Scholz, Macron und Tusk beschwören Zusammenhalt bei Ukraine

von Scholz, Macron und Tusk beschwören Zusammenhalt bei Ukraine © Bild: APA/APA/AFP/ODD ANDERSEN

Einigung auf "Fähigkeitskoalition

Trotz Differenzen haben Deutschland, Frankreich und Polen bei einem Dreier-Gipfel in Berlin ihren Zusammenhalt bei der Unterstützung der Ukraine im Abwehrkampf gegen Russland beschworen. "Wir alle drei meinen es ernst mit unserer Unterstützung der Ukraine", sagte Deutschlands Kanzler Olaf Scholz am Freitag nach Beratungen mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und dem polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk in Berlin.

"Mehr denn je gilt: Unsere Einheit ist unsere Stärke. Und gerade unseren drei Staaten - Deutschland, Polen und Frankreich - wächst dabei eine besondere Verantwortung zu." Solidarität und gemeinsames Handeln seien unverzichtbar, um Frieden und Freiheit in Europa zu verteidigen.

Macron betonte: "Wir teilen eine Überzeugung: In der Ukraine geht es auch um unsere Sicherheit und unsere Zukunft", sagte er. Der gemeinsame Wille sei es, die Ukraine so lange wie notwendig zu unterstützen und Russland seinen Angriffskrieg nicht gewinnen zu lassen. Auch Tusk sagte: "Wir haben heute mit einer Stimme gesprochen, in erster Linie über Fragen der Sicherheit für unseren Kontinent, für unsere Länder, und all dies natürlich im Zusammenhang mit dem Krieg."

Dem Treffen vorausgegangen war ein offener Konflikt über die Ukraine-Strategie zwischen Scholz und Macron. Nach dem letzten großen Ukraine-Gipfel in Paris vor knapp drei Wochen hatte Macron erklärt, dass die Entsendung von Bodentruppen für ihn eine Option sei. Scholz widersprach in den Tagen darauf mehrfach. "Um es klipp und klar zu sagen: Als deutscher Bundeskanzler werde ich keine Soldaten unserer Bundeswehr in die Ukraine entsenden", sagte Scholz.

Macron erklärte dann bei einem Besuch in Prag: "Wir nähern uns gewiss einem Moment unseres Europas, in dem es angebracht ist, nicht feige zu sein." So mancher hat das als Anspielung auf Scholz verstanden, der anders als Frankreich auch keine Marschflugkörper in die Ukraine liefern will. Der Kanzler befürchtet eine Verwicklung Deutschlands in den Ukraine-Krieg.

Das Treffen in Berlin diente nun dem Ziel, dem Eindruck einer uneinigen Europäischen Union bei der Ukraine-Hilfe entgegenzuwirken. Die Differenzen in der Frage der Bodentruppen wurden dabei aber nicht ausgeräumt. Beim anschließenden Pressetermin wurden keine Nachfragen der Journalisten zugelassen. Scholz und Macron erwähnten das Thema in ihren Statements nicht.

Macron nahm allerdings in einem Interview mit der Zeitung "Le Parisien" (Sonntagausgabe) Stellung. Er versicherte, es hätte "zwischen dem Bundeskanzler und mir ... nie Ärger gegeben. Wir haben eine sehr große Gemeinsamkeit in Bezug auf die Ziele und die Situation. Nur die Art und Weise, wie sie übersetzt werden, ist unterschiedlich, weil die strategischen Kulturen unserer Länder verschieden sind." Deutschland habe eine Kultur großer Vorsicht und Nichtintervention, während Frankreich über Atomwaffen verfüge und eine Berufsarmee beibehalten und ausgebaut habe. In der Frage der Bodentruppen beharrte Macron auf seinem Standpunkt: "Vielleicht wird es irgendwann - ich wünsche es nicht, werde es nicht initiieren - notwendig sein, Operationen vor Ort zu haben, wie auch immer sie aussehen mögen, um den russischen Kräften entgegenzuwirken", sagte der Präsident. "Unsere Pflicht ist es, uns auf alle Szenarien vorzubereiten."

Auch kurz vor dem Treffen hatten Macron und Scholz ihre unterschiedlichen Positionen bekräftigt. "Da gibt es keinerlei veränderte Haltung des Bundeskanzlers dazu. Das hat er deutlich gemacht", sagte Deutschlands Regierungssprecher nur wenige Minuten bevor Scholz den französischen Präsidenten mit Handschlag - aber ohne Umarmung - auf dem roten Teppich vor dem Kanzleramt empfing. "Beide haben da ihre Standpunkte und dabei wird es auch bleiben. Davon gehe ich aus."

Am Vorabend hatte Macron seine Position zu den Bodentruppen im französischen Fernsehen noch einmal bekräftigt. "Alle diese Optionen sind möglich", sagte er, machte aber zugleich deutlich, dass er den Zeitpunkt für Bodentruppen nicht gekommen sieht und ein solcher Einsatz nicht sein Wunsch sei. Man setze nicht auf Eskalation und befinde sich auch nicht im Krieg gegen Russland, man dürfe Russland den Krieg in der Ukraine aber nicht gewinnen lassen, sagte Macron.

Im Mittelpunkt des Dreier-Gipfels standen dann die Gemeinsamkeiten. Scholz bekräftigte, dass man nun zur Unterstützung der Ukraine weltweit Waffen und Munition kaufen wolle. "Das ist eine gute Verbesserung." In einem ersten Schritt hat Tschechien in 18 Staaten Geld für den Kauf von 800.000 Artilleriegranaten für die Ukraine aus Drittstaaten außerhalb der Europäischen Union gesammelt. Deutschland will sich daran mit etwa 350 Millionen Euro beteiligen.

Die Produktion militärischen Geräts werde ausgebaut, auch in Zusammenarbeit mit Partnern in der Ukraine, sagte Scholz. Außerdem werde eine "neue Fähigkeitskoalition für weitreichende Raketenartillerie" gegründet, so Scholz, ohne Einzelheiten zu nennen. Eine Koalition für weitreichende Waffen hatte Macron schon beim Ukraine-Gipfel Ende Februar angekündigt.

Der Standpunkt von Polens Regierungschef Tusk zu der Bodentruppen-Frage blieb auch am Freitag ungeklärt. Ende Februar hatte er bei einem Treffen mit seinem tschechischen Kollegen Petr Fiala in Prag gesagt: "Polen beabsichtigt nicht, seine Truppen in die Ukraine zu schicken." Er äußerte sich jedoch nicht dazu, welche Haltung seine Regierung dazu einnehmen würde, wenn andere NATO-Länder Truppen in Polens östliches Nachbarland entsenden würden und ob das generell eine Option sein solle.

Sehr viel deutlicher positionierte sich etwas später Polens Außenminister Radoslaw Sikorski. "Die Präsenz von NATO-Truppen in der Ukraine ist nicht undenkbar. Ich begrüße die Initiative von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron", schrieb er am vergangenen Freitag auf X. Denn dieser Vorschlag Macrons bedeute, "dass Putin Angst hat, statt dass wir Angst haben vor Putin", sagte Sikorski weiter.