fremden gemacht zu werden - und mit all diesen Fremdheitserfahrungen umzugehen: "Der Alien-Begriff schillert in verschiedenen Dimensionen."

Im Programm der beiden Wochenenden (19.-21. sowie 26.-28. April) drückt sich das in unterschiedlicher Form aus. So lässt etwa Joshua Serafin in der Performance "VOID" eine queere, philippinische Gottheit auferstehen, "die vormodern gedacht, aber nachmodern inszeniert wird". Diese "rätselhafte Bühnengottheit" komme aus einer fernen Vergangenheit und deute in eine unbekannte Zukunft, so Edlinger. "Das ist eine Form der Alienness, die man selten im Blick hat: in Bezug auf die Zeitlichkeit. Etwas, das nie passiert ist, wird als Zukunftsvorstellung angezapft und als Möglichkeit aktiviert."

Der schwarze, slowenische Künstler Christian Guerematchi ist mit der Videoarbeit "CRNI TITO" vertreten, die unter dem Einfluss von Ex-Jugoslawien entstanden ist und in der sich eine Geisterfigur in weißer Uniform und schwarzer Maske durch Ghana bewegt. Dieser "Blaq Tito" sei nicht zuletzt "im Zuge der neuen Unversöhnlichkeiten und neuen Blockbildungen, die wir politisch erleben", zu lesen, erklärt Edlinger. Musikalisch nennt er wiederum Dopplereffekt, Speaker Music oder HUUUM als Beispiele für "schillernde Umgangsweisen mit Alien-Sounds und -Gefühlen". Dazu zähle auch Joe Rainey, der die Gesänge der indigenen Völker Nordamerikas in seine Musik inkludiert. "Hier wird eine prinzipielle Entfremdung von einer Dominanzkultur in hypnotische, toll technoide Trancemusik verwandelt."

Als weiteren Denkanstoß führt Edlinger die Schweizer Philosophin Rahel Jaeggi an, die sich intensiv mit Entfremdung auseinandergesetzt hat und diese als "Beziehung der Beziehungslosigkeit" definiert. "Das ist eine gute Formulierung, weil sie Wert darauf legt, dass Entfremdung eine Beziehungsform ist - wenngleich eine gestörte. Viele dieser Alien-Erscheinungen sind nämlich nicht freiwillig im Sinn von spekulativer Science-Fiction gewählt, sondern das Resultat gewaltvoller Verhältnisse, die Menschen erst zu Fremden machen."

Aus einer hoffnungsvollen Perspektive könnte man die Kunst als Resonanzraum von Möglichkeiten betrachten, formuliert es der Festivalleiter. "Etwa um gestörte Weltbeziehungen in etwas anderes zu verwandeln und neue Allianzen, seien es auch nur temporäre, auszuprobieren." Nicht zuletzt aufgrund der Dringlichkeit politischer wie ökologischer Fragestellungen erfahre die Fixierung auf das Ich und dessen Überempfindlichkeit eine Gegenbewegung. "Vielen Leuten ist wichtiger geworden, andere Dinge in den Blick zu bekommen."

Letztlich finden auch realpolitische Ereignisse ihren Widerhall beim Festival, wenn etwa das Kollektiv Total Refusal für "Sons and True Sons" verschiedene Realitätsebenen vermischt und die Gamingkultur auf den Sturm auf das Kapitol in Washington treffen lässt. "Natürlich wird das donaufestival nicht Amerika reparieren", hält Edlinger fest. "Aber man kann bestimmte Mechanismen zeigen und damit eine Aussage, die auch anderswo interpretierbar und produktiv ist."

Tatsächlich wartet das donaufestival heuer mit Künstlern von allen Kontinenten auf: "Es ist wirklich ein globalisiertes Festival. Wir haben Turntable-Artists aus Peru genauso da wie die australische Band The Necks und diverse cluborientierte Acts von Tunesien bis China." Insofern gebe es unterschiedliche Perspektiven auf Konflikte und Kriege, die aufgemacht werden. "Ein Festival ist auch dazu da, einen Raum zu eröffnen, der nicht in Beklemmung stecken bleibt", so Edlinger. Dank Darbietungen von so spannenden Acts wie The Jesus And Mary Chain, Jenny Hval, Ben Frost oder Autechre sind jedenfalls sechs abwechslungsreiche Tage mit in Summe gut 50 Programmpunkten zu erwarten.

(Das Gespräch führte Christoph Griessner/APA)

(S E R V I C E - donaufestival von 19.-21. und 26.-28. April an verschiedenen Locations in Krems. Weitere Infos und Tickets unter )